Eine Infusion in der Notaufnahme.
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Einigung bei Krankenhausreform? Das sind die Streitpunkte

Eigentlich sollte die Krankenhausreform längst fertig sein. Bislang konnten sich Bund und Länder aber nicht auf einen gemeinsamen Kurs einigen. Nun steht die nächste Verhandlungsrunde an. Die Eckpunkte, über die am heftigsten gestritten wird.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Schon seit Monaten streiten Bund und Länder über eine Reform der Krankenhauslandschaft in Deutschland. Vor dem heutigen Treffen in Berlin zeigt sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betont optimistisch: "Ich glaube, dass es diesmal klappt. Wir sind immer aufeinander ein bisschen zugegangen", sagte Lauterbach am Montag in Deutschlandfunk. "Die verteilten Zuständigkeiten haben wir miteinander geregelt."

Neben Lauterbach und seinen Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern nehmen auch die Gesundheitsexperten aus den Bundestagsfraktionen daran teil. Lauterbach will über den Sommer einen Gesetzentwurf für die Reform erarbeiten - sie soll bereits zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Die heutigen Beratungen wurden laut Gesundheitsministerium "ohne zeitliches Limit" angesetzt. Und das sind die bisher strittigsten Punkte:

Kernstück der Reform: Stärkere medizinische Spezialisierung

Kernstück der Reform ist eine stärkere medizinische Spezialisierung. Vor allem die kleineren Krankenhäuser sollen künftig weniger Leistungen anbieten und sich auf jene Eingriffe beschränken, die sie gut beherrschen. Patientinnen und Patienten werden künftig also bisweilen längere Wege bis zum nächsten zuständigen Krankenhaus in Kauf nehmen müssen - sollen dafür aber eine bessere Behandlung bekommen.

Die Kliniken werden dafür in drei Versorgungsstufen eingeteilt. Level eins für die Basisversorgung im Krankenhaus vor Ort - etwa kleinere chirurgische Eingriffe. Level zwei für die Behandlung bestimmter Schwerpunktbereiche. Und Level drei für die Maximalversorgung etwa bei komplizierten Operationen oder schweren Krebserkrankungen.

Bisher wird noch darum gerungen, wie die einzelnen Behandlungsarten statt grober Bezeichnungen wie "Innere Medizin" Leistungsgruppen zugeordnet werden, um bundesweit einheitliche Qualitätsvorgaben zu sichern. Die Leistungsgruppen sollen anzeigen, welche Behandlungen in den Häusern durchgeführt werden dürfen. Und nur wenn eine bestimmte Qualität gewährleistet ist, gibt es dafür Geld.

Abkehr vom System der Fallpauschalen und der Streit ums Geld

Die Reform-Pläne sehen außerdem vor, das Vergütungssystem mit Pauschalen für Behandlungsfälle zu ändern, um Krankenhäuser von finanziellem Druck zu immer mehr Fällen zu lösen. Daher sollen sie einen großen Anteil der Vergütung allein schon für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen. Bisher ist noch unklar, wie die Fixkosten der Krankenhäuser berechnet werden - und was passiert, wenn sie Qualitätskriterien nicht erfüllen.

Die Länder fordern aber Soforthilfen, um angeschlagene Kliniken kurzfristig vor der Pleite zu retten - und verweisen dabei auf die gestiegenen Energiekosten und die Tarifsteigerungen, die viele Krankenhäuser stark belasten. Lauterbach hingegen lehnt weitere Finanzspritzen ab und will das Geld ausschließlich in die Reform investieren.

Gute Kliniken - schlechte Kliniken?

Der Bundesgesundheitsminister wirbt mit einer Transparenzoffensive für seine Reform. Ab 1. Januar 2024 sollen Patientinnen und Patienten mit wenigen Klicks im Internet erfahren können, welche Qualitätsstandards eine Klinik bei bestimmten Behandlungen erfüllt und wo es möglicherweise Mängel gibt. Darin sollen Daten einfließen wie die Komplikationsraten, die Facharztdichte und die Pflegepersonalausstattung einer Klinik.

Die Länder halten allerdings dagegen, dies könne sich "rufschädigend" auf die Kliniken auswirken. Der Bund widerspricht mit dem Argument, dass es ja ohnehin Ziel der Reform sei, dass Kliniken sich auf jene Behandlungen beschränken, bei denen sie gute Leistungen nachweisen können. Zumindest fordern die Länder dafür mehr Vorlauf. Der Bund will die Transparenzoffensive notfalls mit einem eigenen Gesetz früher durchsetzen.

Länder bestehen auf Planungshoheit - insbesondere Bayern

Die Länder wehren sich zudem dagegen, dass der Bund mit der Reform zu großen Einfluss auf die Krankenhausplanung nimmt. Diese ist traditionell Sache der Länder: Sie treffen bislang die Entscheidungen zu Standort, Fachrichtungen, Versorgungsstufe und Bettenzahl der Krankenhäuser.

Die Länder kritisieren, dass der Bund hier über die Reform mit der Einteilung in Krankenhaus-Levels und Leistungsstufen in ihre eigenen Befugnisse eingreift. Sie wollen bei der Einteilung mitreden - zumal die Entscheidung über eine Beschränkung von Klinik-Angeboten oder gar Klinikschließungen politisch brisant sind, weil sie in betroffenen Regionen für beträchtlichen Ärger sorgen können.

So sagte Bayerns Gesundheitsminister Holetschek (CSU) am Wochenende, die "Länder müssen weiter gestalten können, welche Krankenhausversorgung regional am sinnvollsten ist". Wichtig sei, die Länderkompetenzen zu beachten und "keine Reform im Blindflug" zu verabschieden. "Niemand kauft ein Auto, von dem er nicht weiß, ob es funktioniert. Wir sollten auch nicht neue Grundlagen für die Krankenhäuser schaffen, ohne zu wissen, was dabei herauskommt", betonte Holetschek.

Werden Kliniken schließen?

Die Antwort lautet Ja - ganz egal, wie die Details der Bund-Länder-Einigung am Ende aussehen werden. Für die aktuell 1.719 Krankenhäuser gebe es bereits jetzt nicht genug Personal, viele Kliniken schrieben rote Zahlen, argumentiert Minister Lauterbach. Mit seiner Reform will er das erwartete Kliniksterben begrenzen: "Wenn es am Ende 20 Prozent Krankenhäuser weniger gibt, diese aber bessere Versorgung bieten, dann ist das aus meiner Sicht richtig."

  • Zum Artikel: Krankenhausreform - Wie ist die Situation in den Regionen?

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