Bayerns Innenministers Joachim Herrmann (CSU) warnt vor hastigen Entscheidungen über die Zukunft von syrischen Flüchtlingen. "Wir müssen jetzt in den nächsten Tagen und Wochen sorgfältig beobachten, wie sich die Lage in Syrien entwickelt", sagte der CSU-Politiker im BR-Interview.
Herrmann: Zu früh für Abschiebungen
Es sei gut für die Zukunft des Landes, dass das Regime von Diktator Bashar al-Assad beseitigt wurde, betonte Herrmann. Aber jetzt müsse man sehen, "wessen Geistes Kind" die neuen Machthaber seien – eine Organisation, die "bisher eher als terrorverdächtig eingestuft" worden sei.
Der Innenminister erläuterte, wegen der unklaren Lage könnten keine vernünftigen Entscheidungen getroffen werden. Daher sei es richtig, "dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nun erst mal neue Anträge von syrischen Flüchtlingen liegen lässt und abwartet". Auch für Rückführungen sei es zu früh: "An Abschiebungen können wir im Moment sicherlich nicht denken."
"Viele haben bereits Aufenthaltsrecht"
Es gebe Tausende syrische Flüchtlinge, "die inzwischen in Deutschland gut integriert sind", die wichtige berufliche Funktionen übernommen hätten. Für diese gelte, dass "wir uns freuen, wenn sie bei uns bleiben". Herrmann betonte: "Die behalten wir gerne hier." Viele hätten ohnehin bereits ein verfestigtes Aufenthaltsrecht oder sogar die deutsche Staatsangehörigkeit.
Auf der anderen Seite gebe es einige, die nach wie vor nicht integriert seien, die noch von Sozialhilfe lebten. "Die wollen vielleicht auch in ihre Heimat zurückkehren." Daher sollten jetzt schon Konzeptionen entworfen worden, "wie wir diesen Menschen, wenn es die Situation in Syrien erlaubt, dann tatsächlich auch wieder helfen, in ihre Heimat zurückzukehren".
Söder: Kein Grund mehr, im Land zu bleiben
CSU-Chef Markus Söder hatte am Montag gefordert: Es müsse überlegt werden, "wie eine stärkere Rückführung in die syrische Heimat vieler Menschen" möglich sei. "Der Grund, Syrien zu verlassen, war der Krieg. Der Grund, Syrien zu verlassen, war vor allem Assad." Dieser Grund sei weggefallen.
Auch im Podcast "Table.Briefings" bekräftigte Söder, dass jetzt intensiv daran gearbeitet werden müsse, Rückführungen zu organisieren. "Deutschland hat vielen Menschen in der Not Aufnahme geboten. Wenn sich diese Situation jetzt ändert und damit de facto der Asylgrund wegfällt, gibt es ja auch keinen Rechtsgrund mehr, im Land zu bleiben", argumentierte der bayerische Ministerpräsident.
AfD: Gelegenheit beim Schopf packen
Der AfD-Innenexperte im Landtag, Richard Graupner, forderte, "die Gelegenheit beim Schopf zu packen". Es gebe eine neue Situation in Syrien. Dabei komme es nicht darauf an, wie sich die Lage in den nächsten Wochen entwickle. "Wir müssen jetzt einen Plan ausarbeiten: einen Plan zur Rückführung und zur Abschiebung der Syrer."
Über die Aussagen von Innenminister Herrmann, der sonst immer auf Ordnung poche, sei er enttäuscht, sagte Graupner dem BR. Jetzt müsse das Recht durchgesetzt werden – auch mit Abschiebungen. "Die sind alle illegal ins Land gekommen", so der AfD-Politiker.
Grüne appellieren an Söder
Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze steht nach eigenen Worten "eindeutig auf der Seite" von Innenminister Herrmann. Das "neue Kapitel Syriens" werde gerade erst geschrieben, die Lage dort sei "sehr unübersichtlich".
Zugleich zeigten die unterschiedlichen Aussagen von Söder und Herrmann, dass die CSU ein "Spiel mit zwei Gesichtern" spiele. "Ich kann nur ganz klar an die Adresse von Markus Söder sagen: Wer das Schicksal syrischer Geflüchteter für parteitaktische Spielchen missbraucht, der verkennt die angespannte Lage im Nahen Osten komplett."
Karmasin fordert Besonnenheit
Der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Thomas Karmasin (CSU), forderte "Besonnenheit": Es sei jetzt weder die Zeit für die Forderung nach sofortiger Ausweisung noch nach einem dauerhaften Verbleiben der Syrer in Deutschland, sagte er bei BR24live. Es gebe keinen Zeitdruck.
Jeder dritte Syrer habe eine sozialversicherungspflichtige Arbeit. "Da hoffe ich, wenn sie hier bleiben wollen, dass sie das auch dürfen", betonte Karmasin. "Denn diese Menschen würden auf dem Arbeitsmarkt ja fehlen."
Das BR24live zur Debatte über die Rückkehr von Syrern in ihre Heimat:
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