"Sie hat gesagt, sie saß heulend auf der Toilette, hat Gott angebetet, nur der Alkohol hat es für sie erträglich gemacht", so sagt es eine ehrenamtliche Helferin der Asylbewerberinnenunterkunft in Nürnberg-Schmausenbuck vor Gericht aus. Ihre Stimme schwankt dabei leicht. Die Vorsitzende Richterin fragt sie, was das mutmaßliche Opfer ihr noch über die Vorfälle erzählt habe. Die Helferin stockt und fragt: "Muss ich das erzählen?" Details aus dem Gespräch scheint sie sich nicht gerne in Erinnerung zu rufen.
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"Aus Angst": Anschuldigungen erst nach drei Jahren
Die Ehrenamtliche ist seit Jahren in der Unterkunft als Helferin beschäftigt. Sie hilft den Bewohnerinnen bei Amtsgängen, verteilt Sachspenden und vieles mehr. Deshalb haben einige der Bewohnerinnen Vertrauen zu ihr gefasst. Eines der mutmaßlichen Opfer habe sich ihr unter Tränen anvertraut – allerdings erst nach drei Jahren, wie sie sagt. Und erst nachdem sie aus der Asylunterkunft ausgezogen war, aus Angst. An dieser Stelle versuchte der Angeklagte zu protestieren, die Staatsanwältin wies ihn ausdrücklich darauf hin, ruhig zu sein. Der Angeklagte habe seinem mutmaßlichen Opfer gedroht, ihr das Kind vom Jugendamt wegnehmen zu lassen, sollte sie jemandem davon erzählen, würde ihr sowieso niemand glauben.
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Zweite Geschädigte vertraut sich an
Auch die zweite Geschädigte habe sich der Ehrenamtlichen anvertraut, sagt sie heute vor Gericht. Normalerweise sei sie nur tagsüber in der Unterkunft, eines Tages sollte sie aber um acht Uhr abends nach Schmausenbuck kommen. Dort kam sie zu einem Gespräch, das fast bis Mitternacht dauerte, sagt sie. Zwei Sicherheitsleute seien dabei gewesen– die auch bereits vor Gericht ausgesagt haben – und drei Bewohnerinnen. Zwei schilderten sexuelle Belästigungen durch einen weiteren Security-Mitarbeiter, die Dritte berichtete von Vergewaltigungen durch den Angeklagten. "Etliche Male" sei das passiert, im Heizungskeller, aber auch in den Räumlichkeiten der Helferin.
Puzzle aus vielen Zeugenbefragungen
Neben der ehrenamtlichen Helferin waren heute auch eine Büroangestellte der zuständigen Sicherheitsfirma sowie deren Geschäftsführer als Zeugen geladen. Hauptsächlich hatten bislang vor allem ehemalige Kolleginnen und Kollegen des Angeklagten ausgesagt. Von ihren Berichten erhoffte sich das Gericht vor allem Informationen zu den Arbeitsabläufen der Security-Mitarbeiter: Hatte der Angeklagte Gelegenheit für die mutmaßlichen Vergewaltigungen? Wie sind die Räumlichkeiten aufgebaut und wer hatte Zugang zu welchen Räumen? Denn die Vergewaltigungen sollen sich zum großen Teil in den Kellerräumen der Unterkunft ereignet haben. Ein Bereich, zu dem die Bewohnerinnen keinen Zutritt haben. Eine der Geschädigten konnte die Räume aber gut beschreiben, ein Fakt worüber sich die heutige Zeugin, die Büroangestellte der Sicherheitsfirma, damals wie heute wunderte.
Urteil im Februar?
Seit Ende Oktober muss sich der Angeklagte wegen Vergewaltigung in mindestens 77 Fällen vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verantworten. Der Angeklagte weist die Vorwürfe von sich, hatte sogar vor seiner Verhaftung selbst Anzeige wegen Verleumdung gestellt. Die Beweisaufnahme gestaltet sich schwierig, es steht Aussage gegen Aussage. Ursprünglich war die Hauptverhandlung lediglich bis zum 14. Dezember mit neun Tagen terminiert. Derzeit sind noch Verhandlungstage bis zum 9. Februar und damit insgesamt 18 Termine geplant. Dann könnte auch ein Urteil fallen.
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