Mitten in der Corona-Welle in China hat die nationale Gesundheitskommission die tägliche Veröffentlichung von Infektions- und Totenzahlen eingestellt. Relevante Informationen würden nun vom Zentrum für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten veröffentlicht und dienten Referenz- und Forschungszwecken, teilte die Kommission mit. Wie häufig dies geschehen soll, blieb offen. Auch Gründe für den Schritt wurden nicht genannt. Das Zentrum für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten teilte etwas später mit, für das Festland seien am Samstag wie bereits am Tag zuvor keine neuen Todesfälle verzeichnet worden.
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Meldung von Todesfällen geändert
China hat seine Definition für die Meldung von Todesfällen eingeengt und zählt nur noch durch das Virus verursachte Lungenentzündungen und Atemversagen. In den sozialen Medien sind derweil Bilder aus Kliniken mit vielen Leichensäcken zu sehen. Es gibt Berichten über knappe Medikamente und überfüllte Krankenhäuser. Auch Krematorien und Bestattungsinstitute haben wegen steigender Totenzahlen offenbar Probleme.
Bei Internetnutzern in China wurde die Ankündigung der Schließung zynisch kommentiert. "Das war das beste und größte Büro für gefälschte Statistiken im Land", schrieb ein Nutzer im Onlinedienst Weibo über die Behörde, die bisher die offiziellen Corona-Daten veröffentlicht hatte. Ein weiterer schrieb: "Endlich wachen sie auf und merken, dass sie die Menschen nicht mehr täuschen können."
Null-Covid-Politik abrupt aufgegeben
Nach fast drei Jahren mit Lockdowns, Zwangsquarantäne, Massentests und Kontaktverfolgung hatte das bevölkerungsreichste Land der Erde am 7. Dezember seine harte Null-Toleranz-Politik plötzlich aufgehoben. Die Kehrtwende wurde damit begründet, dass die Infektionen mit den neuen Omikron-Varianten nicht mehr so schwer verliefen. Doch sah die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Grund vor allem darin, dass die Lage außer Kontrolle geraten war und die harten Maßnahmen nicht mehr durchgehalten werden konnten. Inzwischen grassiert in China die Omikron-Variante.
Allein in einer einzigen Stadt gibt es nach Angaben eines hochrangigen Behördenvertreters täglich rund eine halbe Million neue Corona-Infektionen. Es gebe in Qingdao jeden Tag "zwischen 490.000 und 530.000 Neuinfektionen", wurde der Chef der dortigen Gesundheitsbehörde von einem von der regierenden Kommunistischen Partei betriebenen Internetportal am Samstag zitiert.
Viele ältere Menschen unzureichend geschützt
Die Situation dürfte sich verschlechtern, wenn im Januar das chinesische Neujahrsfest gefeiert wird und zahlreiche Menschen zu ihren Familien reisen. Viele der 260 Millionen älteren Menschen über 60 Jahre sind unzureichend geschützt: Nur 70 Prozent der mehr als 60-Jährigen und 40 Prozent der Menschen über 80 Jahren haben eine Booster-Spritze bekommen. Moderne ausländische Impfstoffe sind aus politischen Gründen nicht zugelassen. Bei vielen Chinesen liegt die letzte Impfung weit zurück, sodass sie die Krankheit voll trifft.
WHO hat keine Daten erhalten
Weltweit sehen Gesundheitsexperten die Lage kritisch. So teilte das in Großbritannien ansässige Gesundheitsdatenunternehmen Airfinity diese Woche mit, die tatsächliche Zahl der Neuinfektionen liege wahrscheinlich bei mehr als einer Million pro Tag, die der Todesfälle bei mehr als 5.000. Dies stehe im "starken Gegensatz" zu den offiziellen Daten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat seit den Lockerungen keine Daten zu Krankenhausaufenthalten mehr erhalten. Dies ist laut WHO möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die Behörden Schwierigkeiten haben, Fälle zu zählen.
Die chinesischen Medien werden von der Regierung scharf kontrolliert. Zahlreiche Zensoren entfernen politisch heikle Inhalte aus dem Netz. Die meisten staatlichen Medien spielen das Ausmaß der Corona-Welle herunter und beschreiben die politische Kehrtwende der Regierung als logisch und kontrolliert. Einige Medien wiesen zuletzt jedoch auf Medikamentenknappheit und überlastete Krankenhäuser hin.
Mit Informationen von Reuters und AFP.
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