Der Warnstreik der Gewerkschaft Verdi hat am Freitag wie angekündigt die meisten großen Flughäfen in Deutschland erfasst. In München, Frankfurt, Hannover, Stuttgart, Bremen, Hamburg und Dortmund kam durch den Ausstand der reguläre Betrieb weitgehend zum Erliegen. Nach Schätzungen des Flughafenverbandes ADV sind knapp 300.000 Passagiere von gut 2.340 Flugausfällen betroffen.
Chaos auf Straßen und Schienen bleibt aus
Trotz des eingestellten Passagierbetriebs am Münchner Flughafen blieb das befürchtete Chaos auf den bayerischen Schienen und Straßen bis zum frühen Nachmittag aus. "Die auf die Bahn umgestiegenen Fluggäste konnten wir in der Regel problemlos unterbringen", sagte am Freitag eine Sprecherin der Bahn. Trotz des erhöhten Fahrgastaufkommens laufe der Bahnbetrieb weitgehend reibungslos.
Auch auf bayerischen Straßen war es am Vormittag ruhig, wie ein Sprecher der Polizei mitteilte. Am Nachmittag war wegen der beginnenden Ferien mehr Verkehr auf Bayerns Straßen unterwegs als sonst - besonders Richtung Süden. Auf einen Zusammenhang mit dem Warnstreik am Flughafen deute das allerdings nicht hin, so der ADAC.
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Frankfurt: Nur 12 von über 1.000 geplanten Flügen finden statt
In München und an anderen Flughäfen waren bereits im Vorfeld alle Flüge annulliert worden. Fluggäste wurden gebeten, gar nicht erst zu den Airports anzureisen. In den Ausstand traten unter anderem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bereichen wie Bodenverkehrsdienste, Luftsicherheitskontrollen, Passagierabfertigung, Instandsetzung und der Flughafenfeuerwehr.
Insgesamt wurden in München einem Airportsprecher zufolge rund 750 Flüge abgesagt. Damit ruhe praktisch der gesamte gewerbliche Flugverkehr, sagte er. Passagiere kamen demnach so gut wie gar nicht erst zum Airport. Nur "sehr vereinzelt" seien Menschen erschienen, die vom Streik anscheinend nichts mitbekommen hätten.
Abgewickelt wurden in München nach Angaben des Sprechers nur angemeldete Sonderflüge mit Teilnehmern der Münchner Sicherheitskonferenz, an der etliche Regierungsvertreter aus dem In- und Ausland teilnehmen. Deren Abfertigung sei gemäß vorheriger Absprachen "gewährleistet", betonte er.
Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt gab es am Freitag lediglich zwölf Flugbewegungen. Laut einem Fraport-Sprecher handelte es sich dabei ausschließlich um Hilfs- und Notfallflüge für Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien, für deren Abfertigung zuvor eine Notvereinbarung getroffen worden war. Geplant waren ursprünglich 1.005 Flugbewegungen.
München: Verdi lobt Beteiligung von mehr als 600 Beschäftigten
Beschäftigte der Flughafengesellschaft München FMG und der Abfertigungsgesellschaft aeroground sowie verschiedener andere Betriebe wie die Sicherheitsgesellschaft SGM am Flughafen streiken seit dem Morgen am Münchner Flughafen. Kurz nach Öffnung des Streiklokals hätten sich bereits 600 Kolleginnen und Kollegen angestellt, so Manuela Dietz, Verdi-Betriebsrätin.
Verdi habe sich die Entscheidung für den Streik nicht leicht gemacht, aber man habe ausdrücklich Hilfs-Flüge ermöglicht. Es gebe eine Notdienstvereinbarung, so dass beispielsweise auch die Flughafenfeuerwehr einsatzbereit sei in Notbereitschaft. Allerdings gebe es keine Sondervereinbarung für die Sicherheitskonferenz, die Entscheidung, ob diese Flüge eingehen können oder nicht, liege allein bei der Flughafengesellschaft. Es sei ein purer Zufall, dass der Streik mit der Sicherheitskonferenz kollidiere, es sei ein bundesweiter Streik, so Hans Sterr.
