Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD)
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Debatte um Wehrpflicht: Alle anschreiben, niemanden einziehen?

Wie kann die Bundeswehr ihre Personalprobleme lösen? Mit einer Rückkehr zur Wehrpflicht offenbar nicht. Dafür scheinen dem Verteidigungsminister die politischen Mehrheiten zu fehlen. Stattdessen sollen verstärkt Freiwillige gefunden werden.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Am Tag nachdem Boris Pistorius (SPD) seine Vorstellungen zur Bundeswehr-Rekrutierung im Präsidium seiner Partei vorstellte, ist aus der SPD vor allem ein Wort zu hören: Freiwilligkeit. Sie ist bei der Personalgewinnung für Deutschlands Armee zum Beispiel für den Parteivorsitzenden Lars Klingbeil eher das Mittel der Wahl als irgendeine Form von Wehrpflicht. Auch die Wehrbeauftragte des Bundestages, die SPD-Abgeordnete Eva Högl, setzt auf Freiwilligkeit.

Rückkehr zur Wehrpflicht kein Thema mehr?

Die Pläne des Verteidigungsministers sind noch in der Abstimmung. Der Öffentlichkeit will Pistorius in den nächsten Wochen ein Konzept vorstellen. Der Termin wird voraussichtlich erst nach den Europawahlen am 9. Juni stattfinden. Dass eine Rückkehr zur Wehrpflicht der alten Form nicht angedacht ist, machte der Verteidigungsminister schon in den vergangenen Wochen und Monaten klar. Vorstellbar ist aus seiner Sicht offenbar, komplette Jahrgänge bei Volljährigkeit mit 18 Jahren anzuschreiben und zu fragen, ob sie sich einen Dienst in der Bundeswehr vorstellen können.

Eine Rückkehr zur Wehrpflicht, bei der auch junge Männer eingezogen werden, die sich nicht freiwillig melden, scheint vom Tisch. Dafür fehle dem Minister die Rückendeckung der SPD-Spitze und des Kanzlers, erfuhr BR24 aus Kreisen der SPD-Bundestagsfraktion. Das Bundesverteidigungsministerium hat jedoch der Darstellung widersprochen, Pistorius wolle auf eine mögliche Pflicht verzichten. "Das kann ich in dieser Form nicht bestätigen", sagte dazu ein Ministeriumssprecher am Mittwoch in Berlin. Er wies darauf hin, "dass Gespräche intern noch laufen". Zuvor hatte der Minister Sympathien für das sogenannte Schweden-Modell erkennen lassen.

Anreize für den Dienst an der Waffe?

Sollte das Verteidigungsministerium wirklich ausschließlich auf Freiwilligkeit setzen, wäre das Schweden-Modell, bei dem ein sehr kleiner Teil eines Jahrgangs eingezogen wird, kein Thema mehr. Bei einem Modell dieser Art hätte die Bundeswehr selbst pro Jahr einen Personalbedarf festlegen und so viele Wehrpflichtige einziehen können, wie sie benötigt.

Wenn nun jede Form von Pflicht entfallen sollte, wäre die Truppe darauf angewiesen, dass sich jeweils genügend Freiwillige finden. Um Interessenten vom Dienst an der Waffe zu überzeugen, wird über entsprechende Anreize nachgedacht. Im Gespräch ist unter anderem, dass die Bundeswehr Rekruten den Führerschein bezahlt. Motivierend könnte auch zusätzliche Unterstützung beim Bafög oder dem Finden von Ausbildungs- und Studienplätzen sein, sagte der fränkische SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz BR24. Er ist im Haushaltsausschuss des Parlaments zuständig für das Verteidigungsministerium. Dass die Personallücke der Bundeswehr aber nur mit Freiwilligen geschlossen werden kann, ist unsicher.

Lässt sich das Personalproblem so lösen?

Die Zahl der Soldatinnen und Soldaten soll in den nächsten Jahren von jetzt rund 180.000 auf 203.000 steigen. Außerdem soll eine sogenannte "Aufwuchsfähigkeit" über diese Zahl hinaus erreicht werden, zum Beispiel durch das Einziehen von Reservisten. Die Bundeswehr muss nach Ansicht von Verteidigungspolitikern auch besser als bisher in der Gesellschaft verankert sein, um sie als Arbeitgeber attraktiver zu machen und die Akzeptanz der Armee in der Bevölkerung zu erhöhen. Lässt sich das alles mit einem reinen Freiwilligenmodell per Fragebogen erreichen?

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Verteidigungspolitiker Joe Weingarten ist skeptisch: "Eine informelle und unverbindliche Regelung wird uns nicht helfen, unsere Ziele zu erreichen", sagte Weingarten BR24. Aus seiner Sicht ist die Diskussion in der SPD über die Personalgewinnung der Bundeswehr und eine mögliche Form von Verpflichtung auch noch nicht beendet: "Als SPD können wir nicht unseren stärksten Minister in einer solch zentralen Frage im Regen stehen lassen", betonte Weingarten.

Debatte wird weitergehen

Welche Form von Rekrutierungsmodell Boris Pistorius also präsentieren wird, scheint im Detail noch nicht sicher. Die Debatte darüber, wie die Personallücken bei der Bundeswehr künftig gefüllt werden können und ob es dazu eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes braucht, wird ohnehin weitergehen und die Politik voraussichtlich auch noch über diese Legislaturperiode hinaus beschäftigen.

Im Video vom 17.05.24: Kommt die Wehrpflicht wieder?

quer vom 16.05.2024
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quer vom 16.05.2024

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