Die Umweltministerinnen und -minister der Europäischen Union haben das seit Monaten umkämpfte Renaturierungsgesetz verabschiedet. Mit dem Gesetz will die EU die Umweltzerstörung in den Mitgliedstaaten zurückdrehen.
Geschädigte Naturfläche soll wiederhergestellt werden
Das Renaturierungsgesetz verpflichtet die EU-Länder, bis 2030 mindestens je 20 Prozent der geschädigten Flächen und Meeresgebiete wiederherzustellen und bis 2050 alle bedrohten Ökosysteme. Darauf hatten sich die Unterhändler der Mitgliedstaaten bereits im November mit den Abgeordneten des Europaparlaments geeinigt.
Über das Vorhaben wurde lange und intensiv gestritten. Die EU-Kommission hatte das Gesetz vor fast genau zwei Jahren vorgeschlagen. Nach offiziellen Angaben sind rund 80 Prozent der Lebensräume in der Europäischen Union in einem schlechten Zustand. Zudem sind demnach zehn Prozent der Bienen- und Schmetterlingsarten vom Aussterben bedroht und 70 Prozent der Böden in einer schlechten Verfassung.
In einer ersten Reaktion auf die Verabschiedung des Gesetzes sprach die Verhandlungsführerin der Grünen-Fraktion im Europaparlament, die deutsche Abgeordnete Jutta Paulus, von einem Erfolg im Kampf gegen das Artensterben und die Folgen der Klimakrise.
Kritik aus der Landwirtschaft – Abgeschwächter Kompromiss
Während Umweltschützer, zahlreiche Wissenschaftler und Unternehmen das Gesetz befürworteten, gab es großen Widerstand vor allem von Christdemokraten und Bauernverbänden. Die Kritiker befürchten zu große Einschnitte für Landwirte und damit Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion in der EU. Um auf diese Bedenken einzugehen, war das Gesetz im Verhandlungsprozess deutlich abgeschwächt worden. Dem Kompromiss zufolge sollen Landwirte künftig etwa nicht verpflichtet sein, einen bestimmten Prozentsatz ihres Landes für umweltfreundliche Maßnahmen zur Verfügung zu stellen - was Bauern zunächst befürchtet hatten.
Die endgültige Zustimmung der 27 EU-Länder zu dieser Einigung galt eigentlich als Formalie. Die Verhältnisse im Rat der Mitgliedstaaten waren jedoch bis zuletzt knapp: Italien, Finnland, die Niederlande, Polen, Schweden und Ungarn sprachen sich nach Diplomatenangaben gegen das Gesetz aus. Belgien enthielt sich. Die nötige qualifizierte Mehrheit von mindestens 15 Mitgliedstaaten und mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung kam erst mit der Zustimmung Österreichs durch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler zustande.
Österreichs ÖVP zeigt Grünen-Ministerin nach Ja zu EU-Gesetz an
Österreichs konservative Kanzlerpartei ÖVP will nun strafrechtlich gegen Gewessler vorgehen, weil sie dem EU-Gesetz zugestimmt hat. Die ÖVP kündigte eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs an. Gewessler habe mutmaßlich wissentlich Verfassungsrecht gebrochen, argumentierte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Sie sei an einen Einspruch der österreichischen Bundesländer gegen das EU-Gesetz gebunden gewesen. Gewessler hingegen ist überzeugt, dass dieses Veto nicht mehr gilt, seitdem Wien zuletzt den Länder-Konsens verlassen hat und das Gesetz unterstützt.
Österreichs Bundeskanzler Nehammer kündigte eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Das Votum Gewesslers entspreche nicht dem "innerstaatlichen Willen" und habe daher nicht verfassungskonform abgegeben werden können, erklärte das Kanzleramt.
Elf EU-Länder, darunter Deutschland, hatten einen Beschluss des Renaturierungsgesetzes noch im Juni gefordert. Im Juli übernimmt Ungarn mit seiner rechtsnationalistischen Regierung turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft.
Mit Informationen von AFP und dpa
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