Schon als Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Abschluss-Pressekonferenz in Meseberg auf die Kritik aus den Grünen-Reihen angesprochen wurde, schüttelte Robert Habeck (Die Grünen) den Kopf. Obwohl er im Anschluss auf eine andere Frage antworten sollte, nahm sich der Wirtschaftsminister die Zeit, um den Chef zu loben. Er betonte, "wie gut es ist, dass Olaf Scholz diese Regierung führt" – und ergänzte: "Mit seiner Erfahrung, mit seiner Umsicht, mit seiner Ruhe führt er dieses Land sicher durch – und ich bin froh, dass es genauso ist."
Ampel-Arbeit am Entlastungspaket "bald" abgeschlossen
Einigkeit – dieses Gefühl sollte von der zweitägigen Kabinettsklausur der Bundesregierung bleiben, denn angesichts schwieriger Entscheidungen rumort es in der "Fortschrittskoalition". Ein erwartetes drittes Entlastungspaket, obwohl offiziell gar nicht direkt auf der Tagesordnung, war bei den Abschlussstatements immer wieder Thema.
Die Arbeiten dazu würden "bald" abgeschlossen, sagte Scholz. Konkreter wollte er auch dieses Mal nicht werden – wiederholte aber einige Eigenschaften, die es am Ende haben soll: "ein sehr präzises, ein sehr maßgeschneidertes Entlastungspaket". Er freute sich über die vertrauliche Koalitionsarbeit zu diesem Programm: "Dass Sie davon nicht so viel mitbekommen haben, macht mich professionell stolz", formulierte er grinsend in Richtung der Medienvertreter. Bei dem Paket müsse es darum gehen, "dass die Preise nicht durch die Decke schießen" und Bürger sowie Unternehmen "diese schwierige Zeit gut durchstehen können".
Lindner verspricht "wuchtiges Paket"
Ein bisschen impulsiver formulierte es Finanzminister Christian Lindner (FDP): "Wir brauchen ein wuchtiges Paket für Entlastungen in der ganzen Breite der Gesellschaft." Dabei stellt sich die Frage, wie viel Luft finanziell bleibt: Lindner sah für dieses Jahr noch einen möglichen Spielraum "in einem einstelligen Milliarden-Euro-Bereich". Für 2023 ging Lindner "unter Beteiligung der Länder" von einem "zweistelligen Milliardenbetrag" für Entlastungen aus. Die bisherigen beiden Entlastungspakete hatten ein Gesamtvolumen von rund 30 Milliarden Euro.
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Ampel will Änderung am Strommarkt
Gleichzeitig dürfe "die Wurzel der Probleme" nicht außer Acht gelassen werden, sagte Lindner: vor allem die Preisbildung am Strommarkt. Dortige Regeln führen dazu, dass steigende Gaspreise automatisch auch zu steigenden Strompreisen und zu Extragewinnen vor allem bei Anbietern des eigentlich günstigen Ökostroms werden. Die Bundesregierung habe sich deshalb darauf verständigt, daran zu arbeiten, Verunsicherung und Spekulation am Markt zu reduzieren.
Eine sogenannte Übergewinnsteuer aber scheint mit der FDP weiterhin nicht möglich: Andere Länder hätten mit solchen Steuern Probleme, führte der Finanzminister aus.
Habeck: In vielen Betrieben geht Angst um
Wirtschaftsminister Habeck verwies derweil auf eine drückende Situation für viele Firmen in Industrie, Handwerk und Mittelstand. In vielen Betrieben gehe schiere Angst um – Unternehmen bräuchten Entwicklungsperspektiven.
Er kündigte verschiedene Maßnahmen an, um die hohen Energiepreise wieder zu drosseln. Dazu sei es erforderlich, einen senkenden Effekt aus dem Markt heraus zu generieren. Ähnliche wie Lindner unterstrich er, es gehe nicht nur darum, die Auswirkungen der hohen Preise zu lindern, sondern auch deren Ursachen zu beheben.
