Mehrere Flyer der AfD, die zur Unterstützung aufrufen, liegen auf dem Kopf in einem Aufsteller in einem Bürgerbüro (Symbolbild)
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Mehrere Flyer der AfD, die zur Unterstützung aufrufen, liegen auf dem Kopf in einem Aufsteller in einem Bürgerbüro (Symbolbild)

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#Faktenfuchs: Wie die AfD Corona herunterspielt

#Faktenfuchs: Wie die AfD Corona herunterspielt

Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es ein bekanntes Phänomen, dass Zahlen und Fakten so dargestellt werden, dass sie zu politischen Ansichten passen. Aktuelles Beispiel dafür: Ein AfD-Flyer, in dem die Corona-Pandemie verharmlost wird.

Mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland haben sich laut dem Robert Koch-Institut bisher nachweislich mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert, etwa 82.000 sind an oder mit Covid-19 gestorben. Die Pandemie bestimmt derzeit das Leben in Deutschland, und ihre Bekämpfung bestimmt die Politik. Ein wissenschaftliches Thema - die Ausbreitung des Virus - wird benutzt, um Politik zu machen. Zum Teil werden Argumente so verzerrt, dass sie zu den eigenen Zielen passen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist ein Flyer vom Bundesverband der Alternative für Deutschland (AfD), der in Münchner Briefkästen verteilt wurde und laut dem AfD-Pressesprecher Peter Rohling seit November zum Download auf der Webseite der Bundes-AfD steht.

Die Thesen auf diesem Flyer passen zur Strategie von Coronamaßnahmen-Gegnern, der Regierung und den Medien vorzuwerfen, dass sie mit Corona nur Schreckensmeldungen erzeugen. Mit dem Flyer wird deutlich, dass auch die AfD diese Strategie verfolgt. Sie gibt sich als Partei, die für eine Rückkehr zur Normalität eintritt.

Der #Faktenfuchs hat fünf Behauptungen des AfD-Flyers näher beleuchtet und zeigt auf, welche Desinformationsstrategien dahinter stecken.

1. Saisonaler Effekt ja, aber eher gering

Behauptung: Zwischen Anfang Oktober und Mitte Mai seien Virusinfektionszahlen immer hoch. Das gelte auch für das Corona-Virus.

Betrachtung: Die Ansicht geht von einem saisonalen Geschehen aus: sehr viele Infektionen in den kälteren Monaten, ein Rückgang in den warmen Monaten. Anfang Oktober bis Mitte Mai ist der Zeitraum, den das Robert Koch-Institut für die Grippesaison angibt, Infektionen mit dem Norovirus zum Beispiel haben einen saisonalen Anstieg von Oktober bis März. Wie sieht das für das für das Coronavirus SARS-CoV-2 aus?

Im Sommer 2020 hatte sich das Infektionsgeschehen in Deutschland zwar abgeschwächt. Doch aus der Welt war das Virus damit nicht. Dass sich das Problem "Corona" mit der warmen Jahreszeit von selber löst, davon geht auch der Leiter der Virologie an der Berliner Charité, Christian Drosten, nicht aus. "Es gibt viel mehr wissenschaftlich haltbare Einschätzungen, die sagen, dass maximal 20 Prozent Reduktion durch einen saisonalen Effekt zu erwarten ist", sagte Drosten im NDR-Podcast "Coronavirus-Update" vom 2. März 2021.

In diesem Zusammenhang erwähnte Drosten eine Studie der Forschergruppe von Marc Lipsitch, Epidemiologe an der Harvard University. Lipsitch, der sich mit der Dynamik übertragbarer Krankheiten befasst, sagt: "Die kurze Antwort ist, dass wir zwar einen bescheidenen Rückgang der Ansteckungsfähigkeit von SARS-CoV-2 bei wärmerem, feuchterem Wetter und vielleicht mit der Schließung von Schulen in den gemäßigten Regionen der nördlichen Hemisphäre erwarten können, aber es ist nicht vernünftig zu erwarten, dass diese Rückgänge allein die Übertragung genug verlangsamen, um eine große Wirkung zu erzielen." Die Auswirkungen des Sommers auf das Infektionsgeschehen insgesamt seien also gering.

