Ein Screenshot vom Titelbild des Verschwörungs-Videos
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#Faktenfuchs: Dieses Verschwörungs-Video enthüllt nichts

Ein neues Video über Corona fasst so gut wie alle Falschbehauptungen zu Corona zusammen. Der Film mit dem Titel "Pandamned" geht auf in einer großen Verschwörungserzählung. Und schürt Angst. Wie das funktioniert, erklärt der #Faktenfuchs.

  • Ein neues Video präsentiert alte Falschinformationen zu Corona als angebliche Enthüllungen
  • Es enthält antisemitische und nicht belegbare, unbegründete oder bereits widerlegte Aussagen
  • Die Macher arbeiten mit Mitteln, die Angst hervorrufen können

Corona macht seit mehr als zwei Jahren vielen Menschen auf der ganzen Welt Angst. Die Entwicklung der mRNA-Impfstoffe gegen Sars-CoV-2 ging vergleichsweise schnell. Auch vereinzelt auftretende schwere Nebenwirkungen der Corona-Impfung verunsicherten viele - etwa Fälle von Myokarditis, für die es allerdings wesentliche weitere Faktoren gibt. All das kann Laien zweifeln lassen. Genau das machen sich Verschwörungsideologen zunutze: Ihre Falschinformationen bauen auf Sorgen und Verunsicherung der Menschen auf.

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Ein neues Video mischt einige wenige Tatsachen mit einer Fülle von Falschaussagen. Der Titel: ein Wortspiel aus "Pandemie" und dem englischen Wort für "verdammt": "Pandamned". Das Video stammt vom niederländischen Filmemacher Marijn Poels, der in früheren Videos etwa den Klimawandel in Frage stellt, mit seinen Arbeiten aber keine allgemeine Anerkennung fand. Poels veröffentlichte das Video vor Kurzem auf seiner Webseite und auf anderen Plattformen. Bereits in den ersten Tagen sahen es mehrere hunderttausend Menschen, auf Social-Media-Plattformen wurde es vor allem von "Querdenker"-Accounts geteilt. Das Video bringt die Hauptthesen der Verschwörungsideologen zu Corona - und selbst zu den Terroranschlägen von 9/11 - zusammen.

Verschwörungstheoretiker Ganser verharmlost Holocaust

Das Video ist dabei selbst ein Paradebeispiel dafür, wie Verschwörungstheorien funktionieren. Eine Verschwörungstheorie zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine umfassende, meist einfach scheinende Erzählung bietet, die allerdings auf nicht belegbaren Annahmen beruht (siehe zum Beispiel im Leitfaden des EU-finanzierten Forschungsnetzwerkes, S. 12). Sie wird oft unterfüttert durch viele kleine Falschbehauptungen.

Der Film ist auch, wie viele Verschwörungstheorien, antisemitisch: Im Video vergleicht zum Beispiel der als Verschwörungstheoretiker bekannte Daniele Ganser eine von ihm wahrgenommene Spaltung zwischen Geimpften und Ungeimpften mit dem "Dritten Reich", in dem die Nazis den Holocaust an den Juden verübten. Er sagt auf die Frage von Poels hin, ob es so eine Spaltung wie jetzt in der Geschichte schon einmal gegeben habe: Ja. Und dann wörtlich: "Oder im Dritten Reich Juden und Nazis, da haben die Nazis gesagt, die Juden, das sind Tiere und haben sie vergast. Oder in Kambodscha hat Pol Pot eine Revolution gemacht und hat gesagt, alle, die Brille tragen, das sind die klugen Menschen, das ist die Oberschicht, die müssen wir umbringen, 'killing fields'. Das heißt, es gab immer lokal in einzelnen Ländern gab es (sic) Wahnsinn, ist ja Wahnsinn. Aber jetzt ist weltweit Wahnsinn. Also das ist neu, dass eigentlich jetzt in der ganzen Welt diese Spaltung zwischen geimpft und ungeimpft ist und dass die zwei Gruppen wie zwei Armeen gegeneinander ziehen."

Schoah instrumentalisiert, um Ungeimpfte als Opfer darzustellen

Pia Lamberty, Co-Geschäftsführerin des gemeinnützigen Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), sagt zu diesem Auftritt: "Die Aussagen von Ganser sind geschichtsrevisionistisch und holocaust-verharmlosend, und das ist eine Form des Antisemitismus." Lamberty forscht als Psychologin zu Verschwörungsglauben und ist beim CeMAS auch Expertin für Antisemitismus. "Es ist hochproblematisch, wenn auf die Frage nach einer gesellschaftlichen Spaltung sofort die Schoah kommt - weil es damals nicht um eine Spaltung ging, bei der zwei Seiten einander gegenüberstanden, sondern um einen brutalen Vernichtungs-Antisemitismus, der auch Staatsdoktrin war und zum industriellen Massenmord an Menschen führte", sagt sie. "Auch indem Ganser sagt, die Schoah sei lokal gewesen, verharmlost er sie." Die Schoah sei kein lokales Ereignis gewesen.

