Umringt von Weinbergen liegt sie da, die Stadt Würzburg. Der Main schlängelt sich durch den historischen Stadtkern, hoch oben auf dem Berg thront die Festung Marienberg – eine Szenerie, ein bisschen wie aus einem Märchenbuch. Wenig überraschend, dass die Menschen hier besonders alt werden, scheint es. "Wir haben doch hier alles: die Weinberge, das gute Wetter. Es ist doch alles da", sagt Rosa Schmauß. Sie hat im August das biblische Alter von 101 Jahren erreicht. Auch wenn sie nach eigener Auskunft niemals damit gerechnet hätte.
Genuss fördert langes Leben
Würzburg ist laut dem Statistischen Bundesamt die Stadt mit den meisten hochbetagten Menschen – 4,6 von 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern sind mindestens 100 Jahre alt. Dr. Michael Schwab, Chefazt der Geriatrie im Würzburger Bürgerspital, wundert das kaum. Schließlich werde laut Google der Begriff "Genuss" am häufigsten in Würzburg gesucht. "Für das Kriterium Genuss haben wir gute Voraussetzungen", so Schwab.
Armut ist ein Risikofaktor
Doch es gäbe auch wirtschaftliche Gründe. Nicht alle Menschen haben die gleiche Chance, älter zu werden. "Wir sind eine Beamtenstadt. Wir sind eine Stadt, wo die Menschen etwas besser wirtschaftlich stehen. Und wirtschaftliche Armut ist natürlich auch ein Risikofaktor und gefährdet das Leben und gefährdet die Langlebigkeit", fügt Schwab hinzu und lächelt: Vielleicht sei hier in der Region auch einfach ein wenig Glück dabei.
Geistige Fitness hält jung
"Ich hatte das Glück, nie wirklich krank zu sein", erzählt die hochbetagte Rosa Schmauß. Sie lebt im betreuten Wohnen und steigt dort jeden Tag für eine halbe Stunde auf ihren Hometrainer, um sich körperlich fit zu halten. Für die geistige Fitness liest sie gern und rezitiert immer wieder eine ihrer liebsten Kabarettnummern. Zuletzt stand sie mit 85 Jahren auf der Bühne – den Text kann sie heute noch auswendig. An Fasching geht sie damit in die Seniorenheim-Bütt.
Gute "Gs" als Erfolgsrezept
Damit hat Rosa Schmauß, dem Geriatrie-Chefarzt Schwab zufolge, alles genau richtig gemacht. Wer alt werden möchte, kann dafür selbst einiges tun. Ein bewegtes, "im wahrsten Sinne des Wortes bewegtes, arbeitsreiches Leben", eine vernünftige, eher pflanzenbasierte Ernährung mit Genuss, gute Gene, gute Gewohnheiten und Aktivitäten, gute Freunde, und ein gutes Maß an Gelassenheit und ein guter Sinn für Humor – das sind laut Schwab die Erfolgsfaktoren für ein langes Leben.
Lebenserwartung steigt
Doch nicht nur in Würzburg werden die Menschen immer älter. Tatsächlich ist die Zahl der Hundertjährigen bundesweit von 2011 bis 2022 um ein Viertel gestiegen: von 13.400 auf 16.800. Gründe dafür sind den Statistikern zufolge verbesserte Lebensumstände, steigender Wohlstand und medizinischer Fortschritt.
Hatten Menschen, die hierzulande 1950 geboren sind, Stand damals, eine Lebenserwartung von 66 Jahren, sieht das heute schon ganz anders aus. Für alle, die jetzt geboren werden, könnte 100 Jahre zu leben sogar der neue Standard werden, sagen Wissenschaftler der Stanford University.
Chefarzt Michael Schwab: "Unsere Alten werden immer fitter"
Die sogenannten jungen Alten sind heute deutlich vitaler, sagt auch Michael Schwab. Damit meint er nicht nur die sogenannten "Super-Ager", die mit über 85 noch vital und gesund sind, sondern auch diejenigen, die nach dem wissenschaftlichen Stand von 1950 eigentlich nicht mehr unter den Lebenden sein dürften. Und schon jetzt leben mehr als die Hälfte der Hundertjährigen in eigenen Haushalten. Dabei sind es vor allem Frauen, die die dreistelligen Lebensjahre erreichen.
So wie Rosa Schmauß. Doch seit sie 100 ist, bemängelt sie, gehe es rapide bergab: Die Füße wollen sie nicht mehr so durchs Leben tragen, sie müsse sich überall anhalten. Ein Gläschen Secco genehmigt sie sich trotzdem hin und wieder, denn: "Ansonsten fühle ich mich noch gut." Und woanders, fügt sie hinzu, wäre sie bestimmt genauso alt geworden.
Im Video: Nirgendwo in der Republik gibt es mehr Hundertjährige pro Einwohner als in Würzburg
Dieser Artikel ist erstmals am 15. Oktober 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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