Ein geringeres Übertragungsrisiko an der frischen Luft, höhere Temperaturen, die Luftfeuchte und der Zustand des Immunsystems: Viele dieser Faktoren verbesserten zwar im Frühjahr und Sommer die Lage, sagte Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie des Uniklinikums Essen, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Es gebe also saisonale Effekte. Doch wie stark das Wetter Einfluss auf das Pandemiegeschehen nehme, dazu fehlten noch konkrete Erkenntnisse. Das Klinikum der Universität München verweist darauf, dass sich Menschen weltweit in den unterschiedlichsten Regionen anstecken. "Die Klimabedingungen sind dabei sehr verschieden, sodass eine Übertragung wahrscheinlich sowohl in trockenen und kalten, als auch in feuchten und warmen Gebieten erfolgen kann." Die Auswirkung der unterschiedlichen Jahreszeiten auf das Virus müsse sich erst noch zeigen.

Fazit: Menschen kennen saisonale Infektionskrankheiten. Das bislang immer noch recht neue Coronavirus SARS-CoV-2 in diese Reihe zu stellen, gibt ihm den Anstrich von “bekannt” und “normal”. Doch Virologen und Epidemiologen verweisen darauf, dass das saisonale Verhalten des Virus SARS-CoV-2 noch nicht zu benennen ist und erwarten bislang nur einen begrenzten Effekt.

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Foto des AfD-Flyers "Corona. Wie groß ist die Gefahr wirklich?"

2. Mit Tests werden keine Infektionen erfunden

Behauptung: Im Herbst 2020 sei pro Woche dreimal mehr getestet worden als im Frühjahr. “Das führt - auch ohne eine Zunahme an tatsächlich Erkrankten - zu einem Anstieg der ‘positiven’ Tests.”

Betrachtung: Tests können immer nur die Infektionen bestätigen, die es gibt. Viele Tests können viele Infizierte entdecken – aber nur, wenn es diese vielen Infizierten auch gibt. Dazu ein Beispiel, das in einem #Faktenfuchs-Artikel dargelegt ist: Die Zahl der Tests stieg Mitte Mai 2020 verhältnismäßig stark, gleichzeitig jedoch sanken die gemeldeten Infektionszahlen. Anfang Oktober blieb die Zahl der Tests konstant, die Zahl der Infektionen hingegen stieg deutlich. Es besteht also kein 1:1-Zusammenhang zwischen Testzahlen und Infektionszahlen. Mit mehr Tests können zwar mehr bestehende Infektionen entdeckt werden, aber durch Tests können nicht mehr Infizierte erzeugt werden. Durch mehr Tests kann ein Infektionsgeschehen nicht künstlich bzw. nach Belieben hochgetrieben werden.

Anstelle von "bestätigten Infektionen" verwendet die AfD den Ausdruck "positive Tests" und setzt dabei das Wort "positiv” in Anführungszeichen. Doch, wie dieser #Faktenfuchs ausführt, bedeutet ein positiver PCR-Test grundsätzlich eine Infektion mit SARS-CoV-2. Es gibt aber eine Fehlerquote und falsch-positive Testergebnisse kommen vor, bei denen jemand als positiv getestet wird, obwohl er nicht infiziert ist. Das ist genauer in dem #Faktenfuchs-Artikel zur Zuverlässigkeit der PCR-Tests beschrieben:

Mehr Tests führen also nicht beliebig zu mehr positiv Getesteten, also Infizierten. Nicht jeder Infizierte wird krank. Der Anteil derer, die erkranken, liegt laut RKI und aktueller Studienlage bei 55 bis 85 Prozent. Das heißt: Wenn es mehr Infizierte gibt, wird davon auch ein großer Anteil erkranken. Auch Infizierte, bei denen die Symptome noch nicht aufgetreten sind, können andere anstecken. Nur von Infizierten, die gar nicht erkranken (asymptomatisch), scheint laut RKI nur eine untergeordnete Ansteckungsgefahr auszugehen. Symptome können auch sehr leicht ausfallen und nur in Kopf- oder Halsschmerzen bestehen.

Die Anzahl der Neuinfektionen ist ein wichtiger Indikator für das Infektionsgeschehen. Aber es gibt weitere Indikatoren, die eine Rolle spielen, die die AfD in ihrem Flyer aber außer acht lässt: Die 7-Tages-Inzidenz und der R-Wert, also wie viele andere Personen eine infizierte Person durchschnittlich ansteckt. Und auch die Belegung in den Krankenhäusern wird von Bund und Kommunen beobachtet und zur Beurteilung der Lage herangezogen.