"Die Logik seiner Aussagen lautet, wenn man es zu Ende denkt: Die Ungeimpften sind die neuen Juden. Solche Aussagen waren auch bei vielen "Querdenker"-Veranstaltungen zu hören", sagt Lamberty im Gespräch mit dem #Faktenfuchs. Das sei auch ein Versuch, Verbrechen zu instrumentalisieren, um sich selbst als Opfer zu gerieren. "Das Raunen und das Codierte an solchen Aussagen führen das Antisemitische um die Ecke ein, aber es ist nicht weniger gefährlich", so die Sozialpsychologin.

Instrumentalisierung der Schoah seit Pandemiebeginn häufig zu beobachten

Auch die Leiterin der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS), Annette Seidel-Arpacı, stuft die Aussagen so ein: "Eine solche Instrumentalisierung der Schoah ist seit dem Beginn der Pandemie häufig zu beobachten." Bei solchen Aussagen wie der von Ganser werde versucht, die Relativierung zu verschleiern, indem man zunächst sagt, dass der Mord an den Juden schrecklich war, um dann aber zu behaupten, dass im Kontext von Corona alles noch viel schlimmer sei. "In diesem Sinne sind solche Aussagen im Kontext von Antisemitismus nach der Schoah zu sehen", sagt Seidel-Arpacı.

Lamberty weist auch darauf hin, dass solche Aussagen wie die von Ganser Teil eines systematischen Problems sind: In einer bevölkerungsrepräsentativen Studie des CeMAS zeigte sich, dass fast zehn Prozent der Befragten in Deutschland der Aussage zustimmen, dass "die aktuellen Corona-Maßnahmen und die Politik mit der Zeit des Nationalsozialismus vergleichbar" seien. Besonders hoch - 37 Prozent - ist die Zustimmung bei jenen, die in der Umfrage laut der Studien-Macher eine hohe "Protestbereitschaft" zeigen. Aus wissenschaftlicher Sicht entbehrt diese Haltung in Bezug auf die Corona-Politik jeder Grundlage.

Ganser sowie andere tief in der Verschwörungstheorie-Szene verwurzelte Gesprächspartner kommen allerdings erst etwas später im Video zu Wort. Den Einstieg in den Film macht Ulrike Guérot, eine Politikwissenschaftlerin, die mit den Aussagen zur Corona-Politik in Deutschland Beifall von "Querdenkern" und Corona-Verharmlosern erhält. Sie bewarb den Film ebenfalls auf Twitter als "wirklich gut gemacht". Eine Anfrage des #Faktenfuchs, ob sie auch diese Holocaust-Erwähnung im Kontext des Impfens mitträgt, ließ Guérot unbeantwortet. Poels verteidigt in einer Antwort an den #Faktenfuchs die Aussagen Gansers.

Die kleine Elite, die angeblich alle gefügig machen will - und töten

Die zentrale These des Videos: Eine kleine Gruppe von mächtigen Menschen, eine kleine Elite, erschaffe oder erfinde Krisen wie die aktuelle Corona-Pandemie, um den Bürgern Angst zu machen und sie so gefügig zu machen. Das ist eine Verschwörungstheorie, die auf antisemitische Mythen wie "New World Order" (siehe zum Beispiel im Flyer der Bundeszentrale für politische Bildung, im blauen Kasten S. 3) und "The Great Reset" zurückgreift. Diese Begriffe fallen im Film auch explizit.

Wichtige Merkmale von Falschinformation und Verschwörungstheorien sind erfüllt: Neben antisemitischen Aussagen und Referenzen nutzt der Film nicht belegbare Erzählungen, bereits widerlegte Behauptungen und eine einseitige Quellenauswahl. Der Film impliziert unbelegte Ursachen-Zusammenhänge und enthält Widersprüche (Die Weltbevölkerung solle demnach durch eine Impfung getötet, zugleich jedoch gefügig gemacht werden.) Die für Verschwörungserzählungen typische Frage "cui bono", also "Wem nützt es?" oder in der Variante der Protagonisten: "Warum sollten sie das tun?" wird gestellt und dabei werden mal mehr, mal weniger explizit "böse" Drahtzieher hinter einem großen Plan vermutet.

