Fabio D’Aura ist in Bagnoli aufgewachsen, einem Stadtviertel am Rand von Neapel, auf den Phlegräischen Feldern – einem Supervulkan. Immer wieder kommt es hier in den letzten Jahren zu Erdbeben, erzählt er. Er zeigt auf die sichtbaren Risse in den niedrigen, oft zwei- oder dreistöckigen Häusern am Straßenrand. Momentan kontrolliert die Feuerwehr, ob die Häuser noch bewohnbar sind. Viele können nicht mehr zurück in ihre Wohnungen, sagt er – Einsturzgefahr. Andere warten ewig darauf, dass Feuerwehr und Behörden ihr Haus kontrollieren und freigeben, kritisiert Fabio D’Aura.
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Wegziehen? "Meine Frau hat hier ihr schönes Haus"
Ein paar Straßen weiter ist das Stadtteil-Rathaus von Bagnoli, hier sind Zimmer freigeräumt, Liegen aufgestellt worden – für die, die nicht zurück in ihre Wohnung können oder wollen. Ottavio ist einer von ihnen. Er sitzt auf seiner Liege. Als er erzählt, wie er, seine Frau und die Schwägerin beim Erdbeben aus der Wohnung geflüchtet sind, merkt man ihm den Schrecken an. "Ich würde gerne wegziehen, aber das ist nicht so einfach. Meine Frau ist aus Bagnoli und ich bin aus Sardinien, ich habe sogar Verwandte in Ligurien, die uns aufnehmen würden. Aber meine Frau hat hier ihr schönes Haus. Sie will einfach nichts davon hören, wegzugehen."
Gebäude sind nicht erdbebensicher gebaut
Ein paar Minuten entfernt, im Nachbarort Pozzuoli, arbeitet Stefano Carlino. Er ist Vulkanologe am Nationalen Institut für Geophysik und Vulkanologie und beschäftigt sich seit Jahren mit den Phlegräischen Feldern, mit dem nahen Vesuv. Was ihm und anderen Wissenschaftlern klar ist: Die Erdbeben, die schon seit Jahren in dieser Gegend deutlich spürbar sind, werden weitergehen. Und: Die Erdbeben werden wahrscheinlich weiterhin leicht bis mittelschwer bleiben – Stärke 4 bis 5 auf der Richter-Skala.
Das Problem, so Stefano Carlino: Die Erdbeben sind in dieser Gegend nah an der Oberfläche. Und richten daher mehr Schäden an. "Die Gebäude hier sind auch ziemlich anfällig, also man kann ein Gebäude so bauen, dass es auch oberflächennahe Erdbeben der Stärke 4 oder 5 aushält. Aber das ist ganz klar hier in der Vergangenheit nicht gemacht worden – obwohl man so hätte bauen müssen." Man habe auch keine Studien zum Erdbebenrisiko in der Gegend erstellt, so der Wissenschaftler. "Also im Grunde hat man gebaut, ohne auf das Risiko zu achten". Am besten wäre es natürlich gewesen, hier gar nicht zu bauen, sagt er. Aber die wunderschöne Gegend am Meer zu verlassen, die schon seit etwa 2.500 Jahren bewohnt wird – das kann sich auch der Vulkanologe nicht vorstellen.
Einwohner fordern mehr Unterstützung vom Staat
Was könnte man also tun, um das Leben der Menschen besser und sicherer zu machen? Der Präfekt von Neapel, Michele di Bari, ist der Meinung: Der Staat mache schon viel. "Schon von Anfang an hat die Regierung eine Verordnung erlassen, in der sie auch finanzielle Maßnahmen vorgesehen hat – bis zu 600 Millionen Euro, also eine stattliche Summe. Um damit erstens die Stabilität der Häuser zu prüfen, zweitens, um die Menschen finanziell zu unterstützen, die ihre Häuser verlassen mussten und jetzt entweder selbst eine Unterkunft gefunden haben oder in einem Hotel untergebracht wurden."
Fabio D’Aura und anderen Einwohnern von Bagnoli reicht das nicht. Sie demonstrieren und protestieren immer wieder, gegen die Behörden, gegen die Regierung. Sie fordern unter anderem, alle Häuser von Ingenieuren, also von Fachleuten überprüfen zu lassen. Und die Menschen finanziell zu unterstützen, die die Erdbeben nicht mehr ertragen können und wegziehen wollen, aus diesem Landstrich am Meer, der auf den ersten Blick so idyllisch wirkt.
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