Verdi beklagt niedrige Löhne
Die Situation am Flughafen habe sich seit dem Herbst nicht verbessert. Die Verdi-Vertreter beklagten den Personalmangel am Flughafen und die Arbeitsbelastung. So lägen die Löhne die nur wenig über 2.345 Euro Brutto. Das höchste, was ein Flugabfertiger erreichen könnte, sind laut Verdi 2.800 Euro Brutto. Jeder zehnte Flug werde inzwischen gestrichen aus Personalnot, weil die Unternehmen nicht bereit seien, mehr zu bezahlen. Die Kolleginnen und Kollegen wüssten nicht, wie sie "mit dem bisserl Geld klar kommen sollen, das wir verdienen." Auch bei der Sicherheitsgesellschaft SGM sei es mit einem Gehalt von 3.000 Euro Brutto schwer Personal zu bekommen.
Dieser Flughafenstreik sei vergleichsweise früh angekündigt worden, betonte die Streikleiterin. Die Einstellung des Betriebes sei eine gängige Maßnahme um das Chaos zu verringen im Vergleich zu einem mehrstündigen Warnstreik. Deshalb würden das Flughäfen vermehrt anwenden, so Manuela Dietz. Ähnliche Streiks hätten bereits Erfolge gezeigt, so die Verdi-Vertreter. In Hamburg sei eine Einigung gelungen mit einer deutlichen Lohnerhöhung von mehr als 450 Euro für die Beschäftigten.
Verdi-Chef Werneke droht mit Ausweitung der Proteste
Mit dem Ausstand nicht nur an den Flughäfen wollen die Beschäftigten ihren Forderungen im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen Nachdruck verleihen. "Wenn sich jetzt nichts tut bei der Vergütung, dann wird uns allen wieder ein Chaos-Sommer bevorstehen – und das müssen wir dringend verhindern", sagte Verdi-Vize Christine Behle am Freitagmorgen im RBB-Inforadio.
Die Gewerkschaft verlangt ein Lohnplus von 10,5 Prozent für eine Laufzeit von zwölf Monaten, mindestens jedoch monatlich 500 Euro mehr. Zugleich streiken aber auch Mitarbeiter der Luftsicherheit und von Bodenverkehrsdiensten, die nicht zum öffentlichen Dienst gehören. Hier laufen parallel bundesweite sowie teilweise örtliche Tarifverhandlungen.
Verdi-Chef Frank Werneke drohte vor der zweiten Verhandlungsrunde 22. und 23. Februar in Potsdam mit einer Ausweitung der Proteste. "Die nächsten Streiks haben eine andere Dimension", sagt Werneke der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Die "Aktionsbereitschaft" der Mitglieder sei groß. "Wenn es notwendig wird, steht die Streikplanung." Sollten die Arbeitgeber nächste Woche ein wirklich gutes Angebot vorlegen, könne man sich aber schnell einigen, betonte Werneke.
Andernfalls seien die aktuellen Warnstreiks an Flughäfen an diesem Freitag, im Nahverkehr oder in Kitas nur ein Vorgeschmack. "Hinzu kommen zum Beispiel die Müllabfuhr oder die Krankenhäuser." Auch Schleusen an den Wasserstraßen würden womöglich nicht bedient. "Und vielleicht gibt's keine Knöllchen, wenn die Angestellten der Ordnungsämter in den Ausstand treten."
Flughafenverband ohne Verständnis für Ausmaß des Streiks
Der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV, Ralph Beisel, hat kein Verständnis für den ganztägigen Verdi-Streik an deutschen Flughäfen. Im Interview auf Bayern 2 sagte Beisel, "wenn ein Warnstreik Züge annimmt, die eher an Generalstreiks erinnern, die wir aus Italien, aus Frankreich kennen, das hat wirklich mit angemessener Streikkultur nichts mehr zu tun." Beisel erinnerte an die rund 300.000 Reisenden, die ihren Flug in die Ferien antreten wollten und die nun von dem Streik betroffen seien.
