Es sind "nicht ihre Parteien", die die Demonstration auf dem Augsburger Rathausplatz organisieren, schreibt Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber im Vorfeld. "Doch es ist meine Demokratie, meine Freiheit und mein Land." Also macht sich die CSU-Politikerin bei strahlendem Sonnenschein auf den Weg, um an der Protest-Veranstaltung teilzunehmen, die von den Jugendorganisationen von SPD und Grünen organisiert wurde.
50 Personen hatten die Organisatoren im Vorfeld der Demo angemeldet. Gekommen sind jedoch rund 700, so die Polizei. Es sind Menschen aller Altersklassen. Auch etliche Familien. Dann steigt Weber aufs Podium und kommt schnell auf die Recherchen zu sprechen, nach denen wichtige AfD-Politiker Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland vertreiben wollen.
Weber: "Selten etwas Perfideres und Widerlicheres gelesen"
"Ich glaube, ich habe selten etwas Perfideres und Widerlicheres als diesen Bericht gelesen", sagt Weber. "Mir ist schlecht geworden. Ich frage mich wirklich, wie weit es in diesem Land gekommen ist, dass sowas wieder ganz selbstverständlich gesprochen werden kann. Es ist unfassbar, dass im Jahr 2024 wieder so eine Grundstimmung da ist."
Der Präsident des Bayerischen Verfassungsschutzes habe erklärt, dass der Rechtsextremismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei, von der Mitte der Gesellschaft aber auch nicht bekämpft werde und es daher ein Defizit gebe, zitiert Weber Bayerns obersten Verfassungsschützer: "Das ist ganz schön starker Tobak für einen Verfassungsschutzpräsidenten, der Beamter ist, der Behördenleiter ist und der eigentlich der Neutralität verpflichtet ist", so die CSU-Politikerin. "Wir brauchen einen Schulterschluss der Mitte." Auch ihre eigene Partei nimmt Weber ausdrücklich in die Pflicht: "Die CSU hat eine besondere Verantwortung, die Brandmauer zur AfD hochzuhalten."
Das sagen Teilnehmer der Demo zur AfD
"Es wird immer offensichtlicher, dass sie Pläne haben, die in diesem Land schon mal für schreckliche Dinge gesorgt haben. Und dagegen muss man etwas tun", so eine Demo-Teilnehmerin. Ein Afghane sagte: "Ich bin schon seit neun Jahren hier, super integriert und ausgelernter Krankenpfleger. Und jetzt kommen die mit der Aussage, dass alle nach Hause zurückgehen sollen. Das finde ich einfach frech."
Der BR hat auch die Augsburger AfD um eine Stellungnahme gebeten, ein Interview kam aber nicht zustande.
Bundesweit haben an diesem Wochenende Tausende Menschen gegen Rechtsextremismus und die AfD demonstriert. "Ich stehe hier als eine von Tausenden von Potsdamerinnen und Potsdamern, die einstehen für Demokratie und gegen alten und neuen Faschismus", sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Potsdam. Auch Bundeskanzler Scholz beteiligte sich an den Protesten.
Recherchen zu Treffen in Potsdam
Hintergrund der Demonstrationen sind Recherchen des Medienhauses Correctiv. Demnach waren im November einzelne AfD-Funktionäre sowie einzelne Mitglieder der CDU und der erzkonservativen Werteunion in Potsdam mit Rechtsextremen zusammengekommen, wie etwa dem früheren Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner.
Dem Bericht zufolge wurde dort über "Remigration" gesprochen (hier lesen Sie, was mit dem Begriff gemeint ist). Millionen Menschen sollten demnach Deutschland verlassen müssen. Laut Correctiv-Recherche nannte Sellner drei Zielgruppen: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und "nicht assimilierte Staatsbürger". Die AfD sprach von einem "privaten Treffen", an dem die Parteivertreter folglich als "Privatpersonen" teilgenommen hätten.
"Die AfD ist eine gefährliche Nazi-Partei", sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in einem Interview. CDU-Chef Friedrich Merz erklärte, die anstehenden Landtagswahlen im Osten "mit einer sehr klaren, sehr harten Auseinandersetzung insbesondere gegen die AfD" angehen zu wollen.
Augsburgs Oberbürgermeisterin blieb bis zum Schluss der Demonstration. Als Oberbürgermeisterin müsste sie eigentlich parteipolitisch neutral sein. "Doch diese Zeit ist vorbei", so Weber.
Mit Informationen der dpa
Im Video: Bürger demonstrieren gegen rechts
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