Fazit: Durch mehr Testungen können mehr Infizierte entdeckt werden. Aber es können immer nur die Personen als infiziert festgestellt werden, die es tatsächlich sind. Nahezulegen, dass durch mehr Tests die Infektionszahlen beliebig in die Höhe getrieben werden können, ist irreführend. Nicht alle Infizierten erkranken, aber eine Mehrheit. Nach aktuellem Wissensstand sind es 55 bis 85 Prozent.

3. Verzerrte Darstellung des PCR-Tests

Behauptung: Bei der "praktischen Anwendung" der PCR-Tests habe sich "eine Fehlerrate" gezeigt. Dadurch entstünden "auch falsche positive Testergebnisse". Der Test würde auch auf Spuren nicht-infektiösen Materials reagieren.

Betrachtung: Um zu gewährleisten, dass die Proben richtig analysiert werden und die Verfahren korrekt angewendet werden, nehmen Labore an sogenannten Ringversuchen teil. Die Instand, eine gemeinnützige Gesellschaft zur Qualitätssicherung in medizinischen Laboren, führt solche Ringversuche bei teilnehmenden Laboren durch und stellte schon im April 2020 "eine sehr hohe Qualität sowohl für die analytische Leistungsfähigkeit der Laboratorien als auch für die eingesetzten Testverfahren (...)" fest.

Dass jemand nicht infiziert ist, aber der Test dennoch positiv ist, kommt vor, allerdings nach Erkenntnis des Robert Koch-Instituts (RKI) bei korrekter Anwendung und Beurteilung selten und nur in einem Rahmen, der "die Einschätzung der Lage nicht verfälscht". Die Berliner Charité weist darauf hin, dass bei nicht plausiblen Befunden in der Regel der Test wiederholt oder mit zusätzlichen Testverfahren abgeglichen wird.

Ob ein Infizierter selbst ansteckend ist oder die entnommene Probe nur inaktive Viruspartikel - also nicht-infektiöses Material - enthält, kann der PCR-Test nicht unmittelbar feststellen, aber über die Viruslast lässt er Rückschlüsse zu. Um ganz sicherzugehen, dass Viruspartikel in der entnommenen Probe infektiös sind und andere Menschen anstecken könnten, müsste das Material im Labor angezüchtet werden. Das dauert wesentlich länger als ein PCR-Test und erfordert hohe Sicherheitsstandards, über die gar nicht jedes Fachlabor verfügt.

PCR-Tests seien "eine Diagnostik, wie wir sie in der Virologie, in der Mikrobiologie seit vielen, vielen Jahren nutzen und die als Goldstandard dient", erläuterte Sandra Ciesek, Virologin am Uniklinikum Frankfurt, im September 2020 im NDR Podcast. Diese Diagnostik habe "einfach den Vorteil, dass sie sehr schnell ist, sehr, sehr sensitiv ist und uns unabhängig macht von dieser Anzucht, die einfach sehr kompliziert ist, manchmal gar nicht möglich ist und viel zu lange dauern würde".

Wie bereits ein FAQ von BR24 zeigt, ist die PCR-Methode der zuverlässigste Test, den es zur Erkennung einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus gibt. Auch in der Anwendung ist es der sicherste Test. Denn die Probe wird von medizinischem Personal entnommen und die Auswertung in einem Fachlabor durchgeführt.

Fazit: Der PCR-Test ist ausreichend sicher zur Beurteilung der Lage und der geeignetste Test, den die Medizin zur Verfügung hat - obwohl in geringer Zahl auch falsch-positive Ergebnisse auftreten können. Forderungen nach einer völligen Fehlerlosigkeit sind bei den verfügbaren Tests nicht erfüllbar. Zudem wird der PCR-Test in dem Flyer der AfD verzerrt dargestellt, nämlich möglichst negativ.

4. Studienlage laut RKI: Die Mehrheit der Infizierten wird auch krank

Behauptung: "Ca. 80 % der mit SARS-CoV-2 infizierten Menschen zeigen keine oder, wenn überhaupt, leichte Krankheitssymptome". Aber "fast alle Menschen" würden unter den Corona-Maßnahmen leiden. Covid-19 sei eher wie eine Grippe und für die Mehrheit nicht gefährlich.

