Symbolbild: Lehrerin steht an der Tafel
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Abwerben von Lehrern: Experten sehen Söders Pläne skeptisch

Abwerben von Lehrern: Experten sehen Söders Pläne skeptisch

Mit einer "Start- und Umzugshilfe" sollen Lehrer aus anderen Bundesländern nach Bayern gelockt werden. Experten sind skeptisch, ob der Plan aufgeht: Der Freistaat hat nicht gerade den Ruf, es Absolventen aus anderen Ländern leicht zu machen.

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"Die 4b wird heute von der Lehrkraft der 4a mitbetreut." "Aufgrund von Personalausfällen haben die Schüler der 8b am Freitag zwei Stunden früher Schulschluss." Diese und ähnliche Nachrichten erhalten Eltern inzwischen häufiger. Der Lehrkräftemangel in Bayern ist dramatisch. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) macht die Schulpolitik zum Wahlkampfthema und kündigte 6.000 neue Lehrerstellen bis 2028 an.

Dafür sollen Lehrer und vor allem Absolventen, die frisch von der Uni kommen, aus anderen Bundesländern abgeworben werden. Mehrere Bundesländer reagierten empört, sprachen von einem "Raubzug" und einem "No-Go" – denn auch in anderen Ländern gibt es viel zu wenige Lehrerinnen und Lehrer.

Lehrermangel in ganz Deutschland

Die Gewerkschaft GWE hat eine Deutschlandkarte veröffentlicht, die zeigt, wie schlimm der Lehrermangel tatsächlich ist. So bildet zum Beispiel Schleswig-Holstein zu wenige Lehrer aus, sodass Lehrkräfte ebenfalls aus anderen Bundesländern rekrutiert werden. In Berlin hat nur noch ein Drittel der neu eingestellten Lehrkräfte eine abgeschlossene Lehrerausbildung und in Sachsen-Anhalt liegt die durchschnittliche Unterrichtsversorgung bei knapp 89 Prozent.

In Bayern hat sich laut Kultusministerium in den vergangenen Jahren die Bewerberzahl von Lehrkräften, die sich im Rahmen des planstellenneutralen Lehreraustauschverfahrens - also für Lehrer, die bereits im Schuldienst sind, oder der Freien Bewerbung um Einstellung in Bayern bemühen, nicht signifikant geändert.

KMK-Präsidentin fordert fairen Wettbewerb

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Astrid-Sabine Busse, will über den bayerischen Vorstoß mit den anderen Bundesländern beraten. "Mir ist es wichtig, dass die Grundprinzipien des fairen Wettbewerbs eingehalten werden", so Busse gegenüber BR24. "Dazu gehört auch, nicht explizit und unabgestimmt in anderen Ländern um Lehrkräfte zu werben."

Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, sieht die Pläne kritisch. "Ich weiß nicht, ob wir die Probleme in Deutschland lösen, wenn jedes Bundesland versucht, aus anderen ebenfalls gebeutelten Ländern Lehrkräfte abzuziehen. Das ist nicht der Lösungsweg, der zu einem guten Bildungssystem in Deutschland führt."

  • Zum Artikel: Lehrermangel in Bayern: Der bundesweite Kampf um Lehrkräfte

GEW: "Beleg für die bayerische Vorfahrtsmentalität"

"Leider ein weiterer Beleg für die bayerische Vorfahrtsmentalität, die die soziale Ungleichheit und Bildungsungerechtigkeit in Deutschland immer weiter verschärfen wird", kritisierte auch die GEW-Landesvorsitzende Martina Borgendale. Und auch eine Münchner Lehrerin sagt: Natürlich würde sie sich wünschen, dass die Lehrerversorgung optimal gedeckt sei, "weil wir deutlich mehr arbeiten müssen, als wir es uns oft wünschen und als es oft unsere Kräfte zulassen, aber irgendwie passt das Vorgehen auch zu Bayern, dass es darum geht, dass Hauptsache wir ausreichend mit Lehrern und Lehrerinnen versorgt sind - wie das die anderen Bundesländer machen, interessiert dann nicht?"

Söder verspricht "Start- und Umzugshilfe"

Söder will die Pädagogen mit teils höheren Gehältern und einem "Paket für Start- und Umzugshilfe" locken. Verbände bezweifeln allerdings, dass dies auf dem leer gefegten Markt dazu führen wird, dass mehr Lehrer nach Bayern kommen. "Im Gymnasialbereich ist Bayern bei der Bezahlung bundesweit an der Spitze", sagt Gerd Nitschke, 1. Vizepräsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV). "Aber ob deshalb jemand nach München geht, wo die Lebenshaltungskosten und die Mieten deutlich höher sind?"

