Nach dem Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi bei einem Hubschrauberabsturz hat der Oberste geistliche Führer des Landes den Ersten Vizepräsidenten Mohammad Mochber zum amtierenden Präsidenten ernannt. Ajatollah Ali Chamenei teilte dies in einer Beileidsbekundung zum Tod von Raisi mit. Binnen 50 Tagen muss laut Verfassung eine Präsidentenwahl angesetzt werden. Khamenei kündigte in der Botschaft auch fünf Tage Staatstrauer an. Am Montagabend meldeten iranische Staatsmedien, die Wahl sei für den 28. Juni angesetzt.
Der abgestürzte Hubschrauber wurde am Montag im Nordwesten des Irans gefunden. An Bord befanden sich neben dem 63-jährigen Raisi auch Außenminister Hossein Amirabdollahian und weitere Personen. Über die Absturzursache ist bislang nichts bekannt, während des Fluges herrschten allerdings widrige Wetterbedingungen.
Mochber: Apparatschik der islamischen Republik
Der 68 Jahre alte Mochber ernannte am Montag den iranischen Atomunterhändler Ali Bagheri Kani zum Statthalter im Außenministerium, wie das staatliche Fernsehen Kabinettssprecher Ali Bahadori Dschahromi zitierte.
Mohammad Mochber wurde 1955 in Dezful in der iranischen Provinz Khuzestan geboren. In der schiitischen Theokratie des Irans wirkte er bislang weitgehend im Hintergrund, hatte aber innerhalb der Machtstruktur dennoch wichtige Positionen inne, besonders bei den als Bonyads bekannten wohltätigen Stiftungen. Sie wurden aus Spenden oder Vermögenswerten gespeist, die nach der Islamischen Revolution im Iran 1979 beschlagnahmt wurden, insbesondere aus solchen, die zuvor mit dem Schah oder seinen Regierungsmitgliedern in Verbindung standen.
EU und USA: Internationale Sanktionen gegen Mochber
Mochber stand einem Bonyad vor, der im Englischen als Execution of Imam Khomeini's Order (Eiko) bekannt ist, ein Bezug auf den verstorbenen Obersten Führer Ajatollah Ruhollah Chomeini. Laut US-Finanzministerium überwachte die Organisation Vermögenswerte in Milliardenhöhe als "Geschäftskonglomerat unter der direkten Aufsicht des Obersten Führers Ali Chamenei, das an fast jedem Sektor der iranischen Wirtschaft beteiligt ist, einschließlich Energie, Telekommunikation und Finanzdienstleistungen".
Eiko habe systematisch die Rechte von Dissidenten verletzt, indem es Land und Eigentum von Regimegegnern beschlagnahmt habe, "darunter politische Gegner, religiöse Minderheiten und Exil-Iraner", erklärte das US-Finanzministerium 2021 bei der Verhängung von Sanktionen gegen Mochber. Auch die EU hatte Mochber zusammen mit anderen wegen damaliger Bedenken über das iranische Atomprogramm zeitweise mit Sanktionen belegt.
Russland-Diplomatie und Corona-Impfstoff
Außenpolitisch größer in Erscheinung getreten war Mochber im Oktober als Teil einer iranischen Delegation bei einem Moskau-Besuch, bei dem die beiden mit Sanktionen belegten Staaten über einen Ausbau ihrer Zusammenarbeit sprachen. Insidern zufolge erklärte sich der Iran damals bereit, weitere Drohnen und Boden-Boden-Raketen zu liefern, die Russland im Krieg gegen die Ukraine einsetzt.
Während der Corona-Pandemie war Mochber auf Auftrag Ayatollah Ali Chameneis mit der Aufsicht der Entwicklung eines iranischen Covid-Impfstoffs beauftragt. Im Dezember 2020 war Mochbers Tochter Tayyebeh eine der ersten Personen, die öffentlichkeitswirksam mit dem iranischen Impfstoff geimpft wurden.
Keine Überraschungen bei Neuwahlen zu erwarten
Iranischen Medienberichten zufolge war Mochber, der einen Doktortitel in internationalem Recht hat, entscheidend an iranischen Bemühungen beteiligt, die westlichen Sanktionen gegen die iranische Ölindustrie zu umgehen. Mochber ist seit 2022 Mitglied des iranischen Rats für Zweckmäßigkeit, der den Obersten Führer berät und Streitigkeiten zwischen dem Parlament und dem Wächterrat schlichtet, Irans auch für die Überwachung von Wahlen zuständige verfassungsrechtliche Aufsichtsbehörde. Wahlen im Iran sind alles andere als demokratisch organisiert.
Bei Präsidentschafts- und Parlamentswahlen kommt es regelmäßig zu einer strikten Aussortierung durch den Wächterrat, Hauptzulassungskriterium ist die Systemtreue. Auch bei den nun anstehenden Neuwahlen dürfte es, was die politische Ausrichtung der zukünftigen Regierung angeht, keine Überraschungen geben. Ob Mochber selbst als Präsidentschaftskandidat ins Rennen geht, ist noch völlig offen. Die nächste Präsidentenwahl soll Ende Juni stattfinden.
Beobachter erwarten politische Krise im Iran
Mit Raisis Tod dürfte ein heftiger Machtkampf ausbrechen, schrieb der Iran-Experte Arash Azizi in einer Analyse für die US-Zeitschrift "The Atlantic". Raisis Passivität habe Herausforderer unter den Hardlinern ermutigt. Sie würden seine schwache Präsidentschaft als Chance sehen. "Der Tod von Raisi würde das Machtgleichgewicht zwischen den Fraktionen innerhalb der Islamischen Republik verändern", hieß es noch bevor iranische Staatsmedien Raisis Tod bestätigten.
Bei den Parlamentswahlen im März hat sich zudem erneut ein Lager fundamentalistischer und konservativ-religiöser Politiker durchgesetzt, die auch Raisi nahestehen. Diese bisher eher unbekannten Abgeordneten könnten versuchen, mehr politischen Einfluss zu gewinnen. Moderate Politiker des Reformlagers wurden jüngst immer schwächer, auch weil der Wächterrat - ein mächtiges Kontrollgremium, besetzt mit erzkonservativen Gelehrten - ihre Kandidaturen immer stärker einschränkte.
Mit Informationen von dpa, AP, Reuters, AFP
Beitrag zum Hören: Raisi stirbt bei Hubschrauberabsturz
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