Wasser ist in Bayern kostenlos – egal ob für Industrie, Kommunen oder Landwirtschaft. Das gilt auch für das Trinkwasser, das in den Haushalten fließt. Zwar berechnen die lokalen Versorgungsunternehmen Wassergebühren. In der Regel handelt es sich hierbei aber um Kosten, die für die Bereitstellung berechnet werden – also etwa für Rohre, Pumpen und Wartungsarbeiten. In Würzburg beispielsweise zahlen Haushalte derzeit 2,74 Euro pro 1.000 Liter. Bei einem Vier-Personen-Haushalt entspricht das etwa 500 Euro im Jahr.
13 von 16 Bundesländern haben bereits "Wassercent"
Doch geht es nach dem Willen verschiedener Politiker, könnte Wasser in Bayern bald nicht mehr generell kostenlos sein. Die Bayerische Staatsregierung denkt über die Einführung eines sogenannten Wassercents nach. Die Grünen fordern den Wassercent schon seit langem, auch aus Reihen der SPD wird er gefordert. Gemeint ist damit eine Bepreisung des Wassers. In 13 von 16 Bundesländern gibt es das bereits. Neben Bayern haben lediglich Thüringen und Hessen noch keinen Wasserpreis eingeführt.
Nur wie hoch der Wasserpreis in den jeweiligen Bundesländern ist, unterscheidet sich teils deutlich. Manche verlangen mehr, manche weniger. Es gibt zahlreiche Ausnahmen – je nachdem, zu welchem Zweck Wasser entnommen wird.
- Zum Artikel: "Wasserentnahmen in Bayern: So ahnungslos sind die Behörden"
Preise meist höher als ein Cent
Das führt dazu, dass der Begriff "Wassercent" genau genommen irreführend ist. Denn in den meisten Fällen liegt der Preis einige Cent höher. Genau einen Cent kostet zum Beispiel der Kubikmeter Grundwasser im Saarland – sofern er zur Bewässerung verwendet wird. Für Kühlungen berechnet das Saarland hingegen vier Cent pro Kubikmeter.
In mehreren Bundesländern liegt der Wasserpreis bei etwa zehn Cent pro Kubikmeter. Brandenburg zum Beispiel berechnet 11,5 Cent für Grundwasser, wenn es für landwirtschaftliche Zwecke oder zur Kühlung verwendet wird. Exakt zehn Cent kostet der Kubikmeter Trinkwasser. Wobei 3.000 Kubikmeter Grundwasser pro Jahr kostenlos sind – genauso wie landwirtschaftliche Wasserentnahmen aus Fließgewässern.
Landwirtschaftliche Bewässerung oft kostenlos
Auch in Bayerns Nachbarland Baden-Württemberg gibt es Preise fürs Wasser. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen. Seit einer Gesetzesänderung 2011 ist das Wasser zur landwirtschaftlichen Beregnung in Baden-Württemberg kostenlos. Auf ein Wasserentnahmeentgelt bei der landwirtschaftlichen Beregnung verzichtet auch Mecklenburg-Vorpommern, genauso wie etwa Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.
Berlin mit derzeit höchstem Wasserpreis – eigentlich
Wie kompliziert die tatsächliche Bepreisung sein kann, macht das Beispiel Berlin deutlich. Dort gibt es derzeit ein besonders hohes Wasserentnahme-Entgelt. Allerdings greift der Preis erst ab einer hohen Entnahmemenge.
Prinzipiell kostet der Kubikmeter Grundwasser in der Hauptstadt 31 Cent – und zwar unabhängig davon, zu welchem Zweck das Wasser verwendet wird. Allerdings: 6.000 Kubikmeter pro Jahr sind weiterhin kostenlos. Gibt es viele solcher vermeintlich kleiner Entnahmen, kommt in Summe auch viel Wasser zusammen. In Unterfranken zum Beispiel liegen, abgesehen von den Trinkwasserversorgern, drei Viertel der Grundwasserentnahme-Rechte mit festgelegter Jahresmenge unter 6.000 Kubikmetern. Für die meisten Nutzer in Unterfranken bliebe Wasser mit der Berliner Regelung also immer noch kostenlos.
Unterschiedlich ist auch die Verwendung der Gelder: Niedersachsen finanziert aus den Einnahmen Umweltschutzmaßnahmen oder auch Maßnahmen der Wasserwirtschaft. Hamburg verwendet die dortige Grundwassergebühr nicht zweckgebunden.
Experten befürworten Wassercent
"Die Entscheidung, ob der Wassercent eingeführt wird, ist eine politische Entscheidung", sagt Birgit Imhof, Leiterin des Wasserwirtschaftsamtes Bad Kissingen. Und sie fügt hinzu: "Wenn die Haushaltsmittel, die aus einem Wassercent kommen, auch für wasserrechtliche Themen eingesetzt werden, ist das zu begrüßen."
