Im oberbayerischen Tegernsee zeigt die Auswertung von Mobilfunkdaten, dass das verträgliche Maß an Besuchern regelmäßig weit überschritten wird. Den Zugang ab einer bestimmten Zahl beschränken, will Bürgermeister Johannes Hagn aber nicht. Da steht schon der Status der Bundesstraße dagegen, die durch das Tegernseer Tal führt.
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Aber: "Wir wollen die Straßen nicht weiter ausbauen, wir wollen keine weiteren Parkplätze schaffen. In der Tat haben wir in Tegernsee sogar Parkplätze abgebaut", erklärt Johannes Hagn. Ähnlich gehen die Gemeinden im Allgäu vor: Oberstdorf hat die Parkmöglichkeiten im Ort reduziert, beliebte Ausflugsziele wie der Alatsee oder Hinterstein verfügen bereits über ein Parkplatzmanagement.
Ausflugsticker soll Besucherströme lenken
Genauso wie das Allgäu setzt auch der Tourismusverband Oberbayern dabei auf den Ausflugsticker Bayern, der die Besucherströme in Zukunft maßgeschneidert verteilen soll. Im Idealfall informieren sich alle Ausflügler vor dem Start zuhause online über die Bedingungen am geplanten Zielort und ändern die Pläne, wenn sich abzeichnet, dass das Ziel überfüllt sein wird.
An einzelnen Orten und Seitentälern im Allgäu sorgt schon jetzt bereits ein digitales Parkplatzmanagement dafür, dass Engpässe schon am Taleingang angezeigt werden. Fraglich ist aber, wie sehr es Gäste davon abhält, ihr beabsichtigtes Ziel anzusteuern, wenn sie erst einmal vor Ort sind. Daher soll die Steuerung digitalisiert und ausgebaut werden.
Lieber keine Bettenobergrenze
Gegen eine staatliche Obergrenze der Hotelbetten sprechen sich die bayerischen Touristiker genauso aus wie Bürgermeister Johannes Hagn am Tegernsee: Die Gemeinden hätten es schließlich selbst in der Hand und wüssten es am besten, sagt er. Sie könnten die Zahl der Hotelbetten über das Baurecht und die Bebauungspläne steuern.
In Tegernsee gingen alle großen Hotelprojekte noch auf die Amtszeit des Vorgängers zurück. So kann allerdings die Konkurrenz der Gemeinden untereinander zu einem Überbietungswettbewerb führen. Im Vergleich zu Südtirol ist die Bettendichte in den bayerischen Alpenlandkreisen allerdings auch deutlich geringer.
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Eine schonungslose Bilanz
Das Südtiroler Tourismuskonzept beleuchtet aber überhaupt einmal die Schattenseiten: von Lärm und Abgasen bis zum Straßenverkehr und den Immobilienpreisen, betonen bayerische Tourismuswissenschaftler. Der bekannte Alpenforscher Werner Bätzing urteilt: "Ich finde es erst einmal gut, dass in einem solchen Konzept die Situation schonungslos offengelegt wird und ich würde mir wünschen, dass man so etwas auch in Bayern und in anderen Alpenregionen machen würde."
Fachkollege Alfred Bauer, Tourismusprofessor an der Hochschule Kempten, betont auch die politische Dimension des Konzepts: "Das, was jetzt in Südtirol passiert, ist etwas, das auch in Bayern flächendeckender passieren muss. Dass sich die Kommunen Gedanken machen, in welche Richtung wollen wir es entwickeln. Und abgestimmt, dass Infrastruktureinrichtungen nicht in jedem Ort aufgebaut werden müssen. Was letzten Endes wieder mit den politischen Entscheidungen zusammenhängt und den Förderungen."
Internet-Tool für verträglichen Tourismus
Für Tourismusorte und Unternehmer hat das Bayerische Zentrum für Tourismus auch ein Internet-Tool entwickelt, mit dem die Sozial- und Umweltverträglichkeit von touristischen Vorhaben analysiert werden kann. Untersuchungen der Wissenschaftler um Alfred Bauer haben auch ergeben, dass die bayerische Bevölkerung mehr einbezogen werden will in der zukünftigen Entwicklung.
Und: Von der Wissenschaft bis in die Gemeinden besteht große Einigkeit, dass der öffentliche Nahverkehr dringend besser werden muss. Allen Akteuren ist klar, dass es ein einfaches Weiter-So nicht geben kann. Bayern setzt dabei auf die kommunale Selbstverwaltung und sanfte Lenkungskonzepte wie den Ausflugsticker. Ob das ausreicht, wird sich in der nächsten Hochsaison zeigen.
Programmhinweis: Sehen Sie dazu auch unsere Sendung "DokThema" am 26. Oktober um 22 Uhr im BR-Fernsehen.
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