Der Film schürt Angst

Die Macher arbeiten dabei selbst mit Mitteln, die Angst hervorrufen können: mit scheinbar spektakulären, aber falschen Aussagen, mit Bildern von kollabierenden Menschen, mit Roboter-Marionetten (auch eines der Symbole antisemitischer Verschwörungstheorien) und mit spannungsgeladener Musik.

Welche Motivation die Akteure dabei antreibt, ist nicht abschließend zu klären. Der Filmemacher selbst bittet auf seiner Webseite um Spenden, mit denen er nach eigenen Angaben seine Filme finanziert. Auch andere Verschwörungsideologen wie Ganser, der zum Beispiel Bücher verkauft, machen ihre Verschwörungserzählungen zum Geschäftsmodell. Die starken Gefühle, die ihre Verschwörungstheorien auslösen können, den Ideologen Aufmerksamkeit bringen - die über Plattformen wie YouTube wiederum Geld einbringen kann.

Der Filmemacher lässt bewusst eine Seite aus

In den mehr als zwei Stunden, die das Video dauert, kommen viele Interviewpartner zu Wort, die seit Beginn der Pandemie als Corona-Verharmloser oder Verbreiter von Falschinformationen auftraten, oder von Irreführendem zu dem Virus und zur Corona-Politik: zum Beispiel der wegen Volksverhetzung angeklagte Mediziner Sucharit Bhakdi, die irische Professorin Dolores Cahill, der deutsche Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen, der Jurist und Journalist Milosz Matuschek oder Monica Felgendreher von den Berliner "Querdenkern".

Experten, die auf Grundlage der wissenschaftlich allgemeingültigen Erkenntnisse und damit fachlich fundiert dagegen halten würden, bekommen keinen Platz in dem Film, den Poels selbst als 100-prozentig "fan-finanzierte" Dokumentation bezeichnet. Die Quellenauswahl ist einseitig - damit widerspricht der Film auch den Grundregeln des Journalismus. Poels schreibt in einer Mail-Antwort an den #Faktenfuchs, er lasse die Informationen, die für Maßnahmen und Impfungen sprechen, bewusst aus. Es gebe diesbezüglich einen "overkill" in den "Mainstream-Medien", er wolle "die andere Seite" erzählen. Kritik an Maßnahmen und Impfungen komme in den "Mainstream-Medien" nicht vor.

Das ist falsch und ein Fehlschluss: In Qualitätsmedien kommen auch jene Behauptungen vor, die Poels als "Enthüllungen" darstellt - sie werden aber widerlegt und eingeordnet. Zum Beispiel, dass die Impfung tödlich sei: hier oder hier. Oder dass das neuartige Coronavirus definitiv aus dem Labor stamme, wie Bhakdi behauptet: Das ist bisher schlicht nicht abschließend geklärt, wie "Possoch klärt" aufzeigt oder auch der Faktenfinder. Über Kritik von Branchen und Betroffenen von Maßnahmen wird berichtet, ebenso wie über wissenschaftlich belegte Impf-Nebenwirkungen.

Keine neuen Behauptungen, keine Enthüllungen

Das Video gibt zwar vor, etwas zu enthüllen. Neue Behauptungen zum Coronavirus oder den Impfstoffen enthält es aber nicht. Stattdessen wiederholen die Protagonisten in dem Film schlicht viele der unbelegten, irreführenden oder falschen Behauptungen, die sie im Verlauf der Pandemie schon geäußert hatten.

Der #Faktenfuchs geht hier auf eine Auswahl an Falschbehauptungen ein, die beispielhaft zeigt, wie der Film arbeitet:

So behauptet etwa die irische Medizinerin Dolores Cahill, dass Covid nicht mit einer Impfung "behandelt" werden müsse - an sich schon eine Falschaussage. Eine Impfung ist keine Behandlung einer Krankheit, sondern präventiver Schutz. Sie behauptet weiterhin, dass mit Vitamin D, Zink, Hydroxychloroquin und Ivermectin eine ausreichende Medikation gegen Covid verfügbar sei. Das ist falsch. Weitere Behauptungen von Cahill widerlegt auch dieser #Faktenfuchs. Ihre frühere Universität distanzierte sich vor einiger Zeit von Cahill aufgrund ihrer Aussagen über Corona. Cahill war auch Vorsitzende einer rechten Splitterpartei (Irish Freedom Party).

