Am Wochenende fuhr ein mutmaßlicher Schleuser auf der Flucht vor der Polizei in Vilshofen im Kreis Passau in eine Menschengruppe – und verletzte dabei sechs Personen schwer. Zuvor geriet der Fahrer in eine Verkehrskontrolle, gab Gas und flüchtete vor den Einsatzkräften. Eine Streife der Landespolizei nahm die Verfolgung auf, die dann mit dem Unfall in Vilshofen endete.
Auch wenn Verfolgungsfahrten in Deutschland nicht so häufig vorkommen und wenig gemein haben mit Szenen in Actionfilmen, darf die Polizei in bestimmten Fällen flüchtende Verdächtige verfolgen. Doch es gibt Regeln für Einsatzkräfte, damit Unbeteiligte möglichst nicht zu Schaden kommen.
Verfolgungsfahrten: Ab wann darf die Polizei aktiv werden?
Wenn es Anhaltspunkte für eine Straftat gibt, darf die Polizei einschreiten und eine Verfolgung aufnehmen. Das schreibt das bayerische Innenministerium auf BR24-Anfrage. Die Schwelle sei hierbei niedrig angesetzt: Das heißt, dass die Polizei auch bei einem Anfangsverdacht aktiv werden darf. Dieser kann möglicherweise Hinweise auf eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder eine Straftat geben.
Dabei spielt die Verhältnismäßigkeit eine entscheidende Rolle: Sofern eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmende entstehen kann, müsse im Einzelfall geprüft werden, ob die Maßnahme durchgeführt werden soll. Eine Verfolgung sei dennoch in bestimmten Fällen sinnvoll, um Straftäter zu stellen: "Jedenfalls wäre ein generelles Absehen nur schwer vermittelbar, da sich so jeder Straftäter durch Flucht in einem Kraftfahrzeug der Strafverfolgung entziehen könnte", schreibt das Innenministerium. Das Risiko für andere sollte aber so gering wie möglich gehalten werden.
Blaulicht und Martinshorn: Vorgaben bei Verfolgungsfahrten
Wenn die Polizei die Verfolgung eines verdächtigen Fahrzeugs aufnimmt, darf sie Blaulicht zusammen mit dem Martinshorn verwenden. Das signalisiere für die anderen Verkehrsteilnehmenden sofort "höchste Eile und größte Gefahr", schreibt das Innenministerium. Das Einsatzfahrzeug hat mit dieser Warnvorrichtung Vorrecht im Straßenverkehr und andere Verkehrsteilnehmende müssen dann schnellstmöglich Platz machen. Während einer polizeilichen Verfolgungsfahrt sind die Beamtinnen und Beamten von der Einhaltung der Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit (§ 35 StVO).
Dennoch muss die Gefährdung von anderen im Straßenverkehr möglichst ausgeschlossen werden. Das bedeutet, dass auch die Geschwindigkeit den Gegebenheiten angepasst werden muss – und rote Ampeln und Kreuzungen nur überfahren werden dürfen, sofern das Verkehrsgeschehen übersichtlich ist und eingeschätzt werden kann. Wenn das nicht der Fall ist, müssen auch Einsatzfahrzeuge an Kreuzungen anhalten oder diese in Schrittgeschwindigkeit überqueren.
Spezielles Training für Verfolgungsfahrten
Verfolgungsfahrten müssen geübt und trainiert werden – und sind deshalb auch ein festes Element in der Ausbildung von Polizeibeamtinnen und -beamten. Laut dem Innenministerium gibt es einen speziellen Verkehrstrainingssimulator, in dem unter realistischen Bedingungen Verfolgungsfahrten geübt werden.
Dabei sei auch wichtig, dass die Auszubildenden geschult werden, die Situation im Einzelfall zu beurteilen und richtig einzuschätzen. Wenn Unfälle wie beispielweise in Vilshofen passieren, werden solche Einsätze detailliert nachbereitet. Falls bei einer Verfolgungsfahrt die Schuld bei den Beamtinnen und Beamten liegen sollte, werden interne Ermittlungen durchgeführt.
Wie müssen sich andere Verkehrsteilnehmende verhalten?
Freie Bahn machen – das ist das erste Gebot, wenn Blaulicht und Martinshorn in unmittelbarer Seh- und Hörnähe sind. Das Innenministerium gibt folgende Empfehlungen: "Freie Bahn können Verkehrsteilnehmer schaffen, in dem sie je nach Verkehrslage und örtlichen Gegebenheiten scharf rechts und langsam fahren, am rechten Fahrbahnrand anhalten, auf eine Sperrfläche oder wenn möglich kurz auf einen Gehweg fahren." Sie sollten versuchen, den Einsatzfahrzeugen auf jeden Fall die Vorfahrt zu ermöglichen.
Wichtig sei aber vor allem, dass man möglichst schnell den Gefahrenbereich verlässt, um sich nicht selbst in Gefahr zu begeben. Und um die Arbeit der Einsatzkräfte nicht zu behindern.
- Zum Artikel: Wie verhalte ich mich bei Blaulicht richtig?
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