Der "Campeon" von Infineon in Neubiberg bei München wirkt wie ein Uni-Campus mit viel Freizeitwert. Auf der über 500.000 Quadratmeter großen Anlage des Halbleiter-Herstellers befinden sich Restaurants, die Teiche und Parkanlagen laden zum Verweilen ein. Hierher in den Süden von München zu kommen, soll für die 5.000 Mitarbeiter so angenehm wie möglich sein – schließlich ist der Kampf um Fachkräfte längst entfacht.
Workation: Bis zu 20 Arbeitstage im Ausland
Doch das Unternehmen bietet noch mehr: Künftig soll Arbeiten etwa auch am Strand von Portugal oder an der Côte d’Azur möglich sein. Sonne, Meer und Arbeit. Ein Traum, der sich für immer mehr Mitarbeiter erfüllt: Laut einer Umfrage unter Personalleitern von Randstad und Ifo bieten rund acht Prozent der Firmen ihrer Belegschaft Workation an. Bei Infineon können Mitarbeiter auf diese Weise bis zu 20 Arbeitstage im Ausland verbringen.
Der weltweite Personalleiter bei Infineon, Markus Fink, erklärt die Neuerung so: "Wir haben alle gelernt flexibler zu arbeiten. Wir dachten uns, wir setzen noch eins drauf und bieten noch mehr Flexibilität. Und das ist, was unsere Mitarbeiter jetzt schätzen, dass sie, wenn sie privat irgendwo unterwegs sind, dort noch ein paar Tage dranhängen und dort arbeiten können."
Das neue Angebot kommt an – innerhalb weniger Tage haben bereits 150 Mitarbeitende einen Antrag eingereicht. Hoch im Kurs stehen Portugal, Frankreich und Kroatien. Ein Mitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden will, findet das Konzept gut: "Da kann man an einem schönen Ort seinen Laptop aufklappen und abends ausklingen lassen. Das scheint mir eine schöne Geschichte zu sein."
Arbeiten im Ausland: Viele Fallstricke
Damit es allerdings eine schöne Geschichte bleibt, gibt es einiges zu beachten: Unternehmen müssen sich umfangreich schlau machen, welche Regeln im Ausland gelten: Die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen zu Datenschutz, Arbeitszeit und Arbeitsschutz müssen eingehalten werden.
Arbeitnehmer sollten auf keinen Fall auf die Idee kommen, unangekündigt vom Ausland aus zu arbeiten – denn das kann verheerende Konsequenzen haben. Till Bender von der DGB Rechtsschutz GmbH: "Dem Arbeitgeber drohen dann möglicherweise Bußgelder und Strafen. Und das wird er den Arbeitnehmern sicherlich dann in Rechnung stellen – möglicherweise durch Sanktionen seinerseits. Deswegen ist es auf jeden Fall gut, den Arbeitgeber rechtzeitig vorzuwarnen, so dass dieser entsprechende Vorkehrungen treffen kann."
Bei der Kommunikation gibt es allerdings laut einer aktuellen PwC-Studie erhebliche Defizite, sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite. Mehr als ein Zehntel der in der Studie Befragten hatten ihren Arbeitgeber nicht über ihr grenzüberschreitendes Arbeiten informiert. Die Unternehmensberatung schließt daher auf eine hohe Dunkelziffer nicht genehmigter Arbeitsaufenthalte im Ausland, die unter Umständen Compliance-Risiken für die Unternehmen bedeuten können.
Wettbewerb um Fachkräfte: Workation als Goodie
Die Idee, mit deutschem Arbeitsvertrag aus einem Niedriglohnland heraus zu arbeiten, kann sich für Personaler etwa schnell zum Albtraum entwickeln. Weil selbst bei Aufenthalten im europäischen Ausland steuer-, arbeits-, und sozialversicherungsrechtliche Fallstricke lauern, hat sich Personalleiter Markus Fink von Infineon umfangreich beraten lassen. "Für Infineon ist es eine Herausforderung und ein großer administrativer Aufwand, aber es ist es uns wert, das flexible Arbeiten anbieten zu können."
Aber auch bei Infineon sind der Reiselust Grenzen gesetzt: Das Arbeiten in manchen europäischen Ländern ist ausgeschlossen. Etwa Bulgarien und Lettland – das steuerliche System dort ist einfach zu komplex.
Bislang nimmt überall dort, wo die neue Form der Arbeit angenommen wird, nur drei Prozent der Belegschaft es auch in Anspruch. Dass der Trend Workation dennoch an Bedeutung gewinnt, davon geht Julia Freuding vom ifo-Institut aus: "Im Wettbewerb um Fachkräfte kann dies ein Mittel sein, um Beschäftigten ein besseres Gleichgewicht von Arbeit und Freizeit zu ermöglichen."
Der DGB-Rechtsexperte Till Bender wiederum warnt vor einer weiteren "Entgrenzung" von Arbeit und Freizeit. Ob Workation für den Einzelnen letztlich zum Traum wird, hängt davon ab, was man daraus macht.
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