Linke sieht "Abgehobenheit auf dem Sonnendeck"
Mit all diesen Äußerungen war Linksfraktionschef Dietmar Bartsch am Ende aber nicht zufrieden. Er warf der Koalition "Abgehobenheit auf dem Sonnendeck" vor, dazu "eine Klausur der Selbstgerechtigkeit, die die Sorgen und Nöte von Millionen Menschen belächelt". Statt konkrete Entlastungsschritte zu beschließen, hätten sich die Beteiligten selbst gelobt. "Das ist angesichts der Dramatik im Land inakzeptabel", sagte Bartsch. Der Bundestag müsse aus seiner Sicht bereits nächste Woche über weitere Entlastungen von der Teuerungswelle entscheiden.
"Herkulesaufgabe" bei der Digitalisierung
Neben der Energiekrise spielte unter anderem die Digitalisierung auf der Klausur eine Rolle. So soll Deutschland mit der am Mittwoch beschlossenen Digitalstrategie im europäischen Vergleich aufholen. "Wir wollen unter die Top-10 in Europa. Das ist unser Anspruch", sagte Digitalminister Volker Wissing (FDP). Eine "Herkulesaufgabe", wie er zugab. Daher soll ein besseres Netz ausgebaut, der Nutzung der digitalen Identität zur Durchsetzung verholfen und mit einer Standardisierung eine bessere Nutzung der Daten ermöglicht werden.
Außerdem ging ein Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Rente durch, wie die Nachrichtenagentur Reuters von einem Regierungsvertreter erfuhr. Er besagt, dass es für Frührentner ab Anfang 2023 keine Einkommensgrenzen mehr gibt, wieviel sie ohne Abzüge bei der Rente hinzuverdienen dürfen.
Neue Corona-Arbeitsschutzverordnung beschlossen
Bei der "Homeoffice-Pflicht" kommt es hingegen anders als erst gedacht: Unternehmen sollen ab Herbst nun doch nicht verpflichtet werden, ihren Beschäftigten erneut Homeoffice und Corona-Tests anzubieten.
Das Bundeskabinett beschloss nach Angaben des Arbeitsministeriums eine neue Corona-Arbeitsschutzverordnung: Demnach sollen Arbeitgeber im Rahmen eines Hygienekonzepts ein Homeoffice-Angebot für die Beschäftigten und ein regelmäßiges Angebot von Tests nur noch "prüfen". Die neue Verordnung soll vom 1. Oktober bis 7. April 2023 gelten.
2022 schon viele Rüstungsgüter exportiert
Des Weiteren wurden durch das Treffen neue Rüstungszahlen bekannt. Wegen des Russland-Ukraine-Kriegs hat Deutschland 2022 bislang deutlich mehr Rüstungsgüter exportiert. Bis zum 24. August summierte sich der Wert der genehmigten Ausfuhren auf 5,1 Milliarden Euro, wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte.
Im Vorjahr waren es zum gleichen Zeitpunkt in etwa 2,9 Milliarden Euro. Die Bundesregierung verwies darauf, dass in diesem Jahr mit 76 Prozent der Großteil der Rüstungsexporte auf EU-Länder, Nato-Partner oder vergleichbare Staaten entfallen sei. In Drittländer sei deutlich weniger gegangen als noch in der Vergangenheit.
Söder kommentiert Ampel-Treffen: "Schöne Bilder"
Während die Ampelkoalition in Meseberg tagte, wurden neue Forderungen aus der Union bezüglich einer jährlichen Energiepreispauschale in Höhe von 1.000 Euro pro Kind für bestimmte Familien bekannt. Und auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) postete am Mittag auf Twitter seine Einschätzung zum Ampel-Treffen: "Schon wieder lässt die Ampel wertvolle Zeit verstreichen." Die Klausur sei eine Enttäuschung. "Kein Entlastungspaket, keine Entscheidung über Kernkraft-Verlängerung, keine Abschaffung der Gasumlage. Schöne Bilder ersetzen keine gute Politik."
Darauf reagierte der Vorsitzende des FDP-Landesverbandes Bayern, Martin Hagen, direkt mit einem Lachsmiley und den Worten: "Der letzte Satz aus Ihrem Mund... Ich liebe Selbstironie."
Mit Material von dpa, AFP und Reuters.
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