In der Gemeinde Castenaso bei Bologna greift der Bürgermeister zu drastischen Maßnahmen: Friseure dürfen ihren Kunden nur noch einmal die Haare waschen, so soll Wasser gespart werden. "Denken Sie daran", so steht im Begleitschreiben der Anordnung, "dass ein laufender Wasserhahn durchschnittlich 13 Liter pro Minute liefert." Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich, eine Kundin zeigt im italienischen Fernsehen auf ihre kurzen Haare. Mit einer Wäsche, so erzählt sie, werden ihre Haare sauber, aber bei langen Haaren? Wie soll das gehen?
Italiens Problem: Dürre trifft auf marode Infrastruktur
Der Mangel an Wasser ist in Italien immer mehr zu spüren. Ministerpräsident Mario Draghi spricht von der schwersten Wasserkrise der letzten 70 Jahre, er nennt zwei Gründe. Zum einen der Mangel an Regen in den vergangenen drei Jahren wie auch allgemein die Erhöhung der Temperaturen infolge des Klimawandels. Auch das, so Draghi, sei ohne Frage ein Effekt. Zum anderen gebe es mehrere strukturelle Ursachen im Land, wie etwa die schlechte Wartung der Stauseen und die schlechte Wartung des Netzes.
Tatsächlich geht in Italien viel Wasser durch marode Leitungen verloren. Auch ist der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch extrem hoch, er liegt bei durchschnittlich 215 Litern, europaweit sind es 125 Liter. Eingerechnet wird neben dem privaten Verbrauch auch die Bewässerung für die Landwirtschaft, der Verbrauch in der Industrie und die Stromherstellung.
Nach den Angaben von Fabrizio Curcio, dem Chef des Zivilschutzes, gibt es in Italien Wasserleitungen, die bis zu 70 oder gar 75 Prozent an Wasser verlieren. Es liege auf der Hand, dass man eine Ressource nicht so verschwenden könne. Der Ingenieur hofft deshalb, dass dies ein Anreiz ist, dass sich alle an einen Tisch setzen und über die Infrastruktur reden.
Die Regierung hat im postpandemischen Wiederaufbauplan, der sich aus Mitteln des EU-Fonds speist, bereits vier Milliarden Euro für die Infrastruktur eingeplant. Regierungschef Draghi kündigte an, dass man die Mittel erhöhen wolle, er spricht von einem "großen Plan fürs Wasser".
Nachts wird das Wasser abgestellt
Angesichts der aktuellen Notsituation will sich die Regierung ab Montag um die Notfallpläne in den betroffenen Regionen kümmern. Besonders der Norden ist schwer getroffen, in vielen Gemeinden wird bereits seit zwei Wochen das Wasser nachts abgestellt. Der Zivilschutz-Chef schließt mittlerweile nicht mehr aus, dass in einigen Gebieten das Wasser auch tagsüber rationiert werden muss. Denn der Mangel wird immer dramatischer und weitet sich auf alle Landesteile aus. Das Regenwasser, so rechnet Curcio vor, ist um die Hälfte weniger als im Durchschnitt der letzten Jahre, beim Schnee sind es sogar 70 Prozent. Außerdem war es im Frühjahr wärmer als üblich.
So führt nun der Po, der längste Fluss Italiens, viel weniger Wasser als sonst zu dieser Jahreszeit. Viele seiner Nebenflüsse sind fast völlig ausgetrocknet, auch Pegel der Seen wie der Lago Maggiore oder der Comer See sind extrem niedrig. Deshalb wird nach wie vor darüber diskutiert, dem größten See des Landes, dem Gardasee, Wasser zu entziehen und in den Po zu leiten. Doch die Gemeinschaft der Gemeinden vor Ort will das nicht. Ihrer Meinung nach müssten viele Hunderte Kubikmeter Wasser abgeleitet werden, damit es wirklich etwas bringt. Doch dann könnte auch der Gardasee "krank" werden, sein Pegelstand ist ebenfalls viel niedriger als sonst.
Wassersparen: Einschränkungen für alle
So entwickelt sich die anhaltende Dürre, gepaart mit der großen Hitze, zu einem Kampf ums Wasser. Gerade die Landwirtschaft ist schwer getroffen, allein in der Toskana sind bereits 30 Prozent der Ernten verloren, so die Einschätzung des Agrarverbandes Coldiretti. Mais, Weizen, Reis, Tomaten, Wassermelonen - es trifft alle Produkte. So versuchen Städte und Gemeinden das Wasser dort einzusparen, wo nicht unbedingt nötig. In Mailand und in Padua sind die Wasserbrunnen abgestellt, privates Autowaschen ist verboten. Am Strand von Cogoleto in Ligurien kann man sich nach dem Baden im Meer nicht mehr abduschen, zum ersten Mal - so erzählt der Bademeister. Die Gäste würden gut darauf reagieren, sie hätten Verständnis.
Wegen der Dürre häufen sich auch die Wald- und Buschbrände, früher als sonst. In der zweiten Juni-Hälfte zählte die Feuerwehr über 1.000 Einsätze mehr als zur gleichen Zeit im vergangenen Jahr. Gleichzeitig gingen in Norditalien zeitweise örtliche Gewitter nieder, im Raum Turin etwa, der Hauptstadt des Piemont, kam es zu einem kurzen, aber intensiven Hagelschauer, begleitet von einem heftigen Sturm. Wetterprognosen zufolge könnte in der Wochenmitte kühlere Luft in den Norden strömen, begleitet von Schauern und Gewittern. Vielleicht mildert das dann den Dürre-Notstand wenigstens ein bisschen ab. Allerdings soll es heiß bleiben, mit örtlichen Spitzenwerten von 40 Grad.
Verona und Pisa rationieren Wasser
Zwei italienische Städte schränken inzwischen den Wasserverbrauch drastisch ein. Wie die italienische Zeitung "Il messaggero" berichtete, begrenzen Verona und Pisa bis zunächst Ende August den Trinkwasserverbrauch auf "häusliche Zwecke, persönliche Reinigung und Hygiene". In Pisa greift das Dekret demnach ab dem 11. Juli. In Verona offenbar umgehend.
Verboten ist demnach die Bewässerung von Kleingärten, Gärten und Sportplätzen, das Waschen von Autos (außer mit Genehmigung) und das Befüllen von Schwimmbädern. Bei Nichteinhaltung drohen Strafen, in Pisa von 100 bis 500 Euro.
Grafik: Entwicklung der Temperatur in Italien
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