Als dritte Station auf seiner Europareise hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach London und Paris am Donnerstag Brüssel besucht. Selenskyj bedankte sich in einer emotionalen Rede im Europaparlament für die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger der EU im Kampf gegen Russland.
"Willkommen zu Hause, willkommen in der EU", twitterte EU-Ratspräsident Charles Michel. Selenskyj besuchte zunächst das Europaparlament, wo ihn Präsidentin Roberta Metsola begrüßte. Sie sprach auf Twitter von einem "historischen Tag für Europa". Die Parlamentarier bereiteten Selenskyj einen begeisterten Empfang, als er anschließend in den Plenarsaal trat. Sie erhoben sich von ihren Sitzen und applaudierten dem Staatschef lang anhaltend.
Selenskyj: Russland will Europa zerstören
Selenskyj schwor die Bürgerinnen und Bürger der EU in seiner anschließenden Rede auf den gemeinsamen Kampf gegen Russland ein. "Nur unser unweigerlicher Sieg wird die gemeinsamen europäischen Werte wahren", sagte der 45-jährige Staatschef.
Die EU und die Ukraine stünden in einem gemeinsamen Kampf gegen Russland, "die antieuropäischste Macht der Welt", sagte Selenskyj am Donnerstag in Brüssel. Es wolle Europa zerstören. "Wir werden das nicht zulassen", versicherte Selenskyj. "Europa wird Europa immer sein und bleiben, solange wir zusammenstehen und solange wir uns um unser Europa kümmern, so wie wir uns um unsere europäische Lebensart kümmern."
Selenskyj betont Bedeutung von EU-Beitrittsperspektive
Selenskyj zufolge hat die Aussicht auf einen EU-Beitritt die Menschen seines Landes dazu ermutigt, angesichts des russischen Angriffskriegs stark zu bleiben. Bereits sechs Tage nach Beginn der russischen Invasion habe das Europäische Parlament eine Entschließung angenommen, sagte Selenskyj vor dem EU-Parlament. In dieser hatte es geheißen, dass die EU-Institutionen darauf hinwirken sollten, dass der Ukraine ein Beitrittskandidatenstatus zuerkannt wird.
"Für die Ukraine ist das der Weg nach Hause", sagte Selenskyj, nachdem er die Bedeutung europäischer Werte betont hatte. Er sei hier, um für die Ukrainerinnen und Ukrainer diesen Weg nach Hause zu vertreten. Es gebe unterschiedliche Geschichten, aber man habe auch eine gemeinsame europäische Geschichte.
Weitere Waffenlieferungen für die Ukraine
Auf dem EU-Gipfel rief Selenskyj die europäischen Staats- und Regierungschef zur Lieferung von Kampfjets und anderen Waffen auf. Die Ukraine brauche "wirklich Munition, moderne Panzer, Langstreckenraketen und Kampfflugzeuge", sagte Selenskyj am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel. "Wir müssen schneller sein als der Angreifer", ermahnte er die Mitgliedstaaten.
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola rief die Verbündeten auf, als nächsten Schritt schnell über die Lieferung weitreichender Geschosse und Kampfflugzeuge an die Ukraine nachzudenken. Die Reaktion auf den Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen die Ukraine müsse sich am Grad der Gefahr orientieren. "Und die Bedrohung ist existenziell", sagte Metsola.
Selenskyj hatte bereits am Mittwoch in London und Paris dringend um weitere Waffen gebeten. Derzeit häufen sich die Hinweise darauf, dass der zum Jahrestag der russischen Invasion erwartete Großangriff der Invasionstruppen erste Formen annimmt. Die russischen Streitkräfte hätten die Initiative an sich gerissen und ihre nächste große Offensive in der Region Luhansk begonnen, schätzte die US-Denkfabrik Institute for the Study of War ein.
Selenskyj: Verhältnis zu Deutschland ist "wellenförmig"
Das Verhältnis zu Deutschland bezeichnete Selenskyj am Donnerstag gegen über dem "Spiegel" als schwankend und machte es vor allem von der Frage von Waffenlieferungen abhängig. "Unser Verhältnis zu Deutschland verläuft sozusagen wellenförmig, es ist ein Auf und Ab", sagte er dem Magazin.
Ähnlich äußerte er sich über Kanzler Olaf Scholz. Einerseits lobte er den Kanzler dafür, dass die Bundesregierung das Luftabwehrsystem Iris-T geliefert habe, obwohl nicht einmal die Bundeswehr damit ausgestattet ist. Es habe viele Menschleben in der Ukraine gerettet habe. An anderer Stelle sagte Selenskyj über Scholz: "Ich muss Druck machen, der Ukraine zu helfen und ihn ständig überzeugen, dass diese Hilfe nicht für uns ist, sondern für die Europäer."
Mit Informationen von dpa und AFP.
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