Anders als in vielen anderen Bundesländern dürfen 16- und 17-Jährige in Bayern nicht wählen. Vor rund zwei Monaten scheiterte mal wieder ein Vorstoß der Opposition. Im Landtag gab es keine Mehrheit für einen Gesetzentwurf der Grünen, das Wahlalter im Freistaat zu senken. Aktuell erwägen mehrere Parteien und Verbände, es über einen anderen Weg zu versuchen - und zwar mit einem Volksbegehren fürs Wählen ab 16.
Noch ist das Projekt in einem frühen Stadium – es könnte aber nach BR24-Informationen von mehreren Partnern getragen werden. So sind die bayerischen Grünen grundsätzlich offen für ein Volksbegehren, der Bayerische Jugendring will aktiv unterstützen. Besonders engagiert sind die Katholische Landjugendbewegung und der FDP-Parteinachwuchs. Die Jungen Liberalen twitterten zuletzt, zwei ihrer Mitglieder hätten "eine parteiübergreifende Initiative ins Leben gerufen, die sich für ein Volksbegehren stark macht, das das Wählen ab 16 auch in Bayern ermöglichen soll".
Im kommenden Frühjahr könnte die Initiative beginnen, Unterschriften zu sammeln – dann dürfte das Thema auch im bayerischen Landtagswahlkampf Beachtung finden.
Zustimmung von 25 Prozent der Wahlberechtigten realistisch?
In Bayern darf man bei Landtags- und Kommunalwahlen ab 18 wählen. Um das zu ändern, müssen die Initiatoren eines Volksbegehrens zunächst 25.000 Unterschriften sammeln. Danach prüft das Innenministerium, ob das Begehren zugelassen wird. Kommen im nächsten Schritt erneut genug Unterschriften zusammen, liegt die finale Hürde höher als bei "gewöhnlichen" Volksbegehren: Weil für eine Wahlalter-Absenkung Bayerns Verfassung geändert werden müsste, bräuchte es bei einem Volksentscheid eine "qualifizierte Mehrheit" – mit den Ja-Stimmen von mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten.
Das wiederum setzt die Hürden für ein Wählen-ab-16-Volksbegehren extrem hoch. Denn bei den bayerischen Stimmberechtigten sind die vorrangig Betroffenen gar nicht dabei: Erst ab 18 Jahren dürfte abgestimmt werden, nicht volljährige Jugendliche wären also außen vor.
Landtag: CSU und AfD dagegen – Sonderrolle Freie Wähler
Im Landtag sind CSU und AfD dagegen, dass im Freistaat auch 16- und 17-Jährige wählen dürfen. Grüne, SPD und FDP sind dafür. Eine Sonderrolle haben die Freien Wähler, Koalitionspartner der CSU. Sie sind grundsätzlich offen fürs Wählen ab 16, mindestens bei Kommunalwahlen. Allerdings stimmten auch sie Ende Juni gegen den Grünen-Gesetzentwurf – aus Koalitionsdisziplin. Denn im Koalitionsvertrag mit der CSU konnten die Freien Wähler nicht unterbringen, dass das Wahlalter auch in Bayern sinkt.
Wie sich die Freien Wähler zu einem möglichen Volksbegehren positionieren, ist noch offen. "Ein Volksbegehren ist für die Wahlalter-Absenkung nicht wirklich ideal", sagt Fraktionsgeschäftsführer Fabian Mehring auf BR24-Anfrage. Er vermutet, dass Junge Liberale und FDP mit dem Thema im Wahlkampf punkten wollen – und deshalb auf ein laut ihm eher aussichtsloses Volksbegehren setzen.
Mehring wiederum hält den Weg über die Bundesebene, "wo die FDP ja mitregiert", für effektiver. Dort will die Ampel-Regierung das Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen auf 16 senken. "Wenn das umgesetzt ist, können sich auch die Länder nicht ewig entziehen", sagt er.
Bundestag: Ampel braucht Zweidrittelmehrheit
Tatsächlich haben sich SPD, Grüne und FDP im Bund darauf verständigt, das Wahlalter zu senken. Im gemeinsamen Koalitionsvertrag steht dazu: "Wir werden das aktive Wahlalter für die Wahlen zum Europäischen Parlament auf 16 Jahre senken. Wir wollen das Grundgesetz ändern, um das aktive Wahlalter für die Wahl zum Deutschen Bundestag auf 16 Jahre zu senken."
Zumindest für das Wahlalter bei Bundestagswahlen bräuchte es allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Die Ampel-Koalition benötigt also Unterstützer – wobei CDU und CSU bisher bei ihrer Ablehnung bleiben. Deren Vertreter verweisen immer wieder darauf, dass auch andere Rechte und Pflichten in Deutschland erst ab 18 Jahren gelten und es andere Formen der Jugendbeteiligung gibt.
Bayerischer Jugendring: "Das passt nicht zusammen"
Ganz anders sehen das Befürworter des Wahlrechts ab 16. So sagt etwa Gabriele Weitzmann, Geschäftsführerin des Bayerischen Jugendrings: "Jugendliche ab 16 dürfen zwar im Arbeitsleben stehen und Steuern und Abgaben in die öffentlichen Kassen zahlen – als Wähler sind sie aber nicht gefragt. Erst mit 18 sollen sie plötzlich als engagierte Staatsbürger wie Kai aus der Kiste springen." Das passe nicht zusammen, kritisiert Weitzmann. "Jugendliche engagieren sich Tag für Tag für unterschiedlichste gesellschaftspolitische Ziele und tragen zum Gemeinwohl bei."
Möglich, dass das angedachte Volksbegehren neuen Schwung in eine alte bayerische Debatte bringt. Bundesweit ist der Freistaat mit seiner Regelung inzwischen in der Minderheit: In elf Bundesländern dürfen 16- und 17-Jährige inzwischen wählen – immer bei Kommunalwahlen, in fünf Ländern auch bei Wahlen auf Landesebene. In Bayern, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen und im Saarland heißt es dagegen: Wählen immer erst ab 18.
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