Die beiden Sternenmamas Melena und Tina sitzen auf weichen Matten auf dem Boden der Hebammenstube in Weißenburg. Sofort kommen sie ins Gespräch. Die beiden Frauen teilen ein Schicksal: Ihre Babys sind gestorben. Das Sternencafé der "Koordinierenden Kinderschutzstelle (KoKi)" am Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen gibt ihnen einmal im Monat den Raum, über ihre Erlebnisse und vor allem über ihre Sternenkinder zu sprechen.
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Melenas Sohn Leonhard hat bei der Geburt viel Blut verloren. "Er ist dann aber noch lebend auf die Welt gekommen und fünf Tage später im Krankenhaus gestorben", erzählt Melena. Der Grund für die starke Blutung war eine Thrombose in der Plazenta, weiß sie heute.
Tinas Tochter Mia hatte einen extrem seltenen Herzfehler. Eine der beiden Herzkammern war nicht intakt. In der 29. Schwangerschaftswoche kam Mia bei einer stillen Geburt auf die Welt. "Dann war sie weg und ich lag einfach allein in diesem Raum. Und dann liegt man da um 2 Uhr nachts und ist irgendwie leer", beschreibt Tina ihre Gefühle nach der Geburt.
Sternencafé hilft den Eltern
Über ihre Erlebnisse zu reden, hilft ihnen, erzählen beide Mamas. Allerdings sei es oft so gewesen, dass das Umfeld mit der Situation überfordert war. Mit der Zeit hätten auch viele die Geduld verloren. Denn das Bedürfnis der Mamas immer wieder über ihre Sternenkinder zu reden, ist groß. Da kommt keine neue Erkenntnis und kein neuer Traueraspekt, erzählt Melena. "Da kommt immer das Gleiche, aber das Reden hat mir trotzdem so wahnsinnig gutgetan", sagt sie. Da hilft das Sternencafé den Eltern. "Da wusste ich, ich darf auch in der 100. Wiederholung genau das Gleiche erzählen", so Melena.
"Man sieht, es geht bergauf"
Die Gruppe zeige aber nach Tinas Ansicht auch, dass das Leben nach einer Tot- oder Fehlgeburt weitergehen kann, weil es andere Mamas auch geschafft haben. Denn die erste Zeit nach dem Tod des Kindes gehe es nur um eins: "überleben", sagt Melena. "Diese Gruppe hilft einem, dass es einem besser geht, dass man sieht, es geht bergauf. Ich konnte mit der Zeit auch anderen was geben", so Tina. Die Zuversicht, dass es leichter wird, könne sie nun, drei Jahre nach dem Tod ihrer Tochter, an andere Sternenmamas weitergeben.
"Es wird totgeschwiegen"
Die "Koordinierende Kinderschutzstelle" hat das Sternencafé ins Leben gerufen, weil die Themen Tot- und Fehlgeburt noch immer ein Tabu sind und viele Frauen allein in ihrer Trauer bleiben. "Es wird in der Bevölkerung totgeschwiegen und man muss als Mama oder Papa so weitermachen, als wäre nichts gewesen", erzählt Christine Müller von der KoKi. Allerdings müssten die Familien diese traumatischen Erlebnisse irgendwie verarbeiten. "Wir haben festgestellt, das ist nicht nach einem oder nach zwei Jahren gut, sondern das ist bei den Familien ein Leben lang Thema", so Christine Müller weiter.
Nach Jahren wieder glücklich
Auch bei Melena und Tina vergeht kein Tag, an dem sie nicht an ihre Sternenkinder denken. "Auch nach zwölf Jahren ist da jeden Tag Raum und sind jeden Tag Gedanken und bei uns in der Wohnung stehen immer noch Bilder und die Spieluhr. Und in jedem Vorbeigehen ist so ein Moment, wo du an den Leonhard denkst", erzählt Melena. Aber die Erinnerung verändere sich zum Guten. "Die fünf Tage mit Leonhard gehören zu den Schönsten in meinem Leben", sagt sie.
"An Mias ersten Geburtstag bin ich einen Marathon gelaufen", erzählt Tina. "Ganz allein. Sie und ich. Kurz danach habe ich dann eine sehr, sehr lange Radtour zum Bodensee gemacht und bei dieser Radtour war es das erste Mal, wo ich sagen konnte: Ich bin wieder glücklich", sagt sie. Ihre Sternenkinder haben beide Mamas immer im Herzen.
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