Zurückgeschnittene Silvaner-Reben in Randersacker
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Die Reben sind bereits zurückgeschnitten, bald will Christiane Störrlein-Krenig ihren Silvaner-Weinberg roden.

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Wild im Weinberg: Warum sich Winzer allein gelassen fühlen

Der Weinort Randersacker ist bekannt für seine Steillagen unweit des Mains. Doch seit ein paar Jahren stören Wildschweine das Idyll. Erste Winzer geben Weinlagen auf. Und auch für die Jäger ist die Situation schwierig.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Erst vor wenigen Wochen haben Christiane Störrlein-Krenig und ihr Team in dem Weinberg Trauben geerntet. 27 Jahre sind die Silvaner-Stöcke am Lämmerberg im unterfränkischen Randersacker alt. Eine gute Lage – doch inzwischen hat das Weingut die Reben zurückgeschnitten, die Drähte entfernt. Christiane Störrlein-Krenig und ihr Mann wollen den Weinberg aufgeben. Ein wesentlicher Grund: Zuletzt haben immer wieder Wildschweine in dem Weinberg gewütet.

Immer mehr Wildschweine in Weinbergen

Noch vor 20 Jahren gab es in der Gegend rund um Randersacker kaum Schwarzwild. Doch die Populationen im Landkreis Würzburg wachsen. Jäger führen das unter anderem auf den Maisanbau zurück, aber auch auf wärmer gewordene Winter. "Im Herbst war der Schaden wieder immens. Wir haben beschlossen, dass wir so nicht mehr weitermachen wollen", sagt Winzerin Störrlein-Krenig. Sie und Kollegen beklagen, dass Wildschweine einzelne Weinlagen zunehmend beschädigen.

Schaden durch Wild: "Einfach lebensgefährlich"

Dabei ergreifen die Weinbauern bereits Maßnahmen gegen die Wildschweine. Thomas Schenk, ebenfalls Winzer in Randersacker, hat zum Beispiel Haarmehlpellets eingesetzt. Das Düngemittel soll Wildtiere fernhalten. Auch elektrische Zäune hat er aufgestellt. Doch ohne Erfolg. "Weil der Wilddruck derart hoch ist", sagt Schenk.

Die Wildschweine würden Trauben fressen, Rebzeilen beschädigen und besonders gravierend: den Boden umgraben. Bedeutet für den Winzer: Fährt er mit den schmalen Reifen seines Weinbergschleppers in die Zeilen, könnte dieser schlimmstenfalls kippen. "Wir haben überwiegend steile Weinberge, da ist das einfach lebensgefährlich", sagt Schenk. An einem Hang mit Müller-Thurgau-Trauben hat er nun jede dritte Zeile entfernt, um den Löchern ausweichen zu können.

Elektrozaun neben Weinberg in Randersacker bei Würzburg
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Um Wildschweine von ihren Weinbergen fernzuhalten haben Winzer in Randersacker einen Elektrozaun errichtet.

Jagd in Ortsnähe schwierig

Die Wildschweine beschäftigen in Randersacker und den angrenzenden Orten derzeit viele: Winzer, Landwirte, Jäger, Gemeindemitarbeiter – auch Anwohner. "Die Ortsnähe wird immer mehr gesucht. Es gibt inzwischen auch Schäden in Vorgärten", sagt Michael Sedelmayer, Bürgermeister in Randersacker (parteilos).

Sedelmayer ist selbst Jäger. Er weiß, wie schwierig es ist, rund um den Ort Wild zu schießen. Direkt neben den steilen Hängen stehen Wohnsiedlungen. Ein sicherer Schuss ist nur in die entgegengesetzte Hangrichtung möglich. Gleichzeitig sind Wanderer, Spaziergänger und Hobbysportler in den Weinbergen unterwegs. Hinzu kommen verwilderte Flächen, um die sich niemand kümmern würde. Für die Wildschweine sei das ein hervorragender Rückzugsort. Ohnehin handele es sich um intelligente Tiere, sagt Sedelmayer: "Wir müssen den Lebensraum für die Schweine unattraktiver machen."

Ähnliches ist auch aus der Würzburger Kreisgruppe des Bayerischen Jagdverbandes zu hören. Wobei ein Sprecher um Verständnis bittet, sich derzeit nicht ausführlicher äußern zu wollen. Derzeit würden Gespräche zwischen den betroffenen Gemeinden, Jägern, Grundstückseigentümern und Winzern laufen. Diese wolle er zunächst abwarten.

Winzer bekommen Wildschaden meist nicht ersetzt

Ohnehin sieht Winzer Thomas Schenk nicht die örtlichen Jäger in der Verantwortung: "Denen kann man überhaupt keinen Vorwurf machen." Die Abschusszahlen bei Schwarzwild sind in Randersacker deutlich angestiegen: 2018 waren es 22 Tiere, im vergangenen Jahr dann 81. Stattdessen ärgert sich Schenk über die bayerische Landespolitik. Denn Zäune und andere Vergrämungsmaßnahmen hat er aus eigener Tasche bezahlt. Gleichzeitig bekommen Winzer Wildschäden meist nicht ersetzt. Zwar müssen Jagdgenossenschaft oder Jagdpächter laut Bundesgesetz auch bei Winzern für Schäden aufkommen. Allerdings nur dann, wenn Vorkehrungen wie zum Beispiel Zäune errichtet wurden.

"Die Frage, ob Schutzvorrichtungen als üblich und damit als 'ausreichend' anzusehen sind, kann nur im konkreten Fall vor Ort beurteilt werden", heißt es dazu aus dem bayerischen Landwirtschaftsministerium. Winzer Thomas Schenk bemängelt, dass diese Regelung wenig praktikabel sei. Ihm fehle die Sicherheit. Aus dem Ministerium wiederum heißt es, dass hierzu im Freistaat keine Sonderregelung geplant ist. Auch Ausgleichszahlungen für Vergrämungsmaßnahmen soll es nicht geben. Denn das würde die Lasten für Wildschäden der Allgemeinheit übertragen. Allerdings habe das Ministerium die Regierung von Unterfranken bereits 2020 beauftragt, den Betroffenen vor Ort zu helfen.

Austausch im Landratsamt geplant

"Man fühlt sich schon ein bisschen allein gelassen", sagt Winzerin Christiane Störrlein-Krenig. Sie wünscht sich nun zum Beispiel einen runden Tisch mit allen Beteiligten – gerne auch der Politik. Das könnte auch dazu beitragen die Akzeptanz für die elektrischen Zäune unter Anwohnern und Spaziergängern zu steigern, hofft sie.

Tatsächlich soll im Dezember im Landratsamt ein Fachgespräch stattfinden – darüber, was in Randersacker und den angrenzenden Orten gegen die Wildschweine unternommen werden kann. Bürgermeister Michael Sedelmayer könnte sich zum Beispiel zusätzliche Schneisen in der Flur vorstellen – an Stellen wo derzeit Hecken wachsen. Das würde die Jagd vereinfachen.

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