Die Lufthansa will den Warnstreik möglichst schnell hinter sich lassen. "Wir starten am Samstag sofort wieder in den Regelbetrieb", sagte ein Unternehmenssprecher in Frankfurt. Am Freitag musste die größte deutsche Fluggesellschaft rund 1.300 Flüge absagen – nachdem sie gerade erst eine von einem Bagger verursachte IT-Störung vom Mittwoch überwunden hatte.
Trotz des Warnstreiks am Münchner Flughafen können am Freitag einige wenige Reisende in Bayern im Flieger Richtung Süden abheben. Am Memminger Flughafen sollen insgesamt fünf Maschinen abgefertigt werden, die eigentlich an dem bestreikten Flughafen in München hätten abfliegen sollen. Das sagte eine Sprecherin des Flughafens. Für die Passagiere gehe es heute noch etwa nach Griechenland und Ägypten.
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Deutsche Bahn erwartet leicht erhöhtes Fahrgastaufkommen
Aufgrund des Streiks am Münchner Flughafen können verhinderte Fluggäste mit der Bahn fahren, wenn sie innerdeutsche Ziele erreichen wollen. Auf BR Anfrage hat die DB insbesondere auf ihre stündlichen ICE-Verbindungen zwischen den großen Städten hingewiesen. Dort biete sie "generell ausreichend Kapazitäten, um die vom Streik betroffen Fluggäste befördern zu können", so eine Sprecherin.
Im Laufe des Freitags kann es allerdings laut Bahn auf einigen Verbindungen zu einer hohen Auslastung kommen. Deshalb empfiehlt die Sprecherin "auf jeden Fall Fall einen Sitzplatz zu reservieren und in der Auslastungsanzeige auf bahn.de und im DB Navigator nach weniger stark nachgefragten Zügen zu schauen." Traditionell gilt der Freitag als stärkster Reisetag der Bahn, das wird in Bayern durch den Beginn der Faschingsferien noch verstärkt.
Die Lage am Münchner Hauptbahnhof war am Mittag überschaubar und ruhig. Der Streik wirkt sich bislang nur vereinzelt auf Reisende aus, die nun mit Ersatzverbindungen per Bahn reisen. Vor dem Informationszentrum in der Bahnhofshalle gab es am späten Vormittag eine etwa 100 Meter lange Schlange, rund 30 Passagiere warteten dort auf Unterstützung bei einer Umbuchung. Die meisten jedoch aus anderen Gründen, wie etwa Zugverspätungen.
- Zum Artikel: Flug wegen Streiks gestrichen - Welche Rechte haben Passagiere?
Warnstreiks auch bei Müllabfuhr und ÖPNV
Auch abseits der Flughäfen haben Warnstreiks am Freitag Teile des öffentlichen Lebens ausgebremst. Vor allem in Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen legten Tausende Beschäftigte des öffentlichen Dienstes die Arbeit nieder, um vor der Verhandlungsrunde ab Mittwoch Druck auf die kommunalen Arbeitgeber aufzubauen.
An einem Demozug durch die Frankfurter Innenstadt beteiligten sich etwa die Gewerkschaft der Polizei, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie Vertreter der Städtischen Bühnen. Arbeitsniederlegungen gab es Verdi zufolge auch in den Stadtverwaltungen, beim Energieversorger Mainova, der Stadtreinigung, in Kitas, Altenheimen und einem Krankenhaus.
In Leipzig folgten Bedienstete bei städtischen Kitas und Horten sowie den Verkehrsbetrieben und der Stadtreinigung dem Aufruf der Gewerkschaft, in Mainz unter anderem bei der Müllabfuhr.
Mit Informationen von dpa und AFP
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