König Charles III. beauftragte Sunak formell mit der Regierungsbildung.
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Neuer britischer Premier - Mammutaufgaben für Rishi Sunak

Neuer britischer Premier - Mammutaufgaben für Rishi Sunak

Rishi Sunak ist neuer britischer Premier. Er versprach mehr Stabilität, kündigte aber auch "schwierige Entscheidungen" an. Auf den 42-Jährigen warten Mammutaufgaben: Die Wirtschaft taumelt auf eine Rezession zu und seine Partei ist tief gespalten.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

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In Indien wird der neue britische Premier – Enkel indischer Einwanderer – gefeiert, in Großbritannien schauen Beobachter mit gemischten Gefühlen auf den erneuten Machtwechsel: Der Tory-Vorsitzende Rishi Sunak ist nun offiziell neuer britischer Premierminister. König Charles III. beauftragte den 42-Jährigen formell mit der Regierungsbildung. Charles ist weniger als zwei Monate im Amt und erlebt bereits seinen zweiten Premier.

Sunak kündigt "schwierige Entscheidungen" an

"Es wurden Fehler gemacht", sagte der frisch ernannte Regierungschef in der Downing Street in seiner ersten Ansprache an die Nation. Er wolle den Schaden reparieren, sagte Sunak. Er versprach seinem Land mehr Stabilität in einer "ernsthaften Wirtschaftskrise". Dafür müssten jedoch auch "schwierige Entscheidungen" getroffen werden. Seine Regierung werde Integrität, Professionalität und Verantwortung zeigen, kündigte Sunak nach Monaten des Regierungschaos an. "Vertrauen muss verdient werden, und ich werde mir Ihr Vertrauen verdienen." Er sei bereit, das Land in die Zukunft zu führen und die Sorgen der Menschen über die Politik zu stellen. "Gemeinsam können wir unglaubliche Dinge erreichen", sagte Sunak in seiner fast sechs Minuten dauernden Rede

Ex-Premier Johnson: "Historischer Tag"

Ex-Premier Boris Johnson gratulierte Sunak und bezeichnete den Amtsantritt als "historischen Tag". Alle Konservativen sollten den neuen Premier "von ganzem Herzen zu unterstützen", schrieb Johnson auf Twitter. Johnson hatte zunächst selbst mit einer erneuten Kandidatur geliebäugelt, sich aber dann am Wochenende doch zurückgezogen, als sich Chaos in der konservativen Fraktion abzeichnete.

Truss wird zum Abschied philosophisch

Die bisherige Regierungschefin Liz Truss hatte am Vormittag ihre letzte Kabinettssitzung abgehalten. Anschließend verteidigte sie in einem Statement ihre gescheiterte Steuerpolitik. "Aus meiner Zeit als Premierministerin bin ich mehr überzeugt denn je, dass wir mutig sein müssen angesichts der Herausforderungen, denen wir uns gegenüber sehen", sagte Truss. Sie glaube noch immer an Wirtschaftswachstum durch niedrige Steuern. Das Land müsse seine "Brexit-Freiheiten" ausnutzen, um Dinge anders anzugehen. Truss zitierte den Philosophen Seneca mit den Worten: "Nicht weil die Dinge schwierig sind, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, sind die Dinge schwierig." Truss wünschte Sunak "allen erdenklichen Erfolg". Die 47-Jährige reichte am Vormittag beim König ihren Rücktritt ein.

Truss musste nach nur sechs Wochen im Amt zurücktreten

Rishi Sunak war am Montag zum neuen Vorsitzenden seiner Konservativen Partei und damit auch zum designierten Premierminister ernannt worden. Seine Vorgängerin Truss musste nach nur sechs Wochen im Amt zurückgetreten, nachdem ein eilig von ihr geschnürtes Entlastungspaket für Panik an den Finanzmärkten gesorgt und sie in ihrer Partei zunehmend an Autorität verloren hatte. Anfang September war Sunak noch im Rennen um die Nachfolge des früheren Premiers Johnson gegen Truss unterlegen.

Dritter Premier in diesem Jahr

Sunak wird der dritte Premierminister Großbritanniens in diesem Jahr. Er ist der erste Hindu und die erste nichtweiße Person in dem Amt. Unter Johnson hatte Sunak das Amt des Schatzkanzlers bekleidet und die angeschlagene britische Wirtschaft durch die Corona-Pandemie gesteuert. Im Juli war er aus Protest gegen den skandalumwitterten Johnson zurückgetreten. Bald darauf gab Johnson unter dem Druck weiterer Abgänge aus seinem Kabinett selbst auf.

Einige Parteimitglieder werfen Sunak deshalb vor, mit seinem Rücktritt für das Aus von Johnson verantwortlich zu sein, der bei der Parteibasis beliebt ist. Zudem sind Parteimitglieder sauer, weil sie sich im Sommer für Truss und gegen Sunak entschieden hatten und diesmal nicht zur Abstimmung gebeten wurden.

"Alptraumhafte Suppe politischer und wirtschaftlicher Düsternis"

Nun fällt Sunak - er ist der jüngste Premier seit mehr als 200 Jahren - die Mammutaufgabe zu, eine auf eine Rezession zutaumelnde Wirtschaft zu stützen und zugleich eine demoralisierte und zutiefst gespaltene konservative Partei zu einen. "Sunak erbt eine alptraumhafte Suppe politischer und wirtschaftlicher Düsternis: eine gespaltene Partei, seit zwölf Jahren an der Regierung, offenbar süchtig nach internen Streitereien, düstere öffentliche Finanzen, steigende Preise und einen Krieg in Europa", kommentierte die BBC.

