Nach Kräften bemühen sich die pro-westliche Staatspräsidentin Maia Sandu und der neue Regierungschef der Republik Moldau, Dorin Recean, darum, das 2,6-Millionen-Einwohner-Land zwischen Rumänien und der Ukraine unbeschadet durch die bislang schwerste Krise zu bringen.
Eine extrem hohe Inflation von über 30 Prozent, drastisch gestiegene Heiz- und Energiekosten und die Aufnahme von ukrainischen Geflüchteten sind nur einige der wirtschaftlichen und sozialen Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine für die Bevölkerung der Republik Moldau, des ärmsten europäischen Staates.
Diese Herausforderungen wären schon gravierend genug. Doch seit mehreren Wochen nehmen die düsteren Drohungen und Warnungen Moskaus an die Adresse Moldaus in einem Ausmaß zu, dass mittlerweile offen über die Gefahr eines von Russland inszenierten Staatsstreichs gesprochen wird. Staatspräsidentin Sandu weist Anschuldigungen Russlands zurück.
Faktisch geteiltes Moldau
Die ehemalige Sowjetrepublik, die vormals vernachlässigt am äußeren Rand der UdSSR lag, muss seit ihrer staatlichen Unabhängigkeit 1991 zweigeteilt existieren: Nach Kämpfen mit Separatisten im Frühsommer 1992 hatte Moskau "Friedenstruppen" nach Moldau geschickt. Die abtrünnige moldawische Enklave Transnistrien entstand, die nur von Russland anerkannt wird. Seitdem sind russische Soldaten dort stationiert, derzeit schätzungsweise rund 3.000.
Nach Überfall Russlands auf Ukraine will Moldau in EU
Um jeden Konflikt mit Russland auszuschließen, erklärte Moldau 1994 seine Neutralität und hält daran bis heute fest. Die gesamte Gas- und Stromversorgung Moldaus hing bis zum Krieg zu 100 Prozent von russischen Lieferungen des Gazprom-Konzerns ab, die über Transnistrien erfolgten.
Wenige Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine stellte Moldau, zeitgleich mit der Ukraine, den Aufnahmeantrag bei der Europäischen Union. Seitdem erfährt die Republik Moldau von den EU-Staaten finanzielle und außenpolitische Unterstützung – ein proeuropäischer Kurs, den Moskau verhindern will.
Vom Kreml gelenkte Proteste?
Im November letzten Jahres kam es in der Hauptstadt Chisinau zu Protesten gegen die Regierung, der vorgeworfen wurde, zu wenig gegen die rasant steigenden Energie- und Lebenshaltungspreise zu tun. Die moldawische Präsidentin Sandu, die 2020 mit absoluter Mehrheit zum ersten prowestlichen Staatsoberhaupt gewählt worden war, machte für die Demonstrationen kremlnahe Kräfte verantwortlich. Insbesondere erwähnte sie einen Oligarchen, der wegen millionenschweren Betrugs verurteilt worden war und eine eigene, nach ihm benannte Partei gegründet hat: Ilan Shor. Es handele sich um Versuche, das Land zu destabilisieren.
Nach dem Abflauen der Proteste kehrte für einige Wochen eine trügerische Ruhe ein. Erst als die Staatspräsidentin sich Mitte Februar mit der Nachricht an die Öffentlichkeit wandte, sie sei vom ukrainischen Staatspräsidenten Selenskyj über potentielle Umsturzpläne Moskaus informiert worden, flammten die Proteste wieder auf. Russland plane, mit ausländischen Saboteuren die Führung ihres kleinen Landes zu stürzen, um somit Moldau daran zu hindern, in die EU aufgenommen zu werden, sagte die Präsidentin. Die Absichten des Kremls, "Gewalt nach Moldau zu bringen", würden keinen Erfolg haben. "Unser Ziel ist Frieden und öffentliche Ordnung im Land."
Neue Drohungen Moskaus
Nahezu postwendend warf der Kreml der Ukraine vor, in Moldau einen Umsturz initiieren zu wollen. Präsident Putin unterzeichnete vor einer Woche in einem kaum beachteten Akt ein Dekret, in dem die langjährige Zusicherung Russlands aufgehoben wurde, die "Transnistrien-Frage" friedlich und unter Wahrung der "Souveränität und territorialen Integrität" Moldaus zu lösen.
Anfang dieser Woche dann drohte Kreml-Sprecher Peskow "dem Westen": Jede Art von Aktion, die die russischen Soldaten in Transnistrien gefährden würde, werde als Angriff auf die Russische Föderation betrachtet. Die Lage in Transnistrien werde von Moskau mit der "größten Aufmerksamkeit" und Besorgnis verfolgt. Ausländische Kräfte würden provozieren und die Situation anheizen.
Einen Tag später, am Dienstag, wurden Demonstranten aus allen Landesteilen mit Bussen in die Hauptstadt Chisinau transportiert, erhielten Fahnen und Plakate mit Friedenstauben und skandierten, Staatspräsidentin Sandu müsse zurücktreten. Einer der Initiatoren der Demo: die Shor-Partei.
Video: Euroblick - Moldau in Angst vor Russland
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