"Jedes von SPD und Grünen mitregierte Land muss wissen, dass das Cannabis Gesetz am nächsten Freitag stirbt, wenn man den Vermittlungsausschuss anruft", schreibt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Anfang der Woche auf X. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte ebenfalls auf X mitgeteilt, sein Ziel sei es, dass das Gesetz niemals wieder aus dem Vermittlungsausschuss herauskomme. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt spricht sich, falls möglich, für einen Stopp des Gesetzes im Vermittlungsausschuss aus.
Doch kann ein Vermittlungsausschuss wirklich ein bereits vom Bundestag beschlossenes Gesetz kippen? Die Antwort lautet: eigentlich nicht. Denn beim Cannabisgesetz (CanG) handelt es sich um ein Einspruchsgesetz. Die Länder müssen nicht zustimmen, aber können Einspruch einlegen. So können sie das Gesetz aufhalten, aber in der Regel nicht ganz verhindern. Es gibt ein großes "Aber".
Warum setzt die Union auf einen Vermittlungsausschuss?
Der Ermittlungsausschuss kommt zum Zug, wenn sich Bundestag und Bundesrat nicht einigen können. Wird die Anrufung beschlossen, tagen die 32 Mitglieder, 16 vom Bundesrat und 16 vom Bundestag, um einen Kompromiss zu erarbeiten.
Eines ist dabei aber nicht geregelt: Wie lange sich ein Vermittlungsverfahren hinziehen darf. Zwar sollte der Ausschuss sein Verfahren so einrichten, dass das Gesetzgebungsverfahren innerhalb der Wahlperiode ordnungsgemäß abgeschlossen werden kann. "Sollen" heißt aber nicht "müssen". Und wenn es bis zum Ende einer Wahlperiode keine Einigung gibt? Das hätte die Folge, "dass das Gesetz der Diskontinuität anheimfiele". Heißt: Das Gesetz entfällt wohl. Und drauf spekulieren manche in der Union.
Vermittlungsverfahren verschleppen – wie könnte das gehen?
In der Ampel-Koalition sorgen sich einige, dass die Unionsseite ihren Ausschussvorsitzenden Hendrik Hoppenstedt einspannen könnte. Der könnte darauf hinwirken, dass es nicht zu konkreten Verhandlungen kommt. Es gibt zwei Vorsitzende, die das Verfahren organisieren: Für die Länder ist das die SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig; für den Bundestag der CDU-Abgeordnete Hendrik Hoppenstedt.
Termine im Vermittlungsausschuss müssen immer im Einvernehmen der beiden Vorsitzenden beschlossen werden. Gegen den Vorwurf, er wolle das Gesetz blockieren, wehrt sich Hoppenstedt nun in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Lauterbach, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. An Lauterbach gerichtet, schreibt Hoppenstedt: "Ihre Unterstellung, dass ich aus parteitaktischen Erwägungen meine Pflichten als Ausschussvorsitzender verletzten würde, ist haltlos, falsch und unangemessen." Eine Blockade sei gar nicht möglich, weil bei Ladung zu einer Sitzung grundsätzlich alle Gesetze, zu denen der Vermittlungsausschuss angerufen wurde, auf die Tagesordnung gesetzt werden müssten.
Heißt: Um das Cannabisgesetz per Verzögerung scheitern zu lassen, dürfte der Vermittlungsausschuss in dieser Legislaturperiode gar nicht mehr tagen. Das allerdings sei wegen der anderen Verfahren verfassungswidrig, erklärt Hoppenstedt.
Wie wahrscheinlich ist ein Vermittlungsverfahren?
Die Union bräuchte dazu 35 der 69 Bundesratsstimmen. Abgestimmt wird nicht nach Partei, sondern nach Bundesland. Das Gewicht jedes Bundeslands richtet sich nach der Einwohnerzahl. Bayern hat mit sechs Stimmen die maximale Stimmenzahl, die Mindeststimmenzahl liegt bei 3, die etwa das Saarland hat. Nur dort, im Saarland, gibt es eine Alleinregierung (SPD). In allen anderen Ländern regieren Koalitionen.
Wenn die Koalitionen unterschiedlicher Meinung sind, muss sich das Land bei der Abstimmung über Anrufung des Vermittlungsausschusses enthalten. Da aber in jeder Landeskoalition bis auf Bayern mindestens eine Ampelpartei vertreten ist, scheint es beim Blick rein auf Parteien und Zahlen unwahrscheinlich, dass ein Vermittlungsverfahren kommt. Die Union bräuchte dafür die Zustimmung von Ampelparteien auf Landesebene.
Warum ist der Gesundheitsminister dann so nervös?
Weil es auch von Landespolitikern, die einer Ampelpartei angehören, Stimmen gibt, die das Cannabisgesetz teils kritisieren und im Vermittlungsausschuss überarbeiten wollen. Etwa Nordrhein-Westfalens Justizminister Benjamin Limbach von den Grünen.
Er hatte davor gewarnt, dass die Zeit zwischen Verabschiedung und Inkrafttreten des Gesetzes nicht ausreiche, um den vom Gesetz vorgesehenen rückwirkenden Straferlass umsetzen zu können. Zehntausende Fälle müsse allein NRW prüfen. Er setzte sich deshalb für einen Vermittlungsausschuss ein. Das sei der richtige Ort, um diese Fragen zu besprechen. Auch im grün regierten Baden-Württemberg und im SPD-geführten Niedersachsen hatte man Bedenken angemeldet.
Verhindert die Union einen Vermittlungsausschuss?
Die Landespolitiker aus den Ampelparteien kritisieren konkrete Punkte des Cannabisgesetzes. Die Union dagegen, das macht der CSU-Landesgruppenvorsitzende Dobrindt an diesem Dienstag deutlich, will das Gesetz ganz versenken: Es gehöre "in die Tonne", sagt Dobrindt. Und weiter: "Wenn dieses Gesetz im Vermittlungsausschuss landet, werden wir nicht daran mitarbeiten, dieses Gesetz in irgendeiner Form zu verändern, sondern es bleibt bei unserer grundsätzlichen Ablehnung."
Es ist durchaus möglich, dass diese Aussagen dazu führen werden, dass Kritiker aus den Ampelparteien abgeschreckt werden, am Freitag mit der Union für einen Vermittlungsausschuss zu stimmen.
Im Video: Tagesgespräch - Zähes Ringen um die Cannabis-Freigabe: Stoppen oder durchziehen?
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