Ein kürzlich vermisst gemeldeter belarussischer Aktivist ist in der ukrainischen Hauptstadt Kiew tot aufgefunden worden. Witali Schischow sei am Dienstag erhängt in einem Park in der Nähe seines Wohnorts entdeckt worden, teilte die Kiewer Polizei mit.
Schischow leitete die Organisation "Belarussisches Haus in der Ukraine", die Exil-Belarussen beim Ankommen hilft. Die Gruppe kümmert sich um Unterbringung, Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitsplätze für aus Belarus geflohene Gegner von Präsident Alexander Lukaschenko.
Vergangenes Jahr in die Ukraine geflohen
Die Polizei ermittelt eigener Aussage zufolge wegen Mordes. Es seien persönliche Gegenstände und Schischows Mobiltelefon gefunden worden. Der ukrainische Polizeichef Igor Klimenko sagte am Nachmittag, an Schischows Leiche seien Schrammen an Nase, Knie und Brust festgestellt worden. Weitere Untersuchungen müssten zeigen, ob diese Verletzungen von Schlägen stammten.
Schischow war laut seiner Organisation im vergangenen Jahr aus Angst vor den autoritären Behörden seines Landes in die Ukraine geflohen, nachdem er an regierungskritischen Protesten teilgenommen hatte. Die Organisation spricht von einer "geplanten Operation" der belarussischen Führung zur "Eliminierung" eines Regierungskritikers. Es sei offensichtlich, dass die belarussischen Geheimdienste Schischow getötet hätten, der eine "echte Bedrohung für das Regime" in Minsk gewesen sei.
Offenbar fühlte sich Schischow bereits in den Tagen zuvor nicht sicher: Die Menschenrechtsorganisation Wjasna erklärte unter Berufung auf Freunde Schischows, der Aktivist sei kürzlich beim Joggen von "Fremden" verfolgt worden.
Menschenrechtsausschuss schockiert
Der Tod des belarussischen Aktivisten Schischow ist in Deutschland mit großer Besorgnis aufgenommen worden. Schischows Tod sei ein Schock, sagte die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte, Jensen. Nach den Erfahrungen der letzten Monate sei es zumindest sehr naheliegend, dass Schergen von Diktator Lukaschenko in seinen Tod verwickelt sein könnten, so die FDP-Politikerin. Die Europäische Union müsse die ukrainischen Behörden bei den Ermittlungen unterstützen.
Vertreter der EU-Institutionen äußerten sich zunächst nur knapp. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell teilte am Abend mit, er sei schockiert über die Berichte. EU-Parlamentspräsident David Sassoli bezeichnete den Tod Schischows als entsetzlich. Die Tatsache, dass belarussische Aktivisten in Drittländern ins Visier genommen würden, stelle eine ernste Eskalation dar, kommentierte der Italiener.
Olympia: Timanowskaja sollte entführt werden
Viele Menschen aus Belarus fliehen vor den Repressionen des Staatsapparats von Machthaber Alexander Lukaschenko ins Ausland. In den vergangenen Tagen hatte der Fall der belarussischen Olympia-Athletin Kristina Timanowskaja international für Aufsehen gesorgt. Timanowskaja sollte nach kritischen Äußerungen über Sportfunktionäre ihres Heimatlandes mutmaßlich aus Tokio entführt werden. Mittlerweile steht die 24-Jährige unter dem Schutz der japanischen Polizei und soll demnächst nach Polen ausreisen.
Im Mai ließ der belarussische Präsident Lukaschenko mit einem Kampfflugzeug eine Passagiermaschine beim Überflug über Belarus abfangen und nach der erzwungenen Landung einen bekannten Oppositionellen und dessen Freundin festnehmen. Westliche Staaten haben deshalb Sanktionen gegen die Regierung in Minsk erlassen. Vergangenen August wurde Lukaschenko nach offiziellen Angaben wiedergewählt, die Opposition geht von Wahlbetrug aus. Gegen die monatelang anhaltenden Massenproteste ging Lukaschenko mit dem massiven Einsatz von Sicherheitskräften vor, Hunderte Menschen wurden verhaftet.
mit Informationen von Reuters, AFP und dpa
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