Kurz vor Ablauf der Friedenspflicht im Tarifstreit der Chemiebranche haben Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter sich auf einen Abschluss geeinigt. Die insgesamt 585.000 Beschäftigten der chemisch-pharmazeutischen Industrie sollen insgesamt 6,85 Prozent mehr Geld bekommen, wie die Chemiegewerkschaft IGBCE mitteilte. Der Tarifvertrag tritt am 1. Juli in Kraft und hat eine Laufzeit von 20 Monaten.
Gewerkschafts-Forderungen bei Löhnen fast erfüllt
"Nach zähem Ringen haben wir in allen unseren Forderungspunkten vorzeigbare Ergebnisse erzielen können", erklärte Oliver Heinrich, Verhandlungsführer und Tarifvorstand der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (BCE). Die Entgelte sollen demnach in zwei Schritten steigen: Ab September erhalten die Beschäftigten zunächst zwei Prozent mehr Lohn, im April 2025 dann nochmals 4,85 Prozent mehr. Betriebe mit wirtschaftlichen Problemen können die zweite Anhebung um maximal drei Monate verschieben.
Die gewerkschaftliche Forderung nach sieben Prozent mehr Geld wurde mit der Anhebung um insgesamt 6,85 Prozent in der Tat annähernd erfüllt, für die Arbeitgeber war dies angesichts der Streckung der Laufzeit akzeptabel.
Arbeitgeber verweisen auf Belastungen für die Branche
Die Arbeitgeber hatten bei den Verhandlungen die doppelte Krisensituation der Branche beschrieben und einen dazu passenden Abschluss verlangt. Die lahmende Konjunktur mit schwacher Nachfrage und hohem Importdruck treffe auf strukturelle Nachteile wie teure Energie, hohe Arbeitskosten und ausufernde Bürokratie.
Zumindest im wichtigen Teilbereich Pharma stehen die Zeichen aber wieder auf Wachstum. Vor allem Bestellungen aus Nordamerika und Europa haben den Umsatz in den ersten vier Monaten um knapp 5 Prozent wachsen lassen, wie der Verband der Chemischen Industrie (VCI) kürzlich berichtete. Damit konnte das weiter schwache Geschäft im Inland ausgeglichen werden und zumindest derzeit wird die Situation der Branche wieder als stabil bewertet.
Erstmals Vorteile für Gewerkschaftsmitglieder festgeschrieben
Eine Kernforderung der Gewerkschaft waren neben der Erhöhung der Löhne auch Vorteile für Gewerkschaftsmitglieder gewesen - und auch hier konnte sich die IGBCE weitgehend durchsetzen: Vereinbart wurde ein zusätzlicher freier Tag nur für Gewerkschaftsmitglieder. Erstmals wurden damit exklusive Vorteile für Gewerkschafter in einem großen Flächentarifvertrag festgeschrieben. Sie müssen dem Arbeitgeber ihre Mitgliedschaft aber anzeigen und erhalten bei Mitgliedsjubiläen noch zusätzlich einen zweiten Tag frei.
Das "neue Kapitel" der Tarifpolitik soll nicht spalten
Streng genommen gelten Tarifabschlüsse generell nur für Gewerkschaftsmitglieder. Die Arbeitgeber wenden sie aber meist für alle Beschäftigten an, was gelegentlich zu Ärger über "Trittbrettfahrer" ohne Mitgliedschaft geführt hat. Zur nun vereinbarten Bonus-Regelung teilten beide Seiten mit, Ziel dies Abschlusses sei die Steigerung der Tarifbindung.
"Damit schlagen wir ein neues Kapitel in der Tarifpolitik auf", sagte IGBCE-Verhandlungsführer Oliver Heinrich. Nach Angaben von IG BCE-Chef Michael Vassiliadis sind etwa 35 Prozent der 585.000 Tarifbeschäftigten Mitglied in der Gewerkschaft und haben nun Anspruch auf den Bonus-Tag. Er hoffe, dass dieser Anteil mit der neuen Regelung weiter steige.
Die Arbeitgeber betonten, mit der neuen Regelung die Belegschaften nicht spalten zu wollen. "Für uns ist wichtig, dass wir das Prinzip 'Gleicher Lohn für gleiche Arbeit' nicht antasten", sagte der Verhandlungsführer des Bundesarbeitgeberbandes Chemie, Matthias Bürk. Der Bonus sei ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung und solle das ehrenamtliche Engagement der Gewerkschafter in deren Freizeit belohnen.
Mit Informationen von DPA und AFP
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