Die Zahl spricht für sich: 40 Prozent weniger Aufträge im Wohnungsbau in den ersten vier Monaten in Deutschland im Vorjahresvergleich. Für Bayern dürfte es besonders bitter sein, dass weniger gebaut wird. Denn hier ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt besonders angespannt, so Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Das liegt auch daran, dass Bayern ein Zuwanderungsmagnet ist. Allein im Jahr 2022 zogen über 220.000 Menschen nach Bayern. Wenn der Wohnungsbau bei dieser Entwicklung nicht mithalten kann, leide die Wirtschaft insgesamt, so Brossardt. Fachkräfte blieben fern. "Menschen, auf deren Mitarbeit wir in den Unternehmen, in der Forschung, in der Pflege und in zahlreichen weiteren Bereichen angewiesen sind, kommen und bleiben nur, wenn sie hier bezahlbaren Wohnraum vorfinden."
Aktuelle Baukrise entwickelt sich rasanter als frühere
Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages, mahnt: Teile des Baugewerbes gingen in eine ernste Krise. Die entwickle sich aktuell noch rasanter als die letzte Baukrise um die Jahrtausendwende. Damals hatte sich in der Branche laut Peteranderl die Zahl der Beschäftigten halbiert. Die Betriebe könnten ihre Mitarbeiter zwar jetzt noch beschäftigen, die Auslastung schrumpfe aber spürbar.
Forderungen vor allem an den Bund
Der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW) fordert, dass die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau erleichtert werden müssen. Hier sei die Deregulierung, die vereinfachtes Bauen ermöglichen würde, ein wichtiger Faktor. Ähnlich sieht es der Bundesverband Freier Immobilien und Wohnungsunternehmen (BFW). Steuerliche Förderungen und Anreize wie dem Aussetzen der Grunderwerbssteuer beim Erwerb des ersten selbst genutzten Wohneigentums wären wichtig. Peteranderl kann sich zudem einen reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Bauleistungen mit Rückerstattung durch das Finanzamt vorstellen. Die Forderungen der Verbände betreffen vor allem Gesetzesänderungen, für die der Bund zuständig ist. Für die bayerische Staatsregierung gibt es von den zum Runden Tisch im Bauministerium eingeladenen Verbänden vor allem Lob.
Bernreiter will Krise mit Wohnbau-Booster gegensteuern
Bauminister Christian Bernreiter (CSU) verweist auf den Wohnbau-Booster, den das bayerische Kabinett zu Jahresbeginn beschloss. Rund eine Milliarde Euro stehen hier zur Verfügung. Außerdem plane die Staatsregierung noch ein Konjunkturprogramm für den Herbst. Auch mit staatlichen Förderprogrammen habe man aber schon auf die Baukrise reagiert, so habe man die Familien-Einkommensgrenze für das "Bayerndarlehen" um 25 Prozent angehoben.
Freistaat als Bauherr investiert kräftig
Der Freistaat selbst investiert laut Bernreiter als Bauherr große Summen in den Wohnungsbau, nämlich 1,8 Milliarden Euro für öffentliche Bauten wie Kliniken oder Gefängnisse. Auch die drei staatlichen Wohnungsbauunternehmen Stadibau, BayernHeim und das Siedlungswerk Nürnberg würden einen wichtigen Beitrag leisten. In den Straßenbau würden zudem aktuell Rekordsummen investiert: 2022 mehr als 400 Millionen Euro in den Erhalt und Ausbau der Staatsstraßen und Radwege an Staatstraßen. Für 2023 stünden sogar 450 Millionen Euro zur Verfügung.
Bernreiter: Bund soll KfW-Förderung erhöhen
Kritik äußerte Bernreiter am Bund, der mit undurchdachten Schnellschüssen wie dem Heizungsgesetz die Menschen verunsichere. Stattdessen solle die Ampelregierung die Bürger mit steuerrechtlichen Erleichterungen und einer verlässlichen Förderung entlasten. Dabei denkt er vor allem an eine höhere KfW-Förderung. Die liege aktuell bei nur knapp zwei Milliarden Euro. Nötig wären laut Bernreiter mindestens zehn Milliarden Euro.
Opposition: Staatsregierung muss eigene Hausaufgaben machen
Der wohnungspolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Jürgen Mistol, kontert, Bernreiter lege mit dem Bashing gegen die Bundesregierung immer die gleiche Schallplatte auf, um vom eigenen Versagen in der Bau- und Wohnungspolitik abzulenken. Die Staatsregierung habe die eigenen Wohnbauziele in den vergangen fünf Jahren deutlich verfehlt, als die Baukonjunktur noch auf Hochtouren lief.
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