Ähnlich sehen es auch weitere Experten, mit denen Main-Post und BR im Rahmen einer gemeinsamen Recherche gesprochen haben. Die mögliche Einführung eines Wassercents in Bayern stößt auf überwiegend positive Resonanz – wie zum Beispiel bei Theodor Strobl, emeritierter Professor für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU München. "Wenn Wasser Geld kostet, wird sich jeder überlegen, wo er sparen kann. Genauso wie es beim Treibstoff oder bei der Heizung schon heute der Fall ist", sagt Strobl. Der Wissenschaftler war Teil einer achtköpfigen Expertenkommission. Im Auftrag der Staatsregierung hat diese zahlreiche Vorschläge zur Wasserversorgung in Bayern ausgearbeitet. "Der Wasserbedarf sollte durch eine stärkere Bepreisung gelenkt werden", heißt es im Kommissionsbericht.
Wasser gespart? Erfahrungswerte unterscheiden sich
Wobei die Erfahrungswerte in den jeweiligen Bundesländern unterschiedlich sind. Das Umweltministerium in Rheinland-Pfalz teilt mit, dass seit Einführung des dortigen Wassercents im Jahr 2013 "keine Veränderungen belastbar feststellbar" sind.
Das Umweltministerium in Schleswig-Holstein wiederum weist darauf hin, dass der Wasserbedarf von vielen Faktoren abhänge, zum Beispiel wirtschaftlichen oder technischen Entwicklungen: "Ein belastbarer Rückschluss auf eine direkte Wirkung der Abgaben auf die Höhe des Wasserverbrauches ist daher nicht möglich." Ähnlich argumentiert auch das Umweltministerium in Niedersachsen: "Wie sich der Wasserbedarf im Lauf der Jahre insgesamt entwickelt, hängt auch von der allgemeinen demografischen, wirtschaftlichen und strukturellen Entwicklung ab."
Aus dem zuständigen Ministerium im Saarland heißt es hingegen, dass bei Wasserentnahmen zu Kühlzwecken ein Rückgang zu verzeichnen sei. Deutlich wird auch das Umweltministerium in Hamburg: In den 20 Jahren nach der Einführung des Entgeltes sei der Wasserverbrauch um 30 Prozent gesunken.
Grüne fordern acht Cent für Unternehmen
Bundesweit gibt es also viele Ansätze, die Bayern als Inspiration dienen könnten. Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) spricht sich schon seit längerem für die Einführung des Wassercents aus. "Der Wassercent soll eine sichere Wasserversorgung für die Menschen in ganz Bayern unterstützen", sagt Glauber. Wer soll aber künftig wie viel bezahlen? Auf Anfrage macht ein Sprecher des Ministeriums dazu keine Angaben. Es seien bereits "Vorgespräche" geführt worden, heißt es.
Konkreter werden die Grünen beim möglichen Wasserpreis: Pumpt eine Firma oberflächennahes Grundwasser ab, soll das künftig acht Cent pro Kubikmeter kosten. Greift ein Unternehmen auf Tiefenwasser zu, etwa um Mineralwasser abzufüllen, soll es künftig einen Euro pro Kubikmeter Wasser zahlen – so der Vorschlag. Die Gelder sollen demnach ausschließlich zweckgebunden genutzt werden, etwa für die Sanierung und den Schutz von Oberflächengewässern und Grundwasser.
Wassercent kommt frühestens nach der Wahl
Als gesetzt gilt unterdessen, dass der Wassercent in Bayern nicht mehr vor den Landtagswahlen eingeführt wird. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte an, dass er sich die Einführung ab 2024 vorstellen könnte. "Unser Ziel ist das nächste Jahr, wenn die Folgen des Ukraine-Kriegs es zulassen", sagte Söder kürzlich der Mediengruppe Bayern. Auch das Umweltministerium verweist auf die kommende Legislaturperiode: "Der Grund dafür liegt in der aktuellen Belastung der Bürger und den Herausforderungen der globalen Krisen wie den Folgen des Angriffskriegs auf die Ukraine."
Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer gemeinsamen Recherche des BR zusammen mit der Main-Post. Monatelang hat das Team Daten zu Wasserentnahmen in Unterfranken erfragt. Der Regierungsbezirk war in den vergangenen Jahren besonders von Trockenheit betroffen. Die Redaktion hat rund 2.000 Entnahmerechte ausgewertet und viele Hintergrundgespräche geführt - über Probleme und mögliche Lösungen. Mehr Details zur Analyse und den Daten hier.
Über die Rechercheergebnisse berichtete der BR am Mittwoch, 17. Mai, im Politikmagazin "Kontrovers" um 21.15 Uhr im BR Fernsehen und im “Funkstreifzug" um 12.17 Uhr im BR24 Radio.
Dieser Artikel ist erstmals am 18. Mai 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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