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CSU entfacht Bürgergeld-Debatte

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Jobverweigerer härter bestrafen? CSU entfacht Bürgergeld-Debatte

Mehr Bürgergeldempfänger, mehr Sozialausgaben, fehlendes Geld im Haushalt: Mitten im Sommerloch ist eine Debatte entbrannt, wie man die Regeln für das Bürgergeld verschärfen könnte und wie man mit Jobverweigerern umgehen sollte.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Es ist Sommer – für die meisten bedeutet das: Auszeit von der Arbeit. Nur für rund vier Millionen erwerbsfähige Deutsche ist das nicht so einfach. Sie müssen die Agentur für Arbeit um Erlaubnis fragen. Denn sie beziehen Bürgergeld. Es ist die letzte Absicherung, damit sie nicht unter dem Existenzminimum leben. Der Staat ist verpflichtet, diesen Menschen zu helfen. Laut Grundgesetz muss er ihnen ein würdevolles Leben ermöglichen.

Warum jemand Bürgergeld bezieht, kann verschiedene Gründe haben: Weil die Person Angehörige pflegt, weil sie zu wenig verdient. Jemand muss sein Geschäft schließen oder kann aufgrund einer Krankheit nicht mehr arbeiten. Bürgergeld können auch Menschen beziehen, die einen Job haben, der Verdienst aber nicht ausreicht, um davon leben zu können.

CSU will "System auf den Kopf stellen"

Mitten im Sommerloch ist nun eine Debatte um das Bürgergeld entbrannt, das es in dieser Form eigentlich schon seit Anfang 2023 gibt. Kritik gibt es vor allem von CSU- und CDU-Politikern. Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag, kritisiert zum Beispiel, dass der Regelsatz erhöht wurde, es zugleich aber "zu viele" Jobverweigerer gebe. Hier müsse härter durchgegriffen werden. "Wer zumutbare Arbeit verweigert, der muss mit Leistungskürzungen rechnen."

Die CSU-Bundestagsabgeordnete Andrea Lindholz sagte in einem Interview mit der "Welt" (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt), dass das "komplette System des Bürgergeldes und der Sozialleistungen auf den Kopf gestellt" werden sollte.

Kretschmer fordert Nachweis, dass man nicht arbeiten kann

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) forderte im ARD-Sommerinterview, das Bürgergeld müsse weiter reformiert werden. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann plädierte zuletzt dafür, mehr als 100.000 Menschen das Bürgergeld komplett zu streichen. Und der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) fordert eine Beweisumkehr: Wer Bürgergeld wolle, müsse nachweisen, dass er nicht in der Lage sei, zu arbeiten.

Sozialethiker: Arbeitende Menschen haben mehr Geld

Sozialethiker Franz Segbers, ehemaliger Professor an der Universität Marburg, sagte Tagesschau24, dass die meisten Menschen grundsätzlich arbeiten wollen. "Da geht es nicht nur um Geld, es geht auch darum, soziale Teilhabe zu ermöglichen." Darüber hinaus würde man immer mehr Geld haben, wenn man arbeitet. "Auch im Niedriglohnsektor und in allen Konstellationen, ob als Single oder als Teil einer Großfamilie." Ein Sprecher der Agentur für Arbeit teilte dem BR mit, dass sich "in Relation zu den rund vier Millionen" nur die "Allerwenigsten nicht an die ‚Spielregeln‘ halten".

💡 Zahlen zum Bürgergeld (Quelle: Agentur für Arbeit)

4 Millionen Bürgergeldempfänger gibt es in Deutschland, die theoretisch arbeiten könnten.

2,3 Millionen von ihnen gelten jedoch nicht als arbeitssuchend: Weil sie kleine Kinder betreuen, Angehörige pflegen, oder weil sie arbeiten und das Bürgergeld lediglich eine Aufstockung ist.

1,5 Millionen haben sogenannte "Vermittlungshemmnisse": Sie sind zum Beispiel älter als 55 Jahre, schwerbehindert oder haben eine zu schlechte oder keine berufliche Ausbildung.

Bei rund 3,8 Millionen Bürgergeldempfängern gibt es also von der Arbeitsagentur anerkannte Gründe, warum sie nicht arbeiten.

Die restlichen 235.000 Bürgergeldempfänger könnten voll arbeiten, tun dies aber nicht.

In 16.000 Fällen hat die Bundesagentur Sanktionen verhängt, weil sie Jobs mehrfach abgelehnt haben - die sogenannten Totalverweigerer also.

Wie viel Bürgergeld jemand bekommt, hängt von den Lebensumständen ab, ein unter 25-Jähriger, der noch im Elternhaus lebt, bekommt beispielsweise 451 Euro im Monat, ein Alleinstehender 563 Euro.

Ampel hatte zuletzt Verschärfungen beim Bürgergeld angekündigt

In Anbetracht der aktuellen Debatte hat die Ampel im Juli Verschärfungen beim Bürgergeld angekündigt. Eine tägliche Pendelzeit von bis zu drei Stunden soll zumutbar sein. Die Karenzzeit, bevor auch geringes Vermögen angegriffen wird, soll von einem auf ein halbes Jahr verkürzt werden. Totalverweigerer sollen verstärkt Gelegenheitsjobs annehmen müssen.

Asylbewerber, Geflüchtete, Bürgergeldempfänger – wer bekommt mehr?

Derzeit erhalten Asylbewerber in Deutschland Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Alleinstehende Asylbewerber haben Anspruch auf 460 Euro pro Monat, nach 36 Monaten werden diese Leistungen ans Bürgergeld angepasst. Wenn sie als Geflüchtete anerkannt sind, haben sie bei Bedürftigkeit Anspruch aufs Bürgergeld. Rund die Hälfte der Bürgergeldempfänger haben eine ausländische Staatsangehörigkeit.

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