Demonstranten mit Israel-Fahnen vor dem Brandenburger Tor.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Monika Skolimowska

Demonstration gegen Antisemitismus in Berlin am 22.10.2023.

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Angehörige von Hamas-Geisel bei Demo: "Zeit läuft ab"

Tausende demonstrieren in Berlin für Israel und die Opfer der Hamas: Angehörige von Geiseln schildern ihren Schmerz und fordern den Schutz des Lebens ihrer Lieben. Parteiübergreifend beschwören Politiker und Teilnehmer die Solidarität mit Juden.

Über dieses Thema berichtet: Nachrichten am .

Tausende Menschen haben in Berlin gegen Antisemitismus und für Solidarität mit Israel demonstriert. Mit eindringlichen Worten schilderten Angehörige von Geiseln der islamistischen Terrororganisation Hamas ihren Schmerz und forderten die Befreiung der Verschleppten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief auf der Demo zum Schutz des jüdischen Lebens in ganz Deutschland auf.

Steinmeier: "Antisemitismus ist eine rote Linie"

Bundespräsident Steinmeier sagte vor den Demonstrierenden in Berlin, der Schutz jüdischen Lebens sei Staatsaufgabe - "aber er ist auch Bürgerpflicht". Ausdrücklich bat Steinmeier "alle Menschen in unserem Land, diese Bürgerpflicht auch anzunehmen". Angesichts antisemitischer Ausschreitungen der vergangenen Tage nannte er es "unerträglich, dass Jüdinnen und Juden heute wieder Angst haben – ausgerechnet in diesem Land".

Steinmeier betonte, es sei unerträglich, dass jüdische Eltern ihre Kinder nicht mehr in die Schule schickten und das Berliner Holocaust-Mahnmal von der Polizei geschützt werden müsse. "Jeder einzelne Angriff auf Jüdinnen und Juden, auf jüdische Einrichtungen ist eine Schande für Deutschland." Israel-Hass, der sich auf den Straßen entlade, dürfe nicht geduldet werden. "Antisemitismus ist eine rote Linie."

Geburtstagslied für Geisel

Viele Demonstrierende hatten Tränen in den Augen, als die Angehörige Roni Roman ein Geburtstagslied für ihre Schwester anstimmte, die mit ihrem Kind von der Hamas entführt worden war: "Heute ist der Geburtstag meiner Schwester", erklärte sie, "ich stehe hier vor Ihnen alleine, ich weiß nicht, wo sie ist, ich kann sie nicht in die Arme nehmen". Und weiter: "Die Zeit läuft ab für meine Schwester und mehr als 200 Menschen, die in Gaza gefangen gehalten werden."

Yoni Asher, dessen Töchter und Frau entführt wurden, sagte: "Ich möchte meiner Tochter und meiner Frau sagen: Haltet durch, bitte, Euer Vater liebt Euch, habt keine Angst, umarmt einander. Unsere Liebe wird gewinnen und Ihr werdet wieder in meine Arme zurückkehren."

Steinmeier rief den Angehörigen der Geiseln zu: "Wir Deutschen leiden, wir beten, wir flehen mit Euch." Die Deutschen wollten alles für die Freilassung der Geiseln tun. An die Geiselnehmer appellierte Steinmeier, die unschuldigen Menschen freizulassen.

Demonstration gegen Antisemitismus in Berlin am 22.10.2023.
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Demonstration gegen Antisemitismus in Berlin am 22.10.2023.

Viele israelische Fahnen

Zahlreiche Demonstrierende schwenkten israelische Flaggen, zu sehen waren auch iranische und kurdische Fahnen, auch Transparente mit Aufschriften wie "Schluss mit dem Terror gegen Juden!". Zu lesen war auch: "Ich trauere mit den Angehörigen der israelischen Opfer - und der zivilen Opfer unter den Palästinensern." Einige Teilnehmer hielten Fotos von Geiseln hoch. Die Veranstalter sprachen von 25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die Berliner Polizei, die mit einem massiven Aufgebot vor Ort war, von 10.000. Besondere Vorkommnisse oder Störungen gab es nicht, wie eine Sprecherin am Nachmittag sagte.

