Die rechts-religiöse Regierung von Benjamin Netanjahu sieht sich heftiger internationaler Kritik ausgesetzt.
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Die rechts-religiöse Regierung von Benjamin Netanjahu sieht sich heftiger internationaler Kritik ausgesetzt.

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Deutschland lehnt Israels Siedlungspläne "entschieden" ab

Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und die USA haben sich "zutiefst beunruhigt" über die neuen Siedlungspläne der israelischen Regierung gezeigt. Während die Gewalt in Nahost anhält, scheint eine Zweistaatenlösung in weiter Ferne.

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Deutschland und mehrere westliche Partner haben die neuen Siedlungspläne der israelischen Regierung scharf kritisiert. "Wir, die Außenministerinnen und -minister Deutschlands, Frankreichs, Italiens, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten, sind zutiefst beunruhigt über die Ankündigung der israelischen Regierung, annähernd 10.000 Siedlungseinheiten zu genehmigen, sowie einen Prozess zur Normalisierung von neun Außenposten einzuleiten, die bislang nach israelischem Recht als illegal galten", hieß es am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihren vier Kolleginnen und Kollegen. "Wir lehnen diese einseitigen Maßnahmen entschieden ab."

Westliche Partner plädieren weiter für Zweistaatenlösung

Israelis und Palästinenser verdienten es gleichermaßen, in Frieden zu leben und in den Genuss von Freiheit, Sicherheit und Wohlstand zu kommen, schreiben die fünf Außenminister weiter. Ausdrücklich bekennen sich die fünf westlichen Staaten zu einer Zweistaatenlösung mit einem "souveränen, lebensfähigen" palästinensischen Staat neben Israel.

Bereits am Montag hatte sich die Bundesregierung äußerst besorgt über die Entscheidung der rechtsgerichteten Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gezeigt, rückwirkend neun jüdische Außenposten im besetzten Westjordanland zu legalisieren. Dies sei sogar nach israelischem Recht nicht rechtens, so ein Sprecher des Außenministeriums.

USA und EU besorgt über zunehmende Spannungen und Gewalt

"Wir sind klar gegen derartige unilaterale Maßnahmen", sagte auch US-Außenminister Antony Blinken am Montag in Washington. "Sie verstärken die Spannungen und untergraben die Aussichten auf eine Zwei-Staaten-Lösung durch Verhandlungen." Zuvor hatte das israelische Sicherheitskabinett nach tödlichen Anschlägen von Palästinensern in Ost-Jerusalem beschlossen, die neun Siedlungen zu legalisieren.

Der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich zeigte sich am Dienstag unbeeindruckt von Kritik der USA. Die israelische Regierung habe "gegenüber den Amerikanern unsere Position klargestellt", sagte Smotrich am Dienstag. "Differenzen sind erlaubt, selbst zwischen Freunden."

Die Europäische Union kritisierte die Entscheidung Israels ebenfalls. Man sei zutiefst besorgt über zunehmende Spannungen und Gewalt, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Dienstes in Brüssel. In der aktuellen Lage sei es wichtig, einseitige Entscheidungen zu vermeiden. Die Sicherheitslage in Israel und den Palästinensergebieten ist derzeit extrem angespannt.

Israel handelt entgegen des UN-Sicherheitsrats

Die Siedlungspolitik Israels ist sehr umstritten. Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Insgesamt leben dort heute mehr als 600.000 Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt. Mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung ist gemeint, dass ein Staat Israel und ein Palästinenserstaat eines Tages friedlich nebeneinander existieren.

Israel unterscheidet zwischen Siedlungen, die mit Genehmigung der Regierung entstanden, und "wilden Siedlungen", die per Gesetz rückwirkend legalisiert werden sollen. Aus internationaler Sicht sind dagegen alle Siedlungen illegal. Der UN-Sicherheitsrat hatte Israel Ende 2016 zum vollständigen Siedlungsstopp in den besetzten Gebieten aufgefordert.

17-jähriger Palästinenser bei israelischem Militäreinsatz getötet

Die Sicherheitslage in Israel und den Palästinensergebieten ist extrem angespannt. Seit Beginn des Jahres wurden neun Israelis und eine Ukrainerin bei Anschlägen von Palästinensern getötet. Im gleichen Zeitraum kamen 48 Palästinenser ums Leben – sie wurden etwa bei Zusammenstößen mit der israelischen Armee oder nach eigenen Anschlägen erschossen. Es gibt zudem immer wieder Berichte über Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser, israelische Aktivisten oder Soldaten.

Zuletzt starb ein 17 Jahre alter Palästinenser bei einem israelischen Militäreinsatz im nördlichen Westjordanland. Der Jugendliche wurde durch einen Kopfschuss tödlich verletzt, wie das palästinensische Gesundheitsministerium am Dienstag mitteilte. Nach Angaben der israelischen Armee hatte sich der Palästinenser den Soldaten mit einem Sprengsatz genähert, daraufhin eröffneten diese das Feuer. Der Vorfall ereignete sich demnach bei einer Razzia in einem Flüchtlingslager nördlich von der Stadt Nablus.

Außenpolitischer Druck und innenpolitische Krise

Netanjahus rechts-religiöse Regierung ist auch innerhalb Israels stark umstritten. Am Montag demonstrierten erneut tausende Israelis gegen die Justizreform im Land. Der Justizausschuss der Knesset billigte am Montag schon einen Teil der umstrittenen Reform. Insgesamt sind für eine Gesetzesänderung noch drei Lesungen im Parlament notwendig.

Bei der Debatte in dem Ausschuss kam es zu tumultartigen Szenen. Mitglieder der Opposition machten ihren Protest lautstark deutlich, sprangen über Tische und riefen immer wieder: "Schande, Schande, Schande!" Kurz darauf wurden sie von Ordnern aus dem Raum gezerrt. Eine Abgeordnete der Oppositionspartei Israel Beitenu brach angesichts der Lage in Tränen aus.

Zu Tumulten kam es auch bei einer Sitzung des Justizausschusses im Parlament
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Zu Tumulten kam es auch bei einer Sitzung des Justizausschusses im Parlament

Mit Informationen von dpa, Reuters und AFP

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