Drei Frauen aus der Ukraine ziehen ihre Rollkoffer hinter sich her. Die meisten mussten ihre Heimat Hals über Kopf verlassen und konnten nur wenige Habseligkeiten mitnehmen
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Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine können legal einreisen

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Die Integration der Ukrainer - Blaupause für die Asylpolitik?

Flüchtlinge aus der Ukraine können sich schnell integrieren, dürfen sich eine Wohnung und Arbeit suchen. Asylbewerber können das nicht so einfach. Die Geschichte zweier ukrainischer Geschwister zeigt die Widersprüche der deutschen Flüchtlingspolitik.

Über dieses Thema berichtet: Dossier Politik am .

Hat der Krieg Deutschland verändert? Auf jeden Fall sagt Dmitry S., für den eine oberbayerische Gemeinde schon seit einigen Jahren zur zweiten Heimat geworden ist. "Ich bin sprachlos", sagt er über die Hilfsbereitschaft Deutschlands, "es ist wunderschön". Er habe sich nicht vorstellen können, dass Deutschland Hunderttausende Menschen offenherzig aufnimmt, dass "Leute ihre Häuser öffnen, nicht wegen des Geldes, sondern einfach, um zu helfen."

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Asylantrag abgelehnt

Der Jurist floh 2017 mit seiner Familie aus der Ukraine. Nicht vor dem Krieg, sondern als politisch Verfolgter. Er hatte in seinem Heimatland zur Korruption recherchiert und wurde von denen verfolgt, denen er gefährlich geworden war. In Deutschland stellte er einen Asylantrag und wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Schnellverfahren abgelehnt.

Ablehnung gehörte seitdem zum Alltag der Familie. "Es war immer so das Gefühl, dass wir keine echten Flüchtlinge sind“, erinnert sich der 37-jährige Familienvater, "es war unmöglich, allen Leuten zu erklären, dass wir aus politischen Gründen geflohen sind.“

Dmitry S. Fall ist komplex, er liegt seit Jahren beim Verwaltungsgericht München. Beweisdokumente werden geprüft; eine Entscheidung lässt auf sich warten. Solange aber sein Fall nicht entschieden ist, bleibt er ohne Arbeitserlaubnis. Er wollte gern in Salzburg ein duales Studium beginnen, doch er darf nicht über die Grenze. Auch darf die Familie nicht aus der Gemeinschaftsunterkunft ausziehen. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in einem einzigen Zimmer.

Hilfe bei der Vermittlung von Wohnungen

Dmitry und seine Frau, eine ausgebildete Grundschullehrerin, haben viel Geld und Zeit in die Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse investiert. Das konnten sie gut nutzen, als Hunderttausende Landsleute die Ukraine fluchtartig verlassen mussten. Dmitry half Wohnungs- und Hilfsangebote deutscher Familien an die Geflüchteten zu vermitteln. Auch für seine Eltern, Schwiegereltern und seine Schwester fand er eine Bleibe.

Olga, seine 41-jährige Schwester, lebt mit ihren beiden Söhnen und der erwachsenen Tochter ihres Mannes seit März 2022 in einer kleinen Wohnung. Eine Familie, die Olga längst ihre "deutschen Freunde" nennt, hat ihr die zwei Zimmer mit Küche kostenlos zur Verfügung gestellt - bis heute verlangt die Familie keine Miete.

Kein Geld vom Staat

In dem Zimmer, das Olga mit ihren Söhnen bewohnt, finden sich auf kleinstem Raum ein Doppelbett, zwei kleine Sofas, zwei Kommoden, ein Schrank und ein Schreibtisch. Es dient als Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer. Olga ist IT-Managerin und arbeitet von Bayern aus weiter für ihren ukrainischen Arbeitgeber, eine Bank in Kiew. Homeoffice über Ländergrenzen hinweg.

Sie erhält keine Sozialleistungen - weder Kindergeld noch Geld vom Jobcenter. "Ich möchte kein Geld vom Staat", sagt die 41-Jährige. Ihr ukrainischer Verdienst reiche für Essen und Kleidung. Ihre Einkäufe bezahlt sie mit ihrer ukrainischen Bankkarte. Ihre Unabhängigkeit ist Olga wichtig.

Zukunft in Deutschland

Vergangenen Sommer entschied sich Olga, in Deutschland zu bleiben. Die Söhne gehen zur Schule und Olga hat sich einen Online-Deutschkurs organisiert, den sie mit ihrer Arbeit im Homeoffice vereinbaren kann. Sie lernt manchmal bis spät in die Nacht Vokabeln.

Auch für ihre beiden Söhne ist die deutsche Sprache eine Herausforderung. Aber die Familie will es in Deutschland schaffen. Die Söhne wollen später in Deutschland studieren. Und Olga, die IT-Managerin, versucht ein höheres Sprachniveau zu erreichen, um später in einem deutschen Unternehmen arbeiten zu können.

Schnelle Integration "für alle ein Vorteil"

Das würde auch ihr Bruder Dmitry gern. Er, der seit sechs Jahren um die Anerkennung als politisch Verfolgter kämpft, um das Recht hier zu studieren und zu arbeiten, bewirbt sich gerade um einen Fernstudien-Platz in Mathematik und hofft, dass ihm wenigstens das erlaubt wird als Asylbewerber in Deutschland.

Sein ehrenamtliches Engagement ist immerhin willkommen. Er übersetzt bei Ämtern, organisiert einen Sprachkurs für Ukrainer, hilft Kriegsflüchtlingen bei der Wohnungssuche. Dmitry S. hofft, dass der Krieg nicht nur die Herzen in Deutschland geöffnet hat, sondern auch die Asyl- und Flüchtlingspolitik verändert. Die schnelle und unkomplizierte Aufnahme der Kriegsflüchtlinge zeige, "dass schnelle Integration nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für Deutschland besser ist. Es ist für alle ein Vorteil."

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