Menschen mit mittlerem Einkommen bleibt in Deutschland effektiv nur die Hälfte ihres Bruttoeinkommens übrig – abzüglich aller Steuern und Sozialabgaben. Das zeigt eine Untersuchung des ifo-Instituts.
Gysi kritisiert Steuerbelastung der Mittelschicht
Für den Abgeordneten der Gruppe "Die Linke" im Deutschen Bundestag, Gregor Gysi, ist das ein Problem. Allein die steuerliche Belastung einer mittelständischen Familie liege bei "fast 40 Prozent", so Gysi. Im Gegenzug würden die Steuerabgaben einer Milliardärsfamilie nur bei "etwas über 20 Prozent liegen. Die Mitte wird permanent zur Finanzierung herangezogen", kritisierte Gysi.
"Das funktioniert nicht, wenn wir die Mitte kaputt machen. Dann kann denen unten nicht mehr geholfen werden und die oben können übrigens auch nicht mehr existieren." Der langjährige Vorsitzende der Linkspartei sieht darin eine Gefahr für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft.
ARD-Börsenexpertin Kohl kritisiert Ausrichtung der Linkspartei
Anja Kohl, ARD-Wirtschaftsjournalistin, bestätigte die hohe Steuerbelastung der deutschen Mittelschicht. Gleichzeitig warf Kohl der Linkspartei vor, nicht mehr "lebensnahe Themen" wie die gestiegenen Lebenshaltungskosten zu vertreten. "Ich sehe keine Linke, die dieses Thema wirklich bearbeitet. Die Linke ist schwach, sie ist angezählt", so Kohl.
Im jüngsten ARD-Deutschlandtrend liegt die Linke nur noch bei drei Prozent. Im Deutschen Bundestag hat die Linkspartei nach der Abspaltung einiger Abgeordneter zum "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) den Fraktionsstatus verloren und verfügt nur noch über den Status einer parlamentarischen Gruppe.
Gysi will Umsatzsteuer von 0 Prozent für Lebensmittel
Um die Mittelschicht zu entlasten, forderte Gysi eine Umsatzsteuer von 0 Prozent auf Lebensmittel – "damit die Preise wieder runtergehen". Außerdem müsse die Mehrwertsteuer beim Strom von 19 auf sieben Prozent gesenkt werden. Ab einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro solle der Spitzensteuersatz erhöht werden, so Gysi.
Der frühere Fraktionsvorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion forderte darüber hinaus eine gesetzliche Inflationsanpassung von Löhnen, Gehältern und Sozialleistungen, so wie es in Belgien der Fall ist. "Dafür muss [in Belgien] nicht gestreikt werden. Wenn die streiken, wollen sie wirklich reale Lohnsteigerungen", sagte Gysi.
Gysi fordert Diskussion über Steuerflucht
Um Steuerflucht zu vermeiden, schlug er vor, sich an einem US-Gesetz zu orientieren, wonach US-Bürger im Ausland zusätzlich zur Steuererklärung im Land, in dem sie leben, auch einem US-Finanzamt erklären müssen, wie hoch ihr Einkommen im vergangenen Jahr war.
"Wenn Sie in den USA mehr zu bezahlen haben, kriegen Sie hinsichtlich der Differenz einen Steuerbescheid. Die haben keine Steuerflucht mehr. Warum können wir solche Regelungen nicht einführen?" Darüber werde in Deutschland aber nicht mal diskutiert, kritisierte Gysi.
Kinseher zu Syrien: "Da treibt es mir die Tränen in die Augen"
Ein anderes Thema am BR Sonntags-Stammtisch war die Debatte um die mögliche Rückkehr syrischer Flüchtlinge aus Deutschland nach dem Sturz des syrischen Diktators Assad vergangene Woche.
Kabarettistin und Schauspielerin Luise Kinseher, die nach Beginn des Ukraine-Kriegs zwei Flüchtlinge bei sich zu Hause aufgenommen hat, sagte mit Blick auf Syrien: Man könne angesichts der Bilder, die man nun aus Syrien sieht, nachvollziehen, warum sich in den Jahren zuvor Menschen in Boote gezwängt hatten, um in Sicherheit zu kommen. "Da treibt es mir die Tränen in die Augen", erzählte die Kabarettistin.
Anlässlich des heutigen Dritten Advents und des anstehenden Weihnachtsfests sagte Kinseher weiter: "Wir haben es hier mit Menschen zu tun, die um ihr Leben fürchten, die Tortouren fürchten müssen, wenn sie in ihrem Heimatland bleiben."
In Deutschland lebten Ende 2023 rund 972.000 Syrer in Deutschland, darunter 712.000 Schutzsuchende. Wirtschaftsjournalistin Anja Kohl forderte, trotzdem eine "legitime Frage" zu stellen: "Wenn Syrien die Chance auf eine neue Regierung und stabilere Verhältnisse hätte: Was passiert hier mit diesen Menschen?" Das sei eine Frage, die man offen stellen müsse. Manche Syrer würden von selbst zurück nach Syrien wollen, andere seien mittlerweile deutsche Staatsbürger, sagte Kohl.
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