Die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen sind in Deutschland regional extrem unterschiedlich verteilt. Das geht aus einer Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Demnach liegen Frauen beim Verdienst zum Beispiel im baden-württembergischen Bodenseekreis um 39,9 Prozent hinter den Männern. In Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt verdienen Frauen dagegen sogar 1,8 Prozent mehr als Männer.
Gender Pay Gap: Weiter Unterschiede beim Gehalt
Insgesamt war der Gender Pay Gap, also die geschlechterspezifische Lücke bei der Bezahlung, 2021 in Westdeutschland mit 20,6 Prozent mehr als dreimal so groß wie in Ostdeutschland mit 6,3 Prozent. Im bundesweiten Durchschnitt erhielten vollzeitbeschäftigte Männer 18,9 Prozent mehr Lohn oder Gehalt. Über die Zeit schließt sich die Lücke allerdings allmählich. Vor fünf Jahren war die Lücke noch um 2,5 Prozentpunkte größer.
Zudem gibt es auch den bereinigten Gender Pay Gap, der Aspekte wie Arbeitserfahrung herausrechnet. Dieser Wert lag in Deutschland zuletzt laut Statistischem Bundesamt bei sieben Prozent, also geringer als der unbereinigte Wert.
"Equal Pay Day" an diesem Dienstag
Für diesen Dienstag wurde der sogenannte Equal Pay Day in Deutschland errechnet – der Tag des Jahres, bis zu dem Frauen rechnerisch im Durchschnitt ohne Bezahlung arbeiten mussten, wenn sie fortan bis zum Jahresende gleich verdienen würden. Im Jahr 2009 lag der Equal Pay Day noch am 20. März.
Die größte Rolle bei den Verdienstunterschieden spielt den IAB-Forschern zufolge die Berufswahl. Frauen arbeiten laut Statistik häufiger in Dienstleistungs-, Gesundheits- und Sozialberufen – mit einem häufig geringeren Verdienst als in Jobs, die vorwiegend von Männern ausgeübt werden. Außerdem sind Frauen häufiger in kleinen Betrieben tätig, profitieren also nicht im gleichen Ausmaß wie Männer von den im Durchschnitt höheren Löhnen in Großbetrieben.
Dröge: "Das ist nicht akzeptabel"
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge verlangt eine faire Bezahlung für Frauen. Noch immer bekommen laut ihr Frauen auch für die gleiche Arbeit weniger Lohn als Männer. "Das ist nicht akzeptabel", sagte Dröge. Die größten Unterschiede zwischen Männern und Frauen gebe es allerdings im Alter. Denn geringere Einkommen und kürzere Zeiten im Job wirkten sich stark auf die Rente aus. "Das führt dazu, dass Frauen im Durchschnitt nur in etwa die Hälfte der Rente von Männern bekommen." Eine höhere Erwerbstätigkeit von Frauen und eine bessere Bezahlung seien der Schlüssel gegen Armut im Alter.
Unterdessen fordert Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) im Kampf gegen Altersarmut und geringere Löhne bei Frauen eine Reform des Steuersystems. Ein geschlechtergerechtes Steuersystem brauche eine Neugestaltung der Steuerklassen III/V, sagte Paus den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Denn dadurch wird die Lohnsteuerbelastung zwischen Eheleuten fairer verteilt." Damit werde die ökonomische Gleichstellung und soziale Sicherung von Frauen gestärkt.
Auch Fachleute für Reform des Ehegattensplittings
Noch immer kümmern sich Frauen einer Studie zufolge deutlich mehr um Haushalt und Kinder als Männer – sind also überwiegend für die sogenannte Care-Arbeit zuständig. Um das zu ändern, schlagen auch Fachleute Reformen beim Ehegattensplitting und beim Elterngeld vor. "Das Ehegattensplitting steht der Erwerbsbeteiligung von Zweitverdienern entgegen", sagte die Makroökonomin Nicola Fuchs-Schündeln von der Goethe-Universität Frankfurt. Vor Wahlen werde das Thema immer wieder diskutiert. Letztlich fehle aber der politische Wille, an dem Konzept zu rütteln.
"Es gibt Studien, die zeigen, dass in Deutschland das Einkommen von Müttern zehn Jahre nach Geburt des ersten Kindes noch 60 Prozent unter dem Einkommen im Jahr vor der Geburt lag", sagte Fuchs-Schündeln. Das liege vor allem daran, dass Frauen nach der Geburt weniger erwerbsmäßig arbeiteten. In Ländern wie Dänemark oder Schweden liege der Wert hingegen nur bei 20 Prozent, in den USA oder in Großbritannien bei 40 Prozent. Ein wichtiger Grund: "Deutschland sticht im Ländervergleich vor allem mit dem Steuersystem heraus", betonte die Wissenschaftlerin.
Diakonisches Werk Bayern: Aufwertung "frauentypischer" Berufe
Auch die zuständige Vorständin im Diakonischen Werk Bayern, Sabine Lindau, weist darauf hin, dass der deutsche "Gender Pay Gap" im europäischen Vergleich außerordentlich hoch sei. "Frauen in der EU verdienen im Schnitt 13 Prozent weniger als ihre Kollegen – in Deutschland liegt d
iese Quote bei 18 Prozent", so Lindau. Lindau fordert eine generelle Aufwertung sogenannter frauentypischer Berufe und Leistungen. "Dabei geht es um das Gehalt ebenso wie um die gesellschaftliche Anerkennung." Damit verbunden sei der Diakonie zufolge auch die Verteilung der Pflege- und Sorge-Arbeit in der Familie, die gerechter zwischen Männern und Frauen aufgeteilt werden müsse. Um am Ende des Jahres gleich viel verdient zu haben wie die Männer, müssten Frauen rein rechnerisch 66 Tage mehr arbeiten, so die Diakonie Bayern.
Ampel-Koalition: Familienbesteuerung "weiterentwickeln"
In ihrem Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP festgehalten: "Wir wollen die Familienbesteuerung so weiterentwickeln, dass die partnerschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Unabhängigkeit mit Blick auf alle Familienformen gestärkt werden." Man werde die Kombination aus den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV überführen.
Konkret würde das bedeuten, dass das Ehegattensplitting in seiner bisherigen Form wegfällt. Dann müsste jeder Ehepartner den Lohnsteueranteil zahlen, den er oder sie gemäß des eigenen Einkommens zahlen muss. Bisher sparen Eheleute Steuern, wenn ein Verdiener (meistens der Mann) deutlich mehr verdient.
Im Kampf gegen den Fachkräftemangel plädierte vor einigen Monaten auch Yasmin Fahimi, Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds, für die Abschaffung des steuerlichen Ehegattensplittings. Der Steuervorteil für Eheleute mit Gehaltsunterschieden sei ein Anreiz für viele Frauen, ihre Erwerbsarbeit nicht auszuweiten und in einem Teilzeitjob zu verharren, sagte Fahimi damals.
- Zum Artikel: Gender Wealth Gap: Warum Frauen im Schnitt "ärmer" sind
Mit Informationen von dpa und AFP
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