Auch wenn für deutsche Bäuerinnen und Bauern demnächst die Unterstützung beim Agrardiesel wegfällt – insgesamt profitiert Europas Landwirtschaft weiter von massiven Subventionen: Fast jeder dritte Euro aus dem mehrjährigen EU-Etat fließt in diesen Bereich, über sieben Jahre hinweg 387 Milliarden Euro. Das ist der zweitgrößte Posten im Gemeinschaftshaushalt. Auf Deutschland entfallen davon sechs Milliarden pro Jahr.
Der Großteil geht als Direktzahlungen an die Landwirte. Deren Höhe bemisst sich auch nach der jüngsten EU-Agrarreform vor allem nach der Größe der Höfe, solange grundsätzliche Umweltauflagen eingehalten werden.
Komplizierte Förderung
Große Betriebe, die oft sowieso besser dastehen als der Durchschnitt, bekommen mehr. Dabei wird nicht zwischen Voll- und Nebenerwerbsbetrieben unterschieden. Landwirtinnen und Landwirte erhalten das Geld nicht direkt aus Brüssel. Stattdessen legt die Bundesregierung die Flächenprämie fest, die dann von den Zahlstellen der Bundesländer überwiesen wird.
Im vergangenen Jahr wurden im Durchschnitt 156 Euro pro Hektar ausgezahlt. Kleine Betriebe oder Junglandwirte werden besonders gefördert. Dazu kommen sogenannte gekoppelte Prämien für Mutterkühe, Schafe und Ziegen. Unter dem Strich machen die Fördergelder rund die Hälfte des bäuerlichen Einkommens aus – konkret sind es laut Bundesinformationszentrum Landwirtschaft je nach Betriebsstruktur zwischen 40 und 60 Prozent, bei Nebenerwerbsbetrieben deutlich mehr.
Geld für Äcker nicht nur für Landwirte
Die Bundesregierung begründet die üppige Förderung mit der besonderen Rolle der Landwirtschaft: Sie stellt die Lebensmittelversorgung zu bezahlbaren Preisen sicher, erhält Kulturlandschaften und muss vergleichsweise hohe Umweltstandards erfüllen. Deshalb könnten Europas Landwirte nicht mit dem Weltmarkt konkurrieren und brauchten Direktzahlungen, um ihre Einkommen zu sichern.
Ein Viertel davon ist für Umweltprogramme reserviert. Die Bedingungen legt jeder Mitgliedsstaat selbst fest. In Deutschland können Landwirtinnen und Landwirte zum Beispiel Blühflächen und Altgrasstreifen anlegen oder auf Pflanzenschutzmittel verzichten, um zusätzlich Geld zu bekommen.
Im vergangenen Jahr wurden fast 40 Prozent des Budgets für diese Ökoregeln nicht ausgeschöpft, Berlin hat die Mittel in bestehende Maßnahmen gesteckt. Versicherungs-, Energie- oder Immobilienkonzerne sowie Möbelhäuser streichen ebenfalls Flächenprämien ein, wenn sie Ackerland besitzen und bewirtschaften lassen.
Viel Förderung, viel Arbeit – und das Höfesterben dauert an
Keine andere Berufsgruppe in Deutschland arbeitet so viel wie landwirtschaftliche Vollzeitarbeitskräfte: knapp 47 Wochenstunden. In Deutschland wird die Mehrzahl der Höfe von Familien geführt, die sie von Generation zu Generation weitergeben. Das ist oft allerdings nicht mehr gesichert. Bei einer Erhebung aus Bayern gab 2020 mehr als die Hälfte der Betriebsleiterinnen und -leiter über 55 Jahre an, ihre Nachfolge sei ungeklärt.
Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe ist zwischen 2001 und 2020 um 40 Prozent gesunken. Daran haben weder die Milliarden aus Brüssel noch die von vielen Bundesregierungen unterschiedlicher Couleur gesetzten Rahmenbedingungen etwas geändert. Dafür bewirtschaften die verbleibenden Betriebe immer mehr Fläche und halten mehr Tiere. Bayern und Baden-Württemberg verfügen wegen der früher angewendeten Erbteilung auf alle Nachfahren über eher kleine Betriebe. Die größten gibt es in Ostdeutschland.
Große EU-Länder erhalten das meiste, kleinere fördern mehr
Weil der Großteil der Mittel entsprechend der landwirtschaftlichen Fläche vergeben wird, bekommen die großen EU-Mitgliedsstaaten das meiste Geld aus dem Agrartopf: Frankreich, Spanien, Deutschland, Italien und Polen. Wie viel bei den Empfängern tatsächlich ankommt, hängt allerdings von der Betriebsstruktur und der Förderpolitik des jeweiligen Landes ab. So liegen bei der pro Hektar geleisteten Unterstützung Malta, Zypern und Griechenland vorne.
Die meisten Beschäftigten in der Landwirtschaft hat Rumänien. Insgesamt arbeiten in der EU 9,5 Millionen Menschen in diesem Bereich. Der Anteil des Agrarsektors am Bruttoinlandsprodukt betrug 2020 europaweit 1,3 Prozent.
Die Flächenförderung wurde Anfang der 90er-Jahre in der Gemeinschaft eingeführt. Davor bekamen Europas Bauern Preisausgleichszahlungen, weil sie wegen hoher Kosten international nicht konkurrenzfähig waren. Diese staatlich garantierten Preise aber hatten zu Überproduktion geführt – zu den berüchtigten Milchseen und Butterbergen.
Vereinbar mit dem Green Deal?
Die Landwirtschaft ist für ein Zehntel des EU-weiten Ausstoßes klimaschädlicher Treibhausgase verantwortlich. Trotzdem finden sich nach Ansicht von Kritikern die Vorgaben des Green Deal, des geplanten nachhaltigen Umbaus von Europas Wirtschaft und Gesellschaft, zu wenig in der gemeinsamen Agrarpolitik wieder. Dass die EU klimaneutral werden, den Einsatz von Ackergiften drastisch einschränken sowie Artenvielfalt und Landschaften bewahren möchte – diese Ziele seien in der Agrarreform kaum verankert.
Agrarökonomen verlangen deshalb, die europäische Förderpolitik grundlegend zu überdenken. Einige halten Subventionen entsprechend der Fläche nicht mehr für zeitgemäß. Sie fordern zum Beispiel, gezielt Landwirte zu belohnen, die Umweltleistungen erbringen. Dafür braucht es nach Ansicht der Experten einen langfristigen und transparenten Plan für den Umbau des Agrarsystems hin zur Klimaneutralität mit einem klaren Anreizsystem für die Landwirte.
Im Video: Kompliziert - und immer auf dem Sprung zur Reform: Die EU-Agrarpolitik
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