Die Freiwillige Feuerwehr Stadt Stein im Landkreis Fürth ist zu einer Türöffnung gerufen worden. Mit einer Fräse öffnet ein Trupp die Tür, weil ein Bewohner den Hausnotruf gedrückt hat und weder auf Anrufe noch Klingeln reagiert. Glücklicherweise ist es kein medizinischer Notfall: Ein älterer Mann ist lediglich vom Sofa gerutscht und kommt allein nicht mehr hoch.
Kommandant Dominik Datz, der den Einsatz koordiniert, stellt fest, dass die Ehrenamtlichen deswegen zunehmend frustriert sind. Sie helfen grundsätzlich gerne, verlassen dafür ihren Arbeitsplatz oder rücken in der Freizeit aus. Doch wenn es um einen Hausnotruf geht, ärgern sich die Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr. "Denn wir machen es ehrenamtlich und die anderen kassieren dafür Geld", sagt Kommandant Datz.
Etwa 30 Einsätze am Tag allein im Großraum Nürnberg
Ein Hausnotruf kann eine sinnvolle Sache sein, vor allem für ältere Menschen, die allein leben. Denn wenn sie beispielsweise daheim gestürzt sind, können sie Hilfe über einen Knopf an der Halskette oder der Armbanduhr holen. Dafür verlangen Hilfsorganisationen und private Anbieter eine monatliche Gebühr. Doch ihrem Auftrag kommen sie nicht immer nach. Eigentlich ist vorgesehen, dass sie mit einem hinterlegten Schlüssel selber nachschauen können, was passiert ist.
Doch wenn die Mitarbeitenden anderweitig beschäftigt oder zu weit entfernt sind, informieren sie die nächstgelegene Integrierte Leitstelle. Von dort werden die örtlichen Freiwilligen Feuerwehren alarmiert. Statistisch gesehen rücken diese allein im Großraum Nürnberg jeden Tag dreißig Mal aus, um eine Tür zu öffnen, aufs Jahr gerechnet sind es etwa 11.000 Einsätze. Nicht immer sei der Auslöser ein Hausnotruf - aber durchaus häufiger, sagt der Leiter der Integrierten Leitstelle, Marc Gistrichovsky: "Wenn wir diese Meldung bekommen, können wir nicht ausschließen, dass ein Notfall vorliegt und wir sind gezwungen, die Feuerwehr zu alarmieren."
Hinzu kommt: In Nürnberg kommen nicht nur die Hilfegesuche von Hausnotruf-Anbietern aus dem Großraum an, sondern aus ganz Deutschland. Beispielsweise, wenn der Anbieter seinen Firmensitz in Baden-Württemberg oder Norddeutschland hat, die Kunden aber im Großraum Nürnberg leben.
Ehrenamtliche kommen an ihre Grenzen
Allein im Landkreis Fürth verzeichnen die Freiwilligen Feuerwehren 50 Prozent mehr Türöffnungen als noch vor drei Jahren. "Wir merken gerade im ehrenamtlichen System, dass wir an Grenzen kommen. Es wird langsam kritisch, die freiwilligen Kameraden noch dazu zu motivieren, manchmal mehrmals in der Nacht wegen eines Hausnotrufs auszurücken", sagt Kreisbrandrat Frank Bauer. Die Belastung der Ehrenamtlichen und die Kosten sorgen auch im Rathaus der Stadt Stein für großen Unmut. Denn die Kommunen sind für die Freiwilligen Feuerwehren zuständig.
Bürgermeister Kurt Krömer beobachtet schon seit Längerem die häufigen Feuerwehreinsätze mit Türöffnungen: "Aus meiner Sicht besteht da eine gewisse Ungerechtigkeit, denn der Anbieter des Hausnotrufes verlangt eine monatliche Gebühr und verspricht auch Leistungen. Leistungen, die bezahlt werden, die er aber nicht immer erbringen kann."
Wenn Hautnotruf-Anbieter ihren Auftrag nicht erfüllen können, muss die Feuerwehr anrücken.
Kosten in Rechnung stellen - aber wie?
Die Städte und Gemeinden finanzieren Ausbildung, Ausrüstung und Instandhaltung der Feuerwehren. Zusätzlich zahlen sie eine Entschädigung an Arbeitgeber, die ihre Mitarbeitenden zu einem Feuerwehreinsatz gehen lassen. Dadurch schlägt eine Türöffnung schnell mal mit vier-, fünfhundert Euro zu Buche. "Deshalb fordere ich eine gesetzliche Grundlage, damit wir solche Türöffnungen mit den Hausnotruf-Anbietern verrechnen können", sagt Bürgermeister Krömer.
Aus seiner Sicht ist der bestehende Artikel 28 Punkt 6 im Bayerischen Feuerwehrgesetz zu schwammig gehalten. Demnach ist das Ersetzen von Kosten nur möglich, "wenn ein Sicherheitsdienst einen Notruf trotz fehlender Anhaltspunkte für die Notwendigkeit eines Feuerwehreinsatzes weitergeleitet hat und keine Tätigkeit zur unmittelbaren Rettung oder Bergung von Menschen erforderlich war".
Hausnotruf wird häufig aus Versehen gedrückt
Der Alltag zeigt: In über 90 Prozent der getätigten Hausnotrufe liegt kein Notfall vor. Die Feuerwehreinsatzkräfte erleben häufig, dass jemand aus Versehen den Hausnotruf gedrückt und sich beispielsweise ohne Hörgeräte schlafen gelegt hat. So nimmt er den Kontrollanruf nicht wahr und ist sehr erschrocken, wenn ihn plötzlich die Feuerwehr wachrüttelt. Durch den demografischen Wandel werden solche Einsätze künftig noch zunehmen.
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