Der Europäische Gerichtshof hat Polen zur Zahlung eines täglichen Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro verurteilt. Grund für den Schritt ist nach einer Mitteilung des Gerichtshofes vom Mittwoch die bisherige Weigerung des Landes, höchstrichterliche Entscheidungen zu umstrittenen Justizreformen umzusetzen. Der EU drohe deshalb ein ernsthafter Schaden.
Konkret geht es dabei insbesondere um die Anordnung, die Arbeit der umstrittenen Disziplinarkammer zur Bestrafung von Richtern zu stoppen. Die Tätigkeit ist nach EuGH-Entscheidungen nicht mit EU-Regeln zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz vereinbar.
Die Finanzsanktionen gegen Polen waren am 9. September von der für die Überwachung des Rechtsstaatlichkeit in der EU zuständigen EU-Kommission beantragt worden. Sie werden nun so lange fällig, bis Polen den Anordnungen des EuGH Folge leistet.
"Aggression gegen Polen"
"Die Justizsysteme in der gesamten Europäischen Union müssen unabhängig und fair sein", hatte Kommissionschefin Ursula von der Leyen damals kritisiert. Polens Justizminister Zbigniew Ziobro sprach hingegen von einer "Aggression gegen Polen" und von einem "juristischen hybriden Krieg".
Zuvor hatte der EuGH Mitte Juli entschieden, dass Polen mit der Disziplinarkammer gegen europäisches Recht verstößt. Zudem wurde das Land mit einer einstweiligen Anordnung aufgefordert, die Bestimmungen auszusetzen, mit denen die Disziplinarkammer ermächtigt wird, über Anträge auf Aufhebung der richterlichen Immunität sowie über Fragen zur Beschäftigung und Pensionierung von Richtern zu entscheiden. Der Beschluss betraf zudem noch weitere Bestimmungen des polnischen Rechts, die die Unabhängigkeit von Richter betreffen.
Umstrittene Disziplinarkammer arbeitet weiter
Polen hatte daraufhin angekündigt, dass die umstrittene Disziplinarkammer in ihrer derzeitigen Form abgeschafft werden soll. Sie arbeitete zuletzt aber weiter alte Fälle ab. Die Kammer galt bislang als das Herzstück der von der PiS-Regierung initiierten Justizreformen. Die Kammer kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen. Kritiker befürchten, sie könne dazu dienen, Richter für unliebsame Entscheidungen zu maßregeln.
Manfred Weber: Polen muss verstehen, dass es ernst wird
Im Bayerischen Fernsehen sagte der CSU-Politiker und Vorsitzende der Europäischen Volkspartei Manfred Weber, Polen sein nach dem heutigen Richterspruch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Handlungspflicht. Polen müsse jetzt verstehen, dass es ernst wird. Die Unabhängigkeit der Justiz stehe in der Europäischen Union nicht zur Debatte. "Deswegen erwarten wir, dass diese Disziplinarkammer, die zur Überwachung der polnischen Justiz eingesetzt worden ist, schnellstmöglichst aufgelöst wird. Polen drohen jetzt saftige Strafen. Und deswegen hoffe ich, dass dieser letzte Warnschuss aus Luxemburg von den obersten Gerichten Europas auch in Warschau verstanden wird.“ Wenn Warschau diesen Schritt gehe, sei die Grundlage geschaffen, um wieder vernünftig zusammenzuarbeiten.
Kein Geld nach Polen ohne Rechtssicherheit
Wer die Urteile des obersten Gerichtes der Europäischen Union nicht respektiere, stelle die Rechtsgemeinschaft Europas in Frage und gehe einen ersten Schritt aus dieser Europäischen Union heraus, so Weber. Polen müsse Europarecht respektieren und damit auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs von heute. Die neu anstehenden Gelder, die vor allem mit dem Wiederaufbauplan nach der Corona-Pandemie verbunden seien und die für Polen enorme Summen bedeuteten, könnten nicht ausbezahlt werden, solange man keine Rechtsklarheit habe.
Wichtig sei aber auch ein politischer Dialog, um mit Polen wieder ins Gespräch zu kommen über die Frage, wie man zukünftig miteinander umgehen könne und wie das Haus Europa zusammenzuhalten sei. "Polen hat großes Interesse daran, dass Europa stabil bleibt. Gerade in den Beziehungen zu Russland beispielsweise ist Polen auf eine enge Partnerschaft in Europa angewiesen. Und deshalb gibt es Gott sei Dank in Warschau nach wie vor vernünftige Kräfte, die die Partnerschaft wollen", so Weber im BR.
Nicht das erste Urteil gegen Polen
Bereits am 20. September war Polen wegen des Braunkohle-Abbaus Turow an der Grenze zu Sachsen vom EuGH zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Trotz einstweiliger EuGH-Anordnung vom Mai habe Warschau den Braunkohle-Abbau nicht gestoppt, hieß es damals in einer Anordnung der EuGH-Vizepräsidentin Rosario Silva de Lapuerta. Deshalb müsse Polen ab sofort für jeden Tag, an dem es der Anordnung nicht nachkomme, 500.000 Euro Strafe in den EU-Haushalt zahlen.
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