Regierungssprecher Steffen Hebestreit erwartet, dass die Grünen einer bundesgesetzlichen Regelung für die geplante Bezahlkarte für Asylbewerber doch noch zustimmen. Er gehe davon aus, dass die Grünen die Formulierungshilfe aus dem Bundesarbeitsministerium mittrügen, sagte Hebestreit am Montag. Diese werde im Kabinett beschlossen und dann im Bundestag behandelt. "Die Gesetzeseinigung, um die es geht, die ist so schmal, da fehlt mir der Glaube, dass das so viel Streit geben sollte."
SPD und FDP machen Druck
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten hätten dafür ein ganz klares Verfahren vereinbart, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert in Berlin. Die Bundesregierung habe zugesichert, die notwendigen gesetzlichen Änderungen vorzunehmen. Er erwarte von allen drei Regierungsparteien, "dass sie jetzt auch zu diesem gefundenen Kompromiss stehen". Sie müssten ihren Gremien und Fraktionen "deutlich vermitteln, dass man jetzt keine Nachverhandlungen mehr an dieser Einigung vornehmen kann".
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte, es habe eine Einigung innerhalb der Koalition sowie mit den Ländern gegeben. Umso ärgerlicher sei es, wenn nun ein Koalitionspartner meine, er müsse sich querstellen. Das schade nicht nur der Koalition, es gehe auch um die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung. "Von daher ist das ein wahnsinnig ärgerlicher Vorgang. Diese Haltung ist nicht zielführend. Und dementsprechend muss das auch schnell korrigiert werden."
Grüner Vize-Fraktionschef Audretsch: "Änderungen nicht nötig"
Der Vize-Fraktionschef der Grünen, Andreas Audretsch, hatte am Wochenende erklärt, es sei gemeinsame Haltung in der Koalition gewesen, dass die Länder die Bezahlkarte rechtssicher einführen können sollten. Verschiedene Länder täten dies bereits. "Änderungen sind deshalb nicht nötig und nicht verabredet", so Audretsch.
"Ich kann, um ehrlich zu sein, die Aufregung in dieser Debatte nicht ganz nachvollziehen", sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Montag in Berlin. In der Realität laufe die Einführung bereits. Hamburg und Bayern hätten Karten auf den Weg gebracht und der Ausschreibungsprozess der übrigen vierzehn Bundesländer laufe.
Grüne Jugend nennt Bezahlkarte Schikane
Die Grüne Jugend hofft auf Standhaftigkeit und forderte am Dienstag Parteimitglieder auf, gegen die Einführung von Bezahlkarten zu stimmen. "Grüne - insbesondere in den Ländern - sind gut beraten, diese Schikane nicht mitzutragen, wenn sie wirklich an der Seite der Schwächsten der Gesellschaft stehen wollen", sagte die Co-Chefin der Grünen-Nachwuchsorganisation, Katharina Stolla, der dpa in Berlin. Die Karte beschneide die Selbstbestimmung von Geflüchteten. "Es ist scheinheilig, die angeblich fehlende Integrationsbereitschaft von Geflüchteten zu bemängeln, aber sie dann durch solche Maßnahmen selbst aktiv vom gesellschaftlichen Leben auszuschließen."
Merz übt scharfe Kritik an der Ampel
CDU-Chef Friedrich Merz sieht dennoch eine Uneinigkeit in der Regierung bei der Eindämmung der irregulären Migration. "Die Grünen blockieren alles, was in ihren Möglichkeiten steht, auch gegen die Verabredungen in der Koalition, was zu einer schnelleren Lösung dieses Problems beiträgt."
Merz mahnte: "Solange der Magnet Deutschland nicht abgeschaltet wird, werden wir hier das Problem in Deutschland nicht lösen." Die Verantwortung dafür trage Bundeskanzler Scholz, der es zulasse, dass Beschlüsse nicht vollständig umgesetzt würden.
Dobrindt kritisiert ideologische Politik
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der dpa: "Die Blockade der Grünen bei der Bezahlkarte zeigt: Die Grünen wollen die Pullfaktoren der illegalen Migration nicht reduzieren, sondern aufrechterhalten. Mit dieser ideologischen Politik treiben die Grünen die Überforderung der Kommunen und die Polarisierung in der Gesellschaft immer weiter auf die Spitze." Scholz müsse endlich ein Machtwort sprechen und dafür sorgen, dass die Ampel jetzt eine klare gesetzliche Regelung für die Bezahlkarte schaffe.
Bezahlkarte: Vergabeverfahren bis Sommer fertig?
14 von 16 Bundesländern hatten sich Ende Januar auf ein gemeinsames Vergabeverfahren zur Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber geeinigt, das bis zum Sommer abgeschlossen sein soll. Mit der Karte soll unter anderem verhindert werden, dass Migranten Geld an Schlepper oder an ihre Familie oder Freunde ins Ausland überweisen. Asylbewerber sollen damit künftig vorrangig Sach- statt Geldleistungen erhalten. Befürworter versprechen sich davon geringere finanzielle Anreize für Migranten, Deutschland als Asylsuchende anzusteuern.
Regierungssprecher Hebestreit sagte, aus dem Kreis der Bundesländer sei der dringende Wunsch gekommen, die Bezahlkarte rechtssicher zu gestalten und dazu eine schmale Gesetzesänderung als Klarstellung auf den Weg zu bringen. Dazu gebe es nun die besagte Formulierungshilfe.
Lang: "Wir stehen zu dieser Koalition bis 2025"
Grünen-Chefin Lang erklärte auf Nachfrage, sie habe keine Sorge, dass die FDP die Koalition mit SPD und Grünen nicht fortführen wolle. Dazu gebe es keinen Anlass. "Warum sollte eine Partei gerade aus der Koalition austreten? Ich habe immer gesagt: Wir stehen zu dieser Koalition bis 2025. Und ich gehe davon aus, dass es bei allen Parteien der Fall ist."
FDP-Vize Wolfgang Kubicki hatte zuvor mit dem Bruch der Koalition gedroht und der "Bild"-Zeitung gesagt: "Sollten die Grünen diesen minimalinvasiven Eingriff in das Asylbewerberleistungsgesetz tatsächlich torpedieren, stellt das die Fortsetzung der Koalition infrage."
Mit Informationen von dpa
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