Stefan Bachmaier, Geschäftsführer der Firma Ostwind, ist auf dem Weg zu einer echten Rarität. In einem Waldstück im Landkreis Straubing-Bogen steht das Fundament für ein Windrad, das noch in diesem Jahr aufgestellt wird. Seine Firma hat es geplant. "Das muss man in Bayern suchen. Stichwort 10H. Es gibt nahezu keine Flächen, die 10H-fähig sind." In Bayern gilt die zehnfache Höhe des Windrads als Mindestabstand zur nächsten Wohnbebauung. Das entspricht in etwa zweieinhalb Kilometern. Geht es nach den Plänen der Ampel-Koalition, soll sich das bald ändern: Bis 2032 sollen bundesweit zwei Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen ausgewiesen sein.
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Doch auch, wenn es bald viele ausgewiesene Flächen geben sollte, glaubt Bachmaier nicht daran, dass der tatsächliche Bau der Windräder in Bayern schnell machbar ist. Die Planungsphase dauere ein Jahr, danach würden Flora und Fauna untersucht und erst im dritten Planungsjahr könne überhaupt ein Antrag eingereicht werden. "Dann haben wir das eigentliche Verfahren, das aktuell mindestens ein, eher zwei Jahre dauert. Wir müssen also fünf Jahre ansetzen, bis sich die ersten Anlagen wirklich drehen", befürchtet Bachmaier.
Artenschutzrechtliche Gutachten brauchen oft Jahre
Fünf Jahre bis zum Baustart. Ein Zeitplan, der viele ernüchtern dürfte. Allein die artenschutzrechtlichen Gutachten können sich über Jahre hinziehen. Die Untersuchung vor Ort dauert in etwa ein Jahr, erklärt Diplombiologe Reinhard Utzel. Er erstellt regelmäßig Artenschutzgutachten für den Bau von Windrädern. Dabei geht es um den Schutz von über 50 Vogelarten, beispielsweise des Rotmilans. "Es gibt dann viele Untersuchungen, die auch ein zweites oder drittes Jahr weitergehen, weil es noch offene Fragen gibt oder weil Bürger etwas melden. Da ist ein Nest oder da ist jenes und dann muss da nochmal nachgeschaut werden."
Das Verfahren ist so aufwendig, dass Reinhard Utzel nur einen Teil der Arbeit alleine machen kann. Mitunter braucht es sechs, sieben oder acht Biologen, die gleichzeitig ein großes Gebiet beobachten. Käme morgen der große Windkraftboom in Bayern, er hätte keine Ahnung, wer die ganzen Gutachten schreiben soll, sagt Utzel. "Letztes Jahr musste ich zwei Windparks in Baden-Württemberg absagen, weil ich nicht genügend Biologen gefunden habe. Und das ist nicht nur bei mir so. Wir kommen zurzeit kaum hinterher."
Fachkräftemangel könnte Windkraftausbau verzögern
800 neue Windräder soll es bald in Bayern geben, so hat es die bayerische Staatsregierung angekündigt, auch wenn noch offen ist, wann und wo genau. Sicher ist aber: Um sie aufzustellen, bräuchte es viele Fachkräfte, die es derzeit nicht gibt.
Die Branche hat nach dem Jahr 2017, als der Windkraftausbau in Deutschland ins Stocken geraten ist, nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbunds rund 40.000 Mitarbeiter verloren. Ostwind-Geschäftsführer Stefan Bachmaier fordert deshalb gerade in Bayern ein klares Signal pro Windkraft, um neues Personal gewinnen zu können: "Die Signale von der Politik müssen kommen. Die Signale: 'Wir glauben daran, das wird etwas Großes!'" Von der bayerischen Staatsregierung erwartet er, dass sie jetzt möglichst schnell die Flächen für die Windenergie ausweist. Darin liegt für ihn das größte Beschleunigungspotential, um der Branche wieder Aufwind zu geben.
Artenschutzgutachten könnten vereinfacht werden
Auch Vogelschutzgutachter Utzel sieht Beschleunigungspotential und zwar durch die Vereinfachung der Vorschriften im Bereich Artenschutz. Bislang gibt es beispielsweise keine bundesweit einheitlichen Vorschriften zu Abstandsflächen für Vogelnester. "Beim Rotmilan sind es in Bayern 1.500 Meter. In Baden-Württemberg ist man mittlerweile bei 500 Meter. Das ist ein Riesenunterschied." Diese bundesweit einheitlichen Standards soll das geplante Bundesgesetz nun schaffen. Doch Naturschutzverbände haben bereits Alarm geschlagen, sie fürchten, der Artenschutz könne ins Hintertreffen geraten. Es drohe eine Klagewelle, fürchten Experten. Diplombiologe Utzel fordert hier: Maß halten. "Prinzipiell finde ich es wichtig, dass der Artenschutz berücksichtigt wird. Nicht, dass jetzt etwas Falsches herauskommt. Aber man muss schon schauen, wo und wie wird das gemacht. Ich habe ehrlich gesagt manchmal das Gefühl, dass der Artenschutz zum Teil auch vorgeschoben wird für andere Interessen, warum man Windräder nicht dahaben will."
Fazit: Allein durch die Ausweisung der Flächen ist am Ende keine einzige Anlage wirklich gebaut. Wenn es bald deutlich mehr Windkraftanlagen geben soll, muss die Politik klare Signale an mögliche Investoren senden, damit der tatsächliche Bau der Anlagen nicht an langen Verfahren und dem aktuell herrschenden Fachkräftemangel scheitert. Und das nicht nur auf Bundesebene. Auch die Länder, Landkreise und Gemeinden sind gefragt, wenn es um die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und um die Akzeptanz von Windrädern in der Bevölkerung geht.
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