Grund- und Mittelschulen rentierten sich in Bayern dagegen finanziell nicht - denn da zahlen einige andere Bundesländer besser. Inzwischen pendeln laut BLLV zum Beispiel einige fränkische Lehrer nach Sachsen, wo Grundschullehrer beim Berufseinstieg in die Besoldungsgruppe A13 und nicht in A12 wie in Bayern kommen.

Komplizierte Anerkennung der Abschlüsse

Außerdem hat Bayern nicht gerade den Ruf, Absolventen aus anderen Bundesländern schnell und unbürokratisch aufzunehmen. Zwar gibt es eine KMK-Vereinbarung, Abschlüsse aus anderen Ländern anzuerkennen, doch "in der Praxis hat sich Bayern dagegen gewehrt, weil man der Ansicht war, die bayerischen Lehrer sind besser. Wenn jemand frisch von der Uni aus Berlin kam, dem ist es so gut wie nie gelungen, in Bayern eine Stelle zu finden", sagt Borgendale.

Diese Erfahrung hat auch Nitschke gemacht: "Ich habe eine Kollegin, die in Bayern Grundschullehramt studiert hat, dann in Baden-Württemberg eine Sondermaßnahme für das Realschullehramt gemacht hat, die aber wurde in Bayern nicht anerkannt."

  • Zum Artikel: Traumjob Lehrer? Quereinsteiger an Schulen oft unzufrieden

"Noch mal studieren, weil irgendein Fach fehlt"

Eine Mittelschullehrerin aus München erinnert sich daran, dass schon vor vielen Jahren außerhalb Bayerns Lehrer angeworben wurden. 2001 ging die damalige Kultusministerin Monika Hohlmeier (CSU) zum Beispiel in Österreich auf Lehrersuche. "Die sind dann täglich aus Salzburg nach München gependelt", so die Lehrerin. Inzwischen fehlen aber auch in Österreich Lehrer.

Die bürokratischen Hürden sind für Lehrer und Lehrerinnen aus Österreich aber tatsächlich in der Regel geringer als für Bewerber aus anderen Bundesländern. "Ein österreichischer Lehrer darf als EU-Lehrer in Bayern unterrichten", erklärt Nitschke vom BLLV. "Wenn aber jemand aus Sachsen kommt, muss er die Lehramtsbefähigung nachweisen oder muss eventuell noch mal studieren, weil irgendein Fach fehlt."

Brandenburg wirbt mit Beamtenstatus

Der Lehrermangel sei ein von der bayerischen Regierung "hausgemachtes Problem", findet die Mittelschullehrerin aus München. Kurz vor ihrem zweiten Staatsexamen vor etwa 20 Jahren seien Planstellen an Grund- und Mittelschulen gestrichen und die Noten zur Verbeamtung angehoben worden, erinnert sie sich. "Viele damals junge Kollegen sind in die freie Wirtschaft gewechselt."

Auch da hat ein Wandel stattgefunden: Der Beamtenstatus spielt im Moment im bundesweiten Wettbewerb um Lehrer wieder eine Rolle. So will Brandenburg künftig auch eine Ausbildung als Bachelor-Lehrkraft einführen und deren Absolventen verbeamten. "Andere Bundesländer wollen das aber nicht anerkennen, weil sonst eine massive Niveauabsenkung der Lehramtsausbildung droht", so Meidinger.

Lehrer wünschen sich weniger Zusatzarbeit und mehr Anerkennung

Für die beiden Münchner Lehrerinnen, die beide betonen, dass sie sehr gerne in ihrem Beruf arbeiten, ist klar, dass es andere Ansätze braucht, um wieder mehr Menschen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu begeistern: "Gesellschaftliche Anerkennung könnte helfen, (...) aber die fehlt bei sämtlichen Sozialberufen in Deutschland ja grundsätzlich", so die Mittelschullehrerin.

Und auch die Gymnasiallehrerin hätte ein paar Vorschläge: "Die Gehälter anpassen, nicht so viele Zusatzarbeiten verlangen, das Gefühl vermittelt bekommen, der Staat, beziehungsweise der Freistaat Bayern als unser Arbeitgeber ist daran interessiert, dass wir physisch und psychisch gesund bleiben."

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