Betrachtung: Zum ersten Teil der Behauptung. Die AfD sagt hier, dass nur ein geringer Teil der mit dem SARS-CoV-2-Virus Infizierten tatsächlich an Covid-19 erkrankt. Nach Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts ist es aber wie oben bereits erwähnt eine Mehrheit von 55 bis 85 Prozent. Dies geht laut RKI aus "verschiedenen Übersichtsarbeiten" hervor. Das heißt, es wurden jeweils verschiedene Arbeiten in Augenschein genommen, zusammengefasst und ausgewertet.

Die Zahlen können örtlich stark voneinander abweichen. In der Studie "Corona-Monitoring lokal" hat das RKI auch nach Symptomen gefragt. "Zwischen 20 Prozent (Berlin-Mitte) und 33 Prozent (Straubing) der untersuchten Personen mit positivem Antikörpernachweis haben dabei angegeben, keine Symptome gehabt zu haben. 73 bis 86 Prozent dieser Personen hatte mindestens eins der genannten Symptome", erklärt das RKI. Symptome sind zum Beispiel Fieber über 38 Grad, Atemnot oder Kurzatmigkeit, Lungenentzündung, Schnupfen, Husten, Schmerzen beim Atmen, Halsschmerzen, Geruchs- bzw. Geschmacksstörung. Die Ergebnisse seien jeweils nur für den Untersuchungsort und den Untersuchungszeitraum aussagekräftig. Das alles untermauert, dass die meisten Infizierten Symptome zeigen.

Auf Nachfrage des #Faktenfuchs, worauf sich die Angabe der ca. 80 Prozent stützt, verweist die AfD auf eine Modell-Studie, die am 2. März 2021 veröffentlicht wurde und sich auf Covid-19-Übertragungen in New York bezieht. Die Wissenschaftler aus der Abteilung für "Ökologie und Evolution" der Universität von Chicago möchten zeigen, "dass der Anteil der symptomatischen Fälle gering ist und zwischen 13 und 18 % liegt (...)."

Christoph Spinner vom Münchner Klinikum Rechts der Isar erklärt im BR-Podcast den Status einer solchen Modell-Studie: "Es sind keine Beobachtungen aus dem echten Leben, sondern es ist ein Hypothesen-Modell, was generiert wurde anhand verfügbarer Daten zur Durchseuchung in der Bevölkerung." Solche Modelle hätten immer nur begrenzte Aussagekraft, weil dafür bestimmte Annahmen getroffen würden. "Das echte Leben ist da sehr viel komplexer als jedes Modell."

Doch selbst wenn "nur" 20 Prozent der Infizierten mittlere und schwere Krankheitssymptome hätten, sind das bei den mittlerweile rund drei Millionen bestätigten Infektionsfällen in Deutschland etwa 600.000 Menschen. Geht man von den 55 Prozent als niedrigstem Wert in der vom RKI angegebenen Spanne aus, sind mindestens 1,65 Millionen von Krankheitssymptomen betroffen.

Zum zweiten Teil der Behauptung: Anhand der Fallzahlen bei dem Schlachtbetrieb Tönnies möchte die AfD zeigen, dass die Zahlen von Erkrankung und Tod "eher einer Grippeerkrankung als einem für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung bedrohlichen Infektionsgeschehen" entsprechen. Der Vergleich von Corona mit der Grippe kursiert seit Anfang der Pandemie. Für den Virologen Christian Drosten ist dieser Vergleich irreführend. "Wir haben über und über den Grippe-Vergleich gehört. Das ist die irreführende Analogie. Also, Pseudoexperten sagen: ‚Wir werden das eh nicht verhindern können. Das ist wie bei der Grippe, ein bisschen Infektion muss man durchlaufen lassen, wie bei einer Grippe-Pandemie.‘ Das ist es eben nicht. Das ist eine irreführende Analogie. Wir haben eine andere Situation", so Drosten im NDR-Podcast vom 13. April 2021. Anders als Grippe-Erreger sei das SARS-CoV-2-Virus ein völlig neuer Erreger. Es gebe deshalb in der Bevölkerung keine Grund-Immunisierung dagegen, wie es bei der Grippe der Fall sei.