Schwierige Kabinettsbildung

Eine seiner größten Herausforderung dürfte darin bestehen, die Reihen in seiner tief gespaltenen Partei wieder zu schließen. "Sunaks Schwierigkeiten werden beginnen, wenn er versucht, ein Kabinett zu nominieren, das die verschiedenen Strömungen innerhalb der Partei widerspiegelt", sagte der Politologe Mark Garnett der Deutschen Presse-Agentur. Denn in diesem Falle müsse Sunak einige prominente Minister feuern, die noch von Johnson oder Truss eingesetzt worden waren. "Das wird die Zahl seiner Feinde in der Fraktion nur noch erhöhen."

Auch parteiinterne Kritiker sollen ins Kabinett

Mit Spannung wird erwartet, wen Sunak nun in sein Kabinett beruft. Da die Regierung bereits kommende Woche ihre Finanzpläne vorlegen will, dürfte der frisch berufene Finanzminister Jeremy Hunt im Amt bleiben. Als Kandidaten für Kabinettsposten gelten zudem die Sunak-Unterstützer Dominic Raab, Stellvertreter des damaligen Premiers Johnson, Mel Stride oder Victoria Atkins. Erwartet wird zudem, dass Sunak - anders als Truss - in einem Versuch, die Konservative Partei zu versöhnen, auch auf parteiinterne Kritiker setzen wird. Einen wichtigen Posten könnte Penny Mordaunt bekommen, die sich ebenfalls um das Premierminister-Amt beworben, aber nicht ausreichend Unterstützung in der Fraktion erhalten hatte. Mit ersten Entscheidungen wird noch heute gerechnet.

Wirtschaft lobt Sunak als "ruhige Hand"

Die Wirtschaft reagierte dagegen positiv auf die Kür des früheren Schatzkanzlers, der als "ruhige Hand" gilt und für seine Maßnahmen in der Corona-Pandemie sehr gelobt wurde. Damals hatte er unter anderem ein "Furlough" genanntes Programm aufgelegt, das der deutschen Kurzarbeit ähnelt und zahlreiche Jobs rettete. Der Präsident der Britischen Handelskammer in Deutschland (BCCG), Michael Schmidt, forderte, Sunak müsse nun Lösungen für die drängenden Herausforderungen präsentieren, um das Vertrauen bei der Bevölkerung, der Wirtschaft und den internationalen Partnern zurückzugewinnen.

Spannend wird zudem sein, ob Sunak im Streit mit der EU um Brexit-Sonderregeln für Nordirland weiter auf Eskalation setzen wird. EU-Ratschef Charles Michel erinnerte Sunak an den Wert von Kooperation und Stabilität. "Nur gemeinsam können wir uns den gemeinsamen Herausforderungen stellen... und Stabilität ist der Schlüssel, sie zu bewältigen", twitterte Michel.

Image als reicher Schnösel

In der Bevölkerung hat Sunak indes mit einem Image als reicher Schnösel zu kämpfen, der kein Verständnis habe für die Sorgen der von rasant steigenden Lebenshaltungskosten getroffenen Briten. Während seiner früheren Tätigkeit als Banker hat Sunak ein stattliches Vermögen angehäuft, verheiratet ist er mit Akshata Murty, Tochter des indischen IT-Tycoons und Milliardärs Narayana Murty. Sunak ist reicher als der Monarch im Buckingham Palast.

Besonders sauer stieß Wählern Umfragen zufolge auf, dass Sunaks Frau Murty sich erst vor kurzer Zeit dazu durchrang, in Großbritannien Steuern auf ihre Gewinne durch Infosys zu zahlen. Angesichts der Vorbehalte besteht Sunak darauf, dass sowohl die Erfahrungen seiner eigenen Familie, als auch die seiner reichen Frau auf einer "sehr konservativen" Geschichte von harter Arbeit gründeten.

Opposition fordert vorgezogene Parlamentswahlen

Die Opposition forderte unterdessen vorgezogene Parlamentswahlen und scheint damit einen Nerv zu treffen. Das Meinungsforschungsinstitut Ipsos ermittelte, dass knapp zwei Drittel der Britinnen und Briten noch in diesem Jahr eine Neuwahl wollen. Die nächste reguläre Abstimmung muss spätestens im Januar 2025 stattfinden. Sunak schloss eine vorgezogene Wahl aus. Umfragen sehen die Tories weit abgeschlagen hinter der stärksten Oppositionspartei Labour.

Indisches TV: "Indiens Sohn erhebt sich über das Kolonialreich"

In Indien wird der neue britische Premier dagegen gefeiert: Ein britischer Premier mit indischen Wurzeln, der sich ausgerechnet am Tag des hinduistischen Lichterfests Diwali durchsetzen konnte: Indiens Premierminister Narendra Modi gratuslierte dem 42-Jährigen via Twitter. "Spezielle Diwali-Wünsche zur 'lebenden Brücke' von britischen Indern, während wir unsere historischen Bindungen in eine moderne Partnerschaft verwandeln", twitterte Modi. Das Lichterfest Diwali symbolisiert den Sieg des Guten über das Böse. Der örtliche Fernsehsender NDTV feierte Sunak mit den Worten: "Indiens Sohn erhebt sich über das Kolonialreich." Viele Menschen in Indien feierten in den sozialen Netzwerken eine Quasi-Umkehr der Machtverhältnisse - Indien machte sich vor 75 Jahren von der britischen Kolonialherrschaft unabhängig.

Mit Informationen von dpa, AFP, AP

Rishi Sunak ist von König Charles III offiziell ernannt und mit der Regierungsbildung beauftragt worden.
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