Vögel, aber auch Fledermäuse könnten durch Windräder getötet werden, fürchtet Andreas von Lindeiner vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern e. V. Am einfachsten wäre das zu vermeiden, wenn Windräder dort gebaut würden, wo es keine Konflikte mit dem Artenschutz gibt, findet er: "Das sind vor allem landwirtschaftlich intensiv genutzte Bereiche, wo wenige Arten leben, oder auch einförmige Nadelwälder, die für Vogel- und Fledermausarten als Lebensraum nur sehr wenig geeignet sind."
Windräder auf landwirtschaftlich genutzten Flächen?
Windräder in der Agrarlandschaft zu errichten – dagegen hat Michael Diestel vom Bayerischen Bauernverband prinzipiell nichts einzuwenden. Der Kreisgeschäftsführer des BBV Neustadt an der Saale sieht den Ausbau der erneuerbaren Energien als Aufgabe des ländlichen Raums, aber auch als große Chance für ländliche Regionen.
Für Windkraft spreche: Windräder haben bezogen auf die Fläche, die sie verbrauchen, die höchste Effizienz. "Eine 5-Megawatt-Anlage verbraucht einen halben Hektar. Wenn wir dieselbe Leistung mit Photovoltaik erzeugen wollen, brauchen wir schon vier bis fünf Hektar Fläche."
Vorteil von Windkraft: wenig Flächenverbrauch
Aus landwirtschaftlicher Sicht ein wichtiger Aspekt, denn der Druck auf die Fläche steige, sagt Michael Diestel vom BBV. "Wir haben im Landkreis Rhön-Grabfeld Flächen, die in den nächsten Jahren trockenfallen werden aufgrund des rasant fortschreitenden Klimawandels. Solche Flächen können wir im Konsens mit Landwirten für den Ausbau der erneuerbaren Energien zur Verfügung stellen", so Diestel.
In anderen Regionen mit viel Rinder- oder Schweinehaltung oder auch Biogasanlagen sehe es anders aus. "Dort ist es ungleich schwieriger, erneuerbare Energien auszubauen." Im Landkreis Rhön-Grabfeld bewirtschaften Landwirte gerade mal zehn bis 15 Prozent eigene Flächen. "85 Prozent der Fläche, die ein durchschnittlicher landwirtschaftlicher Betrieb bewirtschaftet, sind bei uns Pachtflächen", erklärt Diestel.
Landkreise, Städte und Gemeinden bilden regionale Planungsverbände
Regionale Planungsverbände haben in Bayern die Aufgabe, geeignete Flächen für Windenergie zu ermitteln und im Regionalplan festzulegen. Wie der Regionale Planungsverband München (RPV) in der Planungsregion München vorgeht, erklärt Geschäftsführer Marc Wißmann.
Zunächst werden alle Gebiete ermittelt, in denen Windräder grundsätzlich nicht errichtet werden können. Dazu gehören Siedlungen, Flüsse und Seen, aber auch Flächen, bei denen das nicht klar ersichtlich ist.
In der Praxis: Viele Vorschriften, die Windräder ausschließen
"Es gibt eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Messstationen in der Region München und auch in deren Umkreis müssen Abstände eingehalten werden, um die feine Messsensorik, zum Beispiel von Erdbebenmessungen, nicht zu stören." Außerdem Bereiche um Flughäfen und Flugplätze, auch der militärischen Luftfahrt. "Und es gibt zudem viele Beschränkungen zum Schutz von Vögeln", so Wißmann weiter. "Daher müssen wir Bereiche, in denen kollisionsgefährdete Vögel leben, möglichst meiden."
Der Prozess ist sehr aufwendig. Mittlerweile habe der Regionale Planungsverband München aber 7,4 Prozent der Gesamtfläche der Region München ermittelt, auf der Windräder geplant werden können. Hiervon wurden nun in einem ersten Schritt 22 Vorranggebiete für das Steuerungskonzept Windenergie ausgewählt, die ca. 2,3 Prozent der Regionsfläche ausmachen. Ein Entwurf, der nun in Beteiligung mit den Landkreisen, Städten, Märkten und Gemeinden der Region weiter erörtert wird.