Der #Faktenfuchs hat in diesem Artikel dargelegt, dass beides ernste Erkrankungen, Covid-19 aber gefährlicher ist. Darüber hinaus leiden Covid-Erkrankte oft an schwerwiegenden Spätfolgen der Krankheit.

Fazit: Übersichtsstudien haben eine breite Grundlage an Daten, weil sie mehrere Studien betrachten. Laut Robert Koch-Institut zeigen sie, dass 55 bis 85 Prozent der mit SARS-CoV-2 Infizierten tatsächlich erkranken - also die Mehrheit. Eine Studie, die aus dem Rahmen fällt und zudem nur auf einer Modellrechnung beruht, herauszuheben, verzerrt die Erkenntnislage und lässt die Krankheit harmloser erscheinen, als sie ist. Zudem können Infizierte andere Menschen anstecken, bevor die Symptome ausbrechen. Nur von Infizierten, die gar nicht erkranken (asymptomatisch), scheint nach derzeitigem Erkenntnisstand nur eine untergeordnete Ansteckungsgefahr auszugehen.

Allerdings lässt sich zum Zeitpunkt eines positiven PCR-Testergebnisses bei einem symptomlosen Infizierten nicht sagen, ob dieser asymptomatisch oder präsymptomatisch ist, also noch Symptome bekommen wird - und damit bereits infektiös ist. Der Vergleich von Covid-19 und der Grippe führt in die Irre. Und auch eine Grippe ist nicht harmlos, in der außergewöhnlich starken Saison 2017/18 sind nach Schätzungen des RKI 25.000 Menschen in Deutschland daran gestorben. Die Grippe wirkt nur vertraut.

5. Laut mehreren Pathologien starben die meisten "an" Corona

Behauptung: Die AfD bedauert, dass nicht mehr Corona-Tote obduziert werden: "Hätte dies doch in den allermeisten Fällen verdeutlichen können, dass andere lebensbedrohliche Vorerkrankungen zumindest mitverantwortlich waren." Die Rate der Corona-Verstorbenen liege "durchschnittlich bei lediglich 0,016 % der Gesamtbevölkerung". Die bisherige Gesamtsterblichkeitsrate 2020 liege niedriger als im Vorjahr.

Betrachtung: Zum erstgenannten Punkt: Die AfD mutmaßt hier, dass bei den meisten Corona-Todesfällen Vorerkrankungen mitverantwortlich oder allein verantwortlich seien. Die Vorerkrankungen, die als "lebensbedrohlich" bezeichnet werden, sollen demnach mehr oder weniger auch verantwortlich für den Tod sein. Die Bedeutung von Covid-19 als Todesursache wird kleingeredet.

Seit Beginn der Corona-Pandemie stoßen Coronamaßnahmen-Gegner immer wieder die Debatte an, ob Menschen "mit" oder "an" Covid-19 sterben. Wie der #Faktenfuchs "Wer wird als Corona-Toter gezählt und wer nicht?" darlegt, treffen die lokalen Gesundheitsämter auf Basis ärztlicher Todesbescheinigungen die Entscheidung, ob jemand "an" oder "mit" Corona gestorben ist. Die amtliche Statistik des Statistischen Bundesamtes erfasst nur die "an" Covid-19 Gestorbenen als Corona-Tote. Das ist nach der Erkenntnis verschiedener Pathologien in Deutschland auch die Mehrheit der Corona-Toten.

Wie BR24 berichtete, führten Augsburger Pathologen 130 Obduktionen an Covid-Patienten durch und kamen zu dem Ergebnis, dass die Patienten auf den Intensivstationen "an" und nicht "mit" Covid-19 sterben. Am Regensburger Uniklinikum wurden acht Coronatote aus der ersten Infektionswelle obduziert. Sieben davon sind nach Auskunft der Pathologin "sicher an Corona verstorben". Eine Patientin sei "mit" Corona verstorben. Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf untersuchte 735 in Zusammenhang mit dem Coronavirus stehende Todesfälle aus dem Jahr 2020. Demnach waren war bei 618 der Verstorbenen Covid-19 die Todesursache. Wie die Nachrichtenagentur epd berichtete, seien nur in sieben Prozent der Fälle die Verstorbenen zwar infiziert, der Erreger aber nicht todesursächlich gewesen. Die Studie erschien im Februar 2021.

