Isar 2 soll noch 2023 weiter laufen
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Armin Weigel

Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm des Atomkraftwerks Isar 2.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Wie geht es weiter mit dem AKW Isar 2?

Dass die Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim Anfang 2023 weiterlaufen werden, wird immer wahrscheinlicher. Von Umweltschützern kommt scharfe Kritik. CSU-Chef Söder wirft der Regierung "Geeiere" vor.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Wie geht es weiter mit dem AKW Isar 2?
Bildrechte: picture alliance/dpa | Armin Weigel
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Wie geht es weiter mit dem AKW Isar 2?

Bei Politikern und Umweltschützern stößt der von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angekündigte voraussichtliche Weiterbetrieb von zwei deutschen Atomkraftwerken auf Kritik. "Es ist und bleibt energiepolitischer Unsinn, den gesetzlich festgelegten Atomausstieg zum 31. Dezember 2022 auszuhebeln", sagte der Atomexperte Heinz Smital von Greenpeace.

Die CSU und die Freien Wähler kritisierten Habeck für das Hin und Her in der Energiepolitik, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warf der Bundesregierung "Geeiere" vor. Grünen-Chef Omid Nouripour und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann verteidigten den Kurs ihres Parteikollegen.

Umweltexperten: Permanentes Sicherheitsrisiko

"Die Strommangellage in Frankreich durch Abschaltung zahlreicher AKWs zeigt, wie unzuverlässig Atomenergie ist. Daneben besteht das Risiko katastrophaler Atomunfälle", betonte der Greenpeace-Experte Smital. Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutzschutz Deutschland (Bund), äußerte sich ähnlich: "Der Stresstest hat gezeigt, dass ein Weiterbetrieb deutscher Atomkraftwerke die Energiesicherheit weder in Deutschland noch in Frankreich qualitativ verbessern wird." Atomkraftwerke bedeuteten "ein permanentes Sicherheitsrisiko".

Söder: "Geeiere" der Regierung in Energiefragen

Kritik kam auch aus Bayern: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warf der Bundesregierung "Geeiere" in der Energiepolitik vor. Er begrüßte die von Habeck angekündigte Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim. Sie gehe aber nicht weit genug, die Kraftwerke sollten mindestens bis Ende 2024 weiterlaufen und es bräuchte noch ein drittes, sagte Söder dem BR. Es brauche jetzt Sicherheit, um durch die schweren Zeiten zu kommen.

Aiwanger und Huber: AKWs weiter laufen lassen

Auch CSU-Generalsekretär Martin Huber und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger warfen dem Bundeswirtschaftsminister vor, in seiner Politik nicht stringent zu agieren. "Habeck kippt die Gasumlage und geht in den AKW-Streckbetrieb, nachdem er wochenlang krakeelt hat und ideologisch verblendet war", schrieb Huber bei Twitter.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!

Aiwanger äußerte die Vermutung, dass man im Herbst 2023 feststellen werde, dass man die Atomenergie für einen weiteren Winter benötigen werde und forderte deshalb, neue Brennstäbe zu bestellen. Auch Huber erklärte: "Wir brauchen AKWs bis 2024."

Der für die Atomaufsicht zuständige bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) forderte nach der Ankündigung von Habeck nun schnell Fakten. "Es braucht jetzt endlich Klarheit für Betreiber und Aufsichtsbehörden. Dann können die weiteren Schritte vorbereitet werden", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Deutschland brauche eigene verlässliche Stromquellen, dazu gehöre auch Isar 2. "Nicht als Ad-hoc-Kaltreserve, sondern in einem geordneten Streckbetrieb. Kernkraftwerke sind keine Notstromaggregate."

Weiterbetrieb voraussichtlich bis April

Wirtschaftsminister Habeck hatte am Dienstagabend erläutert, dass er einen Weiterbetrieb von zwei Atomkraftwerken über das Jahresende hinaus erwartet. Stand heute gehe sein Ministerium davon aus, dass man die "Reserve" ziehen werde und die Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim im ersten Quartal 2023 weiter am Netz sein werden.

Er habe sich mit den Betreibern der Atomkraftwerke in Bayern und Baden-Württemberg auf Eckpunkte zur Umsetzung der geplanten Einsatzreserve bis spätestens Mitte April 2023 verständigt. Hintergrund sei vor allem die angespannte Lage auf dem französischen Strommarkt. Mehr als die Hälfte der dortigen Atomkraftwerke sei nicht am Netz, es fehlten daher Strommengen, die Deutschland zum Teil mit Strom aus Gaskraftwerken ausgleiche.

