Es ist eine weitere Etappe im jahrelangen Streit um die Bienengifte: Der Europäische Gerichtshof hat sein Urteil gefällt und bestätigt, dass das 2013 erlassene Teilverbot von drei Insektiziden rechtens ist. Es geht um Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide, kurz Neonics.
EuGH bestätigt Urteil der Vorinstanz
Um sie dreht sich eine Auseinandersetzung, die bereits mehr als ein Jahrzehnt andauert. Lange galten sie nämlich als Wunderwaffe. Neonics sind hocheffektiv gegen Schädlinge in der Landwirtschaft – gleichzeitig schienen sie umweltfreundlich.
Doch dann passierte 2008 ein verheerendes Ereignis. Im Frühjahr machten Imker im baden-württembergischen Rheintal eine erschreckende Entdeckung: Vor ihren Bienenstöcken lagen tausende toter Bienen. Ganze Völker wurden ausgelöscht, die Imker waren verzweifelt.
11.500 Bienenvölker sterben 2008
An solchen Vergiftungen sterben 2008 mehr als 11.500 Bienenvölker. Auch Imker aus Bayern sind betroffen. Schnell stellte sich heraus: Verantwortlich war mit Neonics behandeltes Saatgut. Die Maiskörner waren mit einem Neonicotinoid ummantelt. Weil das Mittel nicht richtig an den Maiskörnern haftete, entstand beim Ausbringen des Saatguts eine Staubwolke aus Nervengift, die sich überall in der Natur verteilt hat.
2013 erlässt die EU-Kommission ein Teilverbot
Das Ereignis im Rheintal war der Auslöser: Fünf Jahre später kam die EU zu einer Entscheidung: Drei besonders bienengefährliche Neonicotinoide wurden teilweise verboten – für die Anwendung bei Raps, Mais und Sonnenblumen. Etwas später wurde auch das Pestizid Fipronil eingeschränkt.
Gegen diese Teilverbote klagten die Hersteller Bayer, Syngenta und BASF vor dem Europäischen Gericht. Die Firma Bayer, die den Wirkstoff, der für das Bienensterben im Rheintal verantwortlich war, herstellt, teilte damals schriftlich mit, sie möchten "vom Gericht Klarheit über die rechtlichen Grundlagen für die Neonicotinoid-Beschränkung erlangen". Nicht nur im Hinblick auf die Rechtssicherheit erteilter Produktzulassungen, sondern insbesondere mit Blick auf zukünftige Investitionsentscheidungen. Das Gericht der Europäischen Union entschied 2018, dass das Teilverbot rechtmäßig ist. Dagegen legte Bayer Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof ein, der jetzt das damalige Urteil betätigte.
Kann eine erteilte Pestizid-Zulassung zurückgenommen werden?
Im Kern geht es bei diesen Klagen um die Frage: Darf die EU die Zulassung für ein Pestizid deutlich einschränken – lange, bevor sie ausgelaufen wäre? Die Hersteller haben viel investiert in die Entwicklung der Pestizide und sie wollen die Rechtssicherheit, dass eine einmal erteilte Zulassung nicht einfach zurückgenommen werden kann. Auf der anderen Seite steht das Interesse der EU, genau das tun zu können, wenn es neue Fakten gibt.
EU bekommt dadurch mehr Handlungsspielraum
Viele Studien haben in den letzten Jahren gezeigt, dass Neonicotinoide Bienen zwar oft nicht sofort töten, sie aber nachhaltig schädigen. Die EU hat vor ein paar Jahren drei besonders bienengefährlichen Neonicotinoide für die Anwendung im Freiland komplett verboten. Deshalb hat das Urteil heute keine direkten Auswirkungen auf die aktuelle landwirtschaftliche Praxis. Aber es hat durchaus Signalwirkung. Die EU-Kommission hat nun gerichtlich verbrieft mehr Spielraum, und kann im Zweifel Pestizide auch vor Ablauf der Zulassung verbieten, wenn es neue Erkenntnis zu deren Schädlichkeit gibt.
"Darüber spricht Bayern": Der neue BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!