Der österreichische Nationalrat hat zum ersten Mal einen Politiker der rechtspopulistischen FPÖ zum Parlamentspräsidenten gewählt. Walter Rosenkranz erhielt bei der geheimen Abstimmung am Donnerstag 100 von 162 abgegebenen Stimmen. Kritik kam bereits im Vorfeld – unter anderem von der jüdischen Gemeinde.
Tradition: Wahlgewinner erhält Amt
Der 62-jährige Rosenkranz gewann die Wahl hauptsächlich dank der Stimmen seiner Partei und der konservativen ÖVP. ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer begründete die Wahl damit, dass es Tradition sei, dass der Wahlgewinner das Amt erhalte.
Grünen-Chef Werner Kogler betonte: Es sei jedoch nicht Tradition, jemanden in dieses Amt zu wählen, dessen Partei europafeindlich sei und sich nicht ausreichend gegenüber dem Rechtsextremismus abgrenze. "Diese Republik hat sich etwas Anderes und etwas Besseres verdient", sagte er.
Die Grünen sprachen von einem verheerenden Signal, das unvereinbar mit Europa sei. Die Partei verwies darauf, dass das zweithöchste Amt im Staat dem Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus vorstehe und sprach von einem Affront für alle Überlebenden.
Heftige Kritik an Rosenkranz bereits vor der Wahl
Im Vorfeld der Wahl hatte der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, Rosenkranz als jemanden kritisiert, der "Nazi-Verbrecher verharmlost und geradezu huldigt".
Auch die NS-Gedenkorganisation Mauthausen Komitee und das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes hatten davor gewarnt, Rosenkranz zum Vorsitzenden des Nationalrates zu machen. Diese Organisationen wiesen unter anderem darauf hin, dass Rosenkranz Mitglied einer rechten Burschenschaft sei. Diese hatte 1878 den Arierparagraphen eingeführt, der die Aufnahme von Juden verbietet.
Kürzlich sagte Rosenkranz, der Paragraf sei seit langer Zeit abgeschafft. Es könne alles Mögliche aus dem Internet ausgegraben werden.
FPÖ ist stärkste Kraft im Parlament
Die FPÖ war bei der Parlamentswahl Ende September mit 28,85 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Kraft im Parlament geworden. Trotz des FPÖ-Wahlsiegs hatte Österreichs Bundespräsident Alexander van der Bellen ÖVP-Chef Nehammer nach der Wahl mit der Regierungsbildung beauftragt. Van der Bellen begründete dies mit dem "vollkommen unüblichen Fall", dass keine andere Partei mit der FPÖ und ihrem Spitzenkandidaten Herbert Kickl zusammenarbeiten wolle.
Mit Informationen von AFP und dpa
Im Video: Erstes Zusammentreffen des neuen Parlaments in Österreich
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