Botschafter warnt vor Ausbreitung des Terrors

Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, warnte vor einer Ausbreitung des Terrors. Oft werde vor einem Flächenbrand durch den Nahostkonflikt gewarnt, sagte Prosor. Aber auch in Deutschland müsse ein Flächenbrand verhindert werden, "sonst kommt der Terror aus dem Gazastreifen auch in Deutschland an".

Prosor kündigte an: "Wir müssen jetzt im Gazastreifen die gesamte Infrastruktur des Terrors beseitigen - und wenn wir das tun, möchte ich wirklich kein 'Ja, aber' mehr hören." Prosor weiter: "Diesmal müssen wir bis zum Ende gehen." Steinmeier betonte: "Israel hat das Recht, sich gegen diesen Terror zu verteidigen. Und Deutschland steht dabei fest an Israels Seite." Gleichzeitig treffe der Terror auch Menschen in Gaza.

Parteiübergreifende Solidarität

Mehrere Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Politik beschworen parteiübergreifend den Beistand für Israel. SPD-Chefin Saskia Esken warnte aber auch: "Wir dürfen weder in Deutschland noch in Israel zulassen, dass Rechtsradikale das Entsetzen über den Terror der Hamas in einen fundamentalen Hass gegen den Islam wenden." Die vielen Muslime, die friedlich in Deutschland lebten, "haben diesen Hass nicht verdient", so Esken.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte: "Es darf keine Demos geben, auf denen die Taten der Hamas gefeiert werden." Die Einwanderung von Antisemiten müsse unterbunden werden. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte, klar sein müsse, "dass Menschen, die unsere Werte ablehnen, hier nichts zu suchen haben". Grünen-Chef Omid Nouripour betonte: "Wer Freiheit für die Palästinenser will, der muss doch darauf hinwirken und die Stimme erheben, (...) damit die Menschen in Gaza Menschenrechte haben und befreit werden von der Hamas und vom Terror."

Bundeskanzler Scholz: "Jüdisches Leben ist und bleibt ein Teil Deutschlands"

Bereits wenige Stunden vor der Demonstration hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Einweihung einer neu erbauten Synagoge in Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt betont: "Jüdisches Leben ist und bleibt ein Teil Deutschlands. Es gehört hierher." Deutschland werde alles tun, um jüdisches Leben zu schützen und zu stärken. Es empöre ihn zutiefst, wie "antisemitischer Hass und menschenverachtende Hetze" sich seit den Terrorattacken der Hamas auch in Deutschland Bahn brächen, sagte Scholz, der bei der Veranstaltung eine Kippa trug.

Auch pro-palästinensische Demonstrationen in Deutschland

Auch pro-palästinensische Demonstrationen gab es in deutschen Städten. In Düsseldorf versammelten sich nach Polizeiangaben rund 6.900 Menschen zu einem Protestzug unter dem Motto "Verurteilung der Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung in Gaza". Dort wurden mehrere Strafanzeigen gestellt - unter anderem wegen Volksverhetzung und dem Aufruf zu Straftaten.

In Berlin kamen laut Polizei bis zu 3.500 Menschen zusammen. Demonstrationen gab es auch in Frankfurt am Main, Hannover, Münster und Köln. Die Veranstaltungen blieben weitgehend friedlich. In Berlin registrierte die Polizei allerdings mehrere Attacken auf israelische Fahnen sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz. In Köln gab es von Freitagabend bis Sonntag elf Demonstrationen und Kundgebungen, die den aktuellen Konflikt im Nahen Osten zum Thema hatten. Laut der Polizei verliefen die Versammlungen bis zum Sonntagmittag ohne besondere Vorfälle.

Video zur aktuellen Situation am Sonntag in Nahost:

Blick auf eine Moschee, von der aus die Hamas Terror geplant haben soll.
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

An der Grenze zum Libanon kämpft die israelische Armee gegen die Hisbollah-Miliz.

Mit Informationen von dpa und epd.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der neue BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!