Wirtschaftsminister Habeck
Bildrechte: BR
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Wirtschaftsminister Habeck

Auch AfD will Atomkraft weiter nutzen

Die AfD will über die Übergangslösung hinaus auch künftig auf Atomkraft setzen. "Es ist blamabel, dass sich die Bundesregierung auf die Kernenergielieferungen aus Frankreich verlässt, selbst aber auf Wind und Sonne setzt", sagte Stephan Brandner, stellvertretender Bundessprecher der Alternative für Deutschland. "Wir brauchen in Deutschland eine klare Strategie für eine Zukunft mit Kernenergie; wir brauchen zukunftsorientierte Kernenergieforschung und endlich eine innovative Herangehensweise an das Thema Energieversorgung."

Grüne verteidigen Habecks Pläne

Unterstützung bekam Habeck aus den eigenen Reihen, von Baden-Württembergs grünem Ministerpräsidenten Kretschmann und Grünen-Chef Nouripour. Kretschmann nannte die Eckpunkte "einen schlüssigen und verbindlichen Fahrplan". Genau das sei in der derzeitigen schwierigen Lage angebracht, um einen Stromnetzengpass in Süddeutschland zu verhindern. Im Bund hatte der Ampel-Koalitionspartner FDP bereits moniert, dass Habecks Ankündigungen nicht abgestimmt seien und auch nicht ausreichten, um die angespannte Lage auf dem Strommarkt in den Griff zu bekommen.

Auch Nouripour verwies auf die unsichere Lage im Winter. Die Vorbereitung der Einsatzreserve sei "richtig und notwendig, um die Stromnetzstabilität" zu sichern, egal wie unzuverlässig die Stromproduktion durch AKWs in Frankreich sei. "Sicher und günstig gibt es Strom auf Dauer nur mit den Erneuerbaren", fügte der Grünen-Politiker hinzu.

Lemke: Auch für Einsatzreserve müssen AKW sicher sein

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) trägt die Ankündigung von ihrem Parteikollegen Habeck mit. Die Bundesregierung sichere die Energieversorgung in Deutschland angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine durch verschiedene Maßnahmen ab, erklärte Lemke am Mittwoch. "Dazu gehört unter anderem, dass zwei Atomkraftwerke im Winter noch drei Monate länger betrieben werden können, als bisher geplant, wenn dies notwendig ist", ergänzte sie, betonte aber, dass dafür die hohen Sicherheitsstandards "vollumfänglich gewahrt bleiben" müssten.

Landshuts OB "erleichtert" über Verlängerung

Landshuts Oberbürgermeister Alexander Putz (parteilos) zeigte sich im BR "erleichtert" über Laufzeitzeitverlängerung für das Atomkraftwerk Isar II in Essenbach (Lkr. Landshut). Er sprach von einer "Vernunftentscheidung", denn es wäre "höchst fahrlässig, die Atommeiler am Ende des Jahres abzustellen". Der Strom aus den Atomkraftwerken sei notwendig, um Leistungsschwankungen von erneuerbaren Energien auszugleichen. Putz sagte weiter, er habe "sehr hohes Vertrauen in die Expertise der Menschen, die bei Isar II arbeiten". Der Oberbürgermeister betonte, dass nach seiner Ansicht sogar ein Weiterbetrieb über den April 2023 hinaus notwendig sein werde.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr nannte Habecks Entscheidung einen "richtigen Schritt". Auf Twitter betonte er allerdings: "Jetzt brauchen wir aber auch eine echte Laufzeitverlängerung, denn jede Kilowattstunde zählt." Auch Emsland müsse am Netz bleiben, neue Brennstäbe müssten dafür bestellt werden. "Es geht um mehr als die kommenden Monate", betonte Dürr. Die SPD hält sich in der Frage bislang bedeckt, hat Habecks Kurs aber im Wesentlichen mitgetragen.

Habeck hatte Anfang September den Plan für einen möglichen Reservebetrieb von zwei der drei noch laufenden Atomkraftwerke in Deutschland angekündigt. Der dritte noch aktive Meiler in Niedersachsen (Emsland) soll nicht Teil dieser Notfallreserve sein und fristgerecht zum 31. Dezember abgeschaltet werden. Eine endgültige Entscheidung zum AKW-Weiterbetrieb sei aber noch nicht getroffen. Sie müsse "spätestens im Dezember" fallen, erklärte Habeck.

Mit Material von dpa

Europäische Perspektiven

BR24 wählt regelmäßig Inhalte von unseren europäischen öffentlich-rechtlichen Medienpartnern aus und präsentiert diese hier im Rahmen eines Pilotprojekts der Europäischen Rundfunkunion.