Nahaufnahme des Schriftzugs "Bürgergeld", drumherum Unschärfte
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Karl-Josef Hildenbrand
Audiobeitrag

Debatte um Bürgergeld: FDP signalisiert Union Entgegenkommen

Audiobeitrag
>

Debatte um Bürgergeld: FDP signalisiert Union Entgegenkommen

Debatte um Bürgergeld: FDP signalisiert Union Entgegenkommen

Das Bürgergeld ist im Bundesrat gescheitert - nun wird der Vermittlungsausschuss nach einem Kompromiss suchen. Die FDP hat der Union Entgegenkommen in Aussicht gestellt. Die wiederum beharrt auf ihrer Position - und erntet dafür deutliche Kritik.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Nach der gescheiterten Verabschiedung des neuen Bürgergelds hat die FDP erneut Signale für einen möglichen Kompromiss zwischen Ampel-Koalition und der oppositionellen Union ausgesendet. "Es bringt ja nichts, wenn alle auf dem Baum bleiben", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vor den Gesprächen im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.

Streit um Sanktionsmöglichkeiten

Die Union verbreite "Märchen, wenn sie die ersten sechs Monate als sanktionsfreie Zeit darstellt", meinte Dürr. Es sollten nur die möglichen Sanktionen für Empfänger wegfallen, die am Anfang des Bezugs ohnehin keine Relevanz haben. Ziel dabei sei, Bürokratie abzubauen. "Aber wenn die Union dieses Symbol braucht, bin ich dafür offen, Sanktionsmöglichkeiten beizubehalten." Die Union hatte sich gegen die geplante "Vertrauenszeit" von einem halben Jahr gewandt, in der Bürgergeld-Beziehern praktisch keine Leistungskürzungen bei Fehlverhalten drohen.

Der FDP-Politiker Dürr schloss aber aus, allein die Beträge der heutigen Hartz-IV-Sätze zu erhöhen, wie dies die Unionsspitzen gefordert hatten. "Wenn wir nur die Regelsätze erhöhen, wie die Union das will, verringern wir den Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen." Tatsächlich wolle die Koalition mit dem Bürgergeld bei Aus- und Weiterbildung und bei der Teilzeitarbeit zusätzliche Arbeitsanreize schaffen.

Union besteht auf Verzicht der "Vertrauenszeit"

Das von der Ampel geplante Bürgergeld hat sich am Montag in der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat nicht durchsetzen können. Bei einer Sondersitzung stimmten mehrere Länder unter Führung oder Beteiligung der Union - auch Bayern - dagegen oder enthielten sich. Nun soll der Vermittlungsausschuss bis Ende November eine Lösung finden - ansonsten droht das Bürgergeld, mit dem die Ampel das System Hartz IV überwinden will, zu scheitern.

Die Unionsfraktion besteht weiter darauf, auf die "Vertrauenszeit" zu verzichten. "Es darf kein Zweifel daran gelassen werden, dass Sanktionen von Anfang an verhängt werden können", sagte Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion und Mitglied im Vermittlungsausschuss, der "Augsburger Allgemeinen". "Wer das Prinzip 'Fördern und Fordern' aufgeben will, kann von uns keine Zustimmung erwarten", kündigte Frei an.

Scharfe Kritik von Sozialverbänden an Union

Der Kinderschutzbund kritisierte die unionsgeführten Länder für ihre Blockade des Bürgergelds. "Die Verweigerungshaltung der Union beim Bürgergeld ist unanständig", sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Weder sind derzeit die Regelsätze für Kinder in Hartz IV ausreichend, um Kinder in Würde und mit gleichen Chancen aufwachsen zu lassen, noch reicht dazu der Mindestlohn von zwölf Euro aus."

Erwerbstätige mit geringem Einkommen kämen allein noch ganz gut über die Runden, sagte Hilgers. Sobald aber Kinder da seien, hätten sie ein hohes finanzielles Armutsrisiko. Um Familien zu stärken, sollte die Union eine armutsfeste Kindergrundsicherung ermöglichen und ihre "Angriffe auf das Bürgergeld" einstellen.

Auch DIW Berlin spricht von "fatalem Signal"

Ähnlich argumentierte der Präsident des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher. "Die Ablehnung von CDU und CSU ist ein fatales Signal an die Solidarität in der Gesellschaft in schon schwierigen Zeiten", sagte er der Düsseldorfer "Rheinischen Post".

Der Paritätische Gesamtverband rief Bund und Länder zu einer schnellen Einigung auf. "Wir erwarten zügige Entscheidungen im Sinne der Betroffenen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Ulrich Schneider, der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". "Wer jetzt nicht schnell und konsequent handelt, nimmt in Kauf, dass Armut weiter steigt und die Not der Menschen zunimmt."

SPD setzt auf schnelle Einigung

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte zuvor betont, dass er auf eine schnelle Vermittlung setze. Der Ausschuss könne bereits in der kommenden Woche tagen.

Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, blickt optimistisch auf das Vermittlungsverfahren zum Bürgergeld. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir auch im Vermittlungsausschuss einen guten Kompromiss finden werden", sagte Mast im Deutschlandfunk.

Streit auch über Schonvermögen

Mit dem Bürgergeld soll zum 1. Januar kommenden Jahres das derzeitige Hartz-IV-System abgelöst werden. Der monatliche Regelsatz für alleinstehende Erwachsene soll mit der Reform von 449 auf 502 Euro steigen. Dem stimmt auch die Union zu.

Neben der Diskussion über Sanktionen lehnt sie aber weitere Teile der Reform ab, etwa die Erhöhung des sogenannten Schonvermögens, das Leistungsbezieher behalten dürfen. Bis zu 60.000 Euro sollen zwei Jahre lang geschützt werden, für jede weitere Person im Haushalt weitere 30.000 Euro. Die Suche nach einem Kompromiss steht unter großem Zeitdruck. Das geplante Bürgergeld ist das größte sozialpolitische Reformprojekt der Ampel-Koalition.

Mit Informationen von dpa, epd und AFP.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!