Zu der Sterblichkeitsrate: Laut AfD liegt die Rate der "mit Corona Verstorbenen (...) durchschnittlich bei lediglich 0,016 % der Gesamtbevölkerung". Auf Nachfrage des #Faktenfuchs, erläutert der AfD-Pressesprecher, dass die Berechnung auf einem RKI-Lagebericht aus dem November beruht und den zu diesem Zeitpunkt 13.370 Menschen, die im Zusammenhang mit Covid-19 verstorben sind. Bei rund 83 Millionen Bundesbürgern mache das einen Anteil von 0,016 Prozent.

Das RKI gibt auch selber den Anteil von Verstorbenen an, aber bezieht diesen nicht auf die gesamte Bevölkerung in Deutschland, sondern auf die Covid-19-Fälle. Relativ hoch waren die Werte vergangenes Jahr im April, damals starben sechs bis sieben Prozent der nachweislich Infizierten. Derzeit liegen die Werte unter einem Prozent. In der Woche ab dem 19. April waren es laut RKI 0,11 Prozent.

Bezieht man den Anteil der Covid-19-Toten nicht nur auf die Covid-19-Fälle insgesamt, sondern auf die gesamte Bevölkerung, ergibt das eine kleinere Zahl. Am konkreten Beispiel: In der AfD-Berechnung ergibt sich bezogen auf den 19. November 2019 ein Wert von 0,016 %. Für die betreffende Woche im November hatte das RKI einen Faktor von 2,45 Prozent ermittelt. Abgesehen von methodischen Details spricht laut Statistischem Bundesamt erst einmal nichts dagegen, Corona-Sterbezahlen auf die Gesamtbevölkerung zu beziehen. Es könne dadurch aber zu Schwierigkeiten bei der Interpretation der Ergebnisse im Vergleich zu anderen Krankheiten oder Todesursachen kommen.

Nun zur Behauptung, dass die bisherige Gesamtsterblichkeitsrate im Jahr 2020 niedriger sei als im Vorjahr 2019. Hier geht es um das Verhältnis von Sterbefällen zur Bevölkerungszahl. Genaue Angaben für 2020, inklusive von Effekten der Altersstruktur, lassen sich laut Statistischem Bundesamt erst Mitte das Jahres machen, wenn die Bevölkerungszahlen von Ende 2020 vorliegen. "Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass im Jahr 2020 die ‘Gesamtsterblichkeitsrate’ im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist", sagt Felix zur Nieden, Experte für Demografie und Sterbefallzahlen im Statistischen Bundesamt. Im Jahr 2019 habe es insgesamt 939.520 Sterbefälle gegeben. "Das Ergebnis für 2020 ist nach vorläufigen Zahlen um mehr als 45.000 Sterbefälle höher", so zur Nieden weiter.

Fazit: Laut mehreren Pathologien und bisherigen Erkenntnissen sterben die meisten “an” und nicht “mit” Corona. Indem die AfD die Sterblichkeit auf die Gesamtbevölkerung und nicht auf die Anzahl der nachweislich mit Corona Infizierten bezieht, wird die Zahl kleiner und Covid-19 erscheint ungefährlich. Dabei wird nicht in Betracht gezogen, dass die Infizierten, Erkrankungs- und Todeszahlen auf Basis der getroffenen Vorsichtsmaßnahmen entstanden sind und ohne diese Maßnahmen höher wären. Die Gesamtsterblichkeitsrate in Deutschland liegt entgegen der AfD-Behauptung voraussichtlich für 2020 höher als für 2019. die legen bisherige Daten des Statistischen Bundesamtes nahe, endgültig berechnen lässt sich das erst Mitte dieses Jahres.

Insgesamt greift der AfD-Flyer eine Vielzahl von Streit- und Diskussionspunkten zur Bekämpfung der Coronapandemie auf und gibt sich dabei sehr sachlich. Die Behauptungen zum Virus SARS-CoV-2, den PCR-Tests oder der Sterblichkeitsstatistik sind allerdings häufig verzerrend. Dadurch wird die Pandemie heruntergespielt. Außer Acht gelassen wird, dass alle bisherigen Daten auf der Grundlage der Anti-Coronamaßnahmen entstanden sind und ohne diese Maßnahmen die Menschen stärker betroffen wären.

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