Scheinbar informiert, aber voller Verwechslungen und Fehlern

Cahill ist jedoch ein gutes Beispiel dafür, warum Falschinformationen, wie sie in diesem Film präsentiert werden, bei einigen Menschen verfangen: Cahill spricht detailreich und konkret, und wirkt dadurch scheinbar sehr informiert. Sie tritt selbstsicher auf und gibt sich tief besorgt, wirkt dabei aber ruhig und besonnen. Laien können ihre Sätze voller Fachbegriffe und vermeintlicher Zusammenhänge nicht einordnen. Cahill ist dabei keine ausgewiesene Impfstoff-Forscherin, sondern arbeitete in der Protein-Forschung.

Impfstoff-Forscher hingegen attestieren ihr Falschbehauptungen. Cahill verwechselt etwa präklinische mit Phase-1-Studien. Cahill behauptet, die Impfstoffe befänden sich in Studien-Phase 3 - das ist falsch. Sie spricht von sehr vielen Impftoten, ohne Quellen zu nennen. Warum es für ihre Behauptung keine Quellen gibt, können Sie bei den Faktencheckern von Correctiv nachlesen. Cahill behauptet, es würden - durch die Impfung - alle Geimpften sterben. Dafür, dass die Macher des Videos solche falschen Behauptungen unwidersprochen präsentieren, gibt es Kritik sogar aus den Reihen derer, die sich selbst gegen den sogenannten Mainstream positionieren.

Falschinformationen, aufgebaut auf vereinzelte Fakten

Die Impfstoffe führten, so Cahill, zu einem sogenannten Zytokinsturm und Organversagen. Für diese Behauptung gibt es keine wissenschaftliche Grundlage, wie es zum Beispiel Correctiv und wie es auch Faktenchecker in Irland, den USA oder in Griechenland erklären. Wie aber so häufig bei Falschinformationen: Es gibt einen wahren Kern, der aber übertrieben, verzerrt oder in einen falschen Zusammenhang gestellt wird. Cahill greift etwa die Herzmuskelentzündung (Myokarditis) auf, die als sehr seltene Impf-Nebenwirkung allerdings bekannt ist (und die meist heilt).

Auch das Gespräch mit Sucharit Bhakdi in dem Film passt in dieses Muster. Er beschreibt medizinisches Grundwissen - zieht aber falsche Schlussfolgerungen. In einer Tier-Studie traten Herzmuskelentzündungen nach gezielter Injektion in Blutgefäße bei Mäusen auf. Beim Menschen ist der Zusammenhang aber noch nicht bewiesen. Für die beim Menschen vereinzelt beobachteten Fälle gibt es wesentliche weitere Faktoren wie Vorerkrankungen, Alter und Geschlecht. Zudem wird inzwischen empfohlen, zu aspirieren - um eine Injektion in Blutgefäße zu vermeiden. Die Impfung ist - anders als Bhakdi behauptet - nicht unnötig.

Der als Corona-Verharmloser bekannte Milosz Matuschek ist Co-Produzent des Films und tritt ebenfalls als Interviewpartner auf. Er behauptet unter anderem, die Corona-Pandemie sei lediglich “medienvermittelt”. Er habe mehrmals versucht, die Lage in normalen Krankenhäusern zu überprüfen. Die Realität dort sei eine andere als in den sogenannten Mainstream-Medien zu lesen gewesen sei. Mit dieser Taktik, die scheinbare “Realität” selbst überprüfen zu sollen, ist Matuschek nicht allein - es gibt entsprechende Videos. Der #Faktenfuchs hat sich diese genauer angesehen, die Faktenchecker von Correctiv ebenfalls.

Während sich Filmemacher Poels als investigativer Journalist darstellt, stellt er seinen Interviewpartnern viele Suggestivfragen - worauf ihn auch eine Gesprächspartnerin hinweist. Sie sagt: “Du hast natürlich einen Plan und das sehe ich auch ein.” Die Quellen zeichnen sich nicht durch fachliche Expertise aus, sondern durch genau in die Botschaft passende Aussagen.

FAZIT

Das Video sammelt Aussagen von Corona-Verharmlosern, “Querdenkern” und bekannten Verschwörungstheoretikern aus Deutschland und weiteren Ländern. Es wiederholt bereits bekannte antisemitische Mythen und nicht belegbare, unbegründete oder bereits widerlegte Falschaussagen. Mit diversen Mitteln, etwa pauschalen (und falschen) Todesprognosen, Musik und Marionetten-Symbolen, schüren solche Videos Angst, um die eigene Sicht auf die Welt stärker verbreiten und Aufmerksamkeit generieren zu können. Oft sind damit auch finanzielle Interessen verbunden.