"Dieser Schritt ist folgerichtig": So hat es Emily Büning ausgedrückt, die Bundesgeschäftsführerin der Grünen. Und auch Parteichef Omid Nouripour äußerte sich umgehend zur Entscheidung von Boris Palmer, die Partei zu verlassen. "Respektabel" sei dieser Schritt, betont Nouripour.
Nouripour: "Wünsche ihm ein gutes Leben"
Der Grünen-Chef verwies im Morgenmagazin von ARD und ZDF darauf, dass es ja bereits ein Schiedsgerichtsverfahren gegen Palmer gegeben habe, wegen "vieler Diskussionen" um ihn. "Dass er jetzt selbst die Reißleine zieht", respektiere er, so Nouripour, und: "ich wünsche ihm ein gutes Leben".
Klingt, als wolle er nie wieder etwas zu tun haben mit dem Ex-"Parteifreund" Boris Palmer, der schon in der Vergangenheit immer wieder angeeckt war - mit ziemlich provokanten und rassistischen Äußerungen. Das "N-Wort" und Palmers Vergleich mit dem "Judenstern" haben letztlich ein Fass überlaufen lassen, das schon bis zum Rand gefüllt war. Dass Boris Palmer jetzt von selbst geht, dürfte für die Grünen wie ein Befreiungsschlag sein, auch auf regionaler Ebene. Vom Tübinger Kreis- und Stadtverband der Grünen hieß es: "Angesichts der jüngsten Ereignisse halten wir den Austritt für einen konsequenten Schritt."
Kretschmann: "Ziemliches Drama zu Ende"
Palmer selbst dürfte sich am ehesten über die Reaktion von Winfried Kretschmann freuen, dem grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg: "Persönlich tut es mir leid um diesen klugen Kopf, der unsere Partei über eine sehr lange Zeit streitbar bereichert hat." Allerdings betonte auch Kretschmann, mit Palmers Austritt sei "ein ziemliches Drama zu Ende gegangen".
In der bayerischen Staatsregierung hält man sich bisher bedeckt, was den jüngsten Schritt von Boris Palmer angeht. Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger allerdings hatte sich im Vorfeld auf Twitter geäußert. Nach seinen Worten war Palmers grünes Parteibuch nichts weniger als dessen "politische Lebensversicherung".
Gewisses Verständnis für Palmer kommt derweil aus Unterfranken, vom grünen Landrat des Landkreises Miltenberg, Marco Scherf. Er appellierte an seine Partei, "die Grünen sollten die Tür nicht dauerhaft verschließen". Das sei ihm ein Anliegen, so Scherf gegenüber der dpa.
Im März hatte sich Scherf - gemeinsam mit Palmer - an Bundeskanzler Olaf Scholz gewandt, mit einem Appell zur Flüchtlingspolitik. Beide forderten, die Zahl der an die Kommunen verteilten Geflüchteten deutlich zu verringern. Scherf machte aber auch klar, dass er den "Judenstern"-Vergleich von Palmer für "vollkommen absurd" halte. Er sei sich ganz sicher, dass das auch die Überzeugung von Boris Palmer sei.
Wie geht es jetzt weiter in Tübingen?
Klar ist: Palmer nimmt erstmal eine Auszeit. In einer persönlichen Erklärung hatte er am Montag mitgeteilt, ihm sei klar, dass es so nicht weitergehe, er könne seiner Familie, seinen Freunden und Unterstützern und auch der Stadt Tübingen "die wiederkehrenden Stürme der Empörung" nicht mehr zumuten. Deshalb wolle er "in einer Auszeit professionelle Hilfe in Anspruch nehmen".
Wie genau diese Auszeit aussehen wird, ist allerdings unklar. Eine Sprecherin der Tübinger Stadtverwaltung sagte dazu, darüber könne sie "zum jetzigen Zeitpunkt" (Dienstag, 2. Mai) keine Aussage machen. Palmer habe sich krank gemeldet und werde sich erst einmal nicht äußern.
"Auszeit" heißt jedenfalls nicht "Rücktritt" vom Amt des Tübingers OBs. Das machte Palmer derweil auf Facebook klar. Dort postete er ein Bild von neugepflanzten Bäumen auf dem Mittelstreifen einer Straße - mit dem Kommentar: "An solchen Entwicklungen freue ich mich." Daran, so Palmer, werde er auch weiter arbeiten.
AfD bietet Palmer Mitgliedschaft an
Wenn nicht mehr bei den Grünen, dann vielleicht bald bei der AfD? Jedenfalls hat der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Brandner, Palmer die Mitgliedschaft angeboten. In der Zeitung "Junge Feiheit" verglich Brandner das politische Schicksal Palmers mit dem von Sahra Wagenknecht bei der Linken: "Beide sind inzwischen Opfer der irren Politik ihrer Parteien, die sie allerdings sehr lange mitgemacht haben."
Ähnlich sieht das offensichtlich AfD-Parteichefin Alice Weidel: Sie sagte der Zeitung, Palmer sei einer der wenigen Politiker bei den Grünen gewesen, die "nicht den Bezug zur Realität verloren und ein Gespür für die wirklichen Probleme der Bürger" hätten.
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