Erster Vorschlag: Windkraft im Norden und Süden von München
Marc Wißmann ist zuversichtlich, dass am Ende mehr als 1,1 Prozent Flächen übrig bleiben, die bis zum Jahr 2027 für Windenergie rund um München ausgewiesen werden müssen. "In den Landkreisen Landsberg, Starnberg, München und Ebersberg haben wir wenige sehr große Flächen in den Staatswäldern, wo größere Windparks entstehen können", sagt Wißmann. "Im Norden von München soll es eine Reihe von kleineren Windparks geben, die sich über den nördlichen Bereich der Region verteilen", so der Geschäftsführer des Regionalen Planungsverbands München.
"Wir wollen vermeiden, dass Windenergieanlagen gleichmäßig über die Region verteilt werden, sondern wir wollen eine Konzentration auf wenige Bereiche." Dadurch blieben größere Gebiete frei von den technischen Anlagen, so Wißmann.
Wissenschaftler schlägt positive Grundhaltung und klare Regeln vor
Sören Schöbel, Professor für Landschaftsarchitektur an der TU München, kritisiert die Vorgehensweise nach dem Ausschlussprinzip. "Es gibt keine Behörde, die fragt: Wo wollen wir Windräder haben? Wo passen sie besonders gut hin?", so Schöbel. Das sei aber eine zentrale Frage, die sich jede Gemeinde und vor allem auch eine Planungsregion stellen müsse. "Dass überlegt wird: Wie soll denn unsere Gemeinde in den nächsten Jahrzehnten in ihrer Grundstruktur, wie sie in der Landschaft sichtbar wird, künftig aussehen?"
Anstatt sich darauf zu fokussieren, wo Windräder nicht erwünscht oder nicht möglich seien, schlägt der Landschaftsarchitekt vor, mit der Bevölkerung zu diskutieren, wo die erneuerbaren Energien anhand nachvollziehbarer Regeln aufgestellt werden könnten. In Workshops im Rahmen von Forschungsprojekten habe sich gezeigt, dass Bürgerbeteiligung sehr gut funktioniere und zu einer "Positiv-Planung" führen könne.
Windräder im Verhältnis zu Alternativen betrachten
Schöbel wirbt auch dafür, die Standortwahl im Verhältnis zu den Alternativen zu sehen. Faktisch betrachtet, machten Windräder die Landschaft nicht so kaputt, wie das immer noch Tag für Tag in den Braunkohletagebau-Gebieten passiere. "In der Lausitz werden 100 Meter, im Rheinischen Revier 400 Meter tiefe Löcher gebuddelt, da ist die Landschaft schlichtweg nicht mehr da."
Der Landschaftsarchitekt räumt aber auch mit der Wunschvorstellung auf, Windräder könnten in Bayern vor allem entlang von Autobahnen und in der Nähe von Gewerbegebieten entstehen. Das sei zwar prinzipiell eine gute Idee, aber teils nicht möglich, wegen nicht ausreichender Abstände zu angrenzenden Siedlungen.
Entlang von Autobahnen: Ausbauziele nicht erreichbar
Entlang von Autobahnen gebe es einiges zu beachten. "Geräuschemissionen des Windrads müssen zum Verkehrslärm hinzugerechnet werden", das könne dazu führen, dass Lärmgrenzwerte überschritten werden, so Schöbel. Wegen der potenziellen Gefahr, dass Eis von den Rotorblättern falle, sei außerdem ein Abstand von der Autobahn mit mindestens 150 Metern einzuhalten.
Von dem Wunsch, eine Landschaft frei von Windenergieanlagen zu haben, sollten wir uns verabschieden, findet der Landschaftsarchitekt. Deswegen sei es ein guter Ansatz, "sich darauf zu konzentrieren, wie wir mit Windrädern gut leben können, statt der Einstellung, dass wir sie erleiden müssen."
Im Video: Habeck setzt bei Windparks auf Bürgerbeteiligung
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