In den USA veröffentlichen die Centers for Disease Control (CDC), eine Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums, regelmäßig Zahlen und Statistiken über den Stand der Corona-Pandemie. Aktuell werden diese Zahlen in Sozialen Netzwerken wie den Telegram-Channels von den selbsternannten "Querdenkern" aus Bayern verbreitet - und dabei falsch ausgelegt.
Ausgangspunkt für die Falschbehauptungen sind die folgenden Sätze der CDC:
"Für sechs Prozent der Toten war Covid-19 die einzige angegebene Todesursache. Für Todesfälle mit zusätzlichen Erkrankungen oder Ursachen zu Covid-19 lagen im Durchschnitt 2,6 zusätzliche Erkrankungen oder Ursachen pro Todesfall vor."
Daraus leiten Kritiker der Corona-Maßnahmen oder Anhänger der "Querdenken"-Bewegung ab, dass nur sechs Prozent der bisher in der Statistik geführten Todesfälle in den USA auf Corona zurückzuführen seien. In Bayern teilt etwa ein Admin der "Querdenken089"-Gruppe auf Telegram einen Text, in dem es heißt: "US-Behörde: Statt 161.000 Todesfällen sind in den USA tatsächlich nur 9.600 an Covid-19 gestorben." (In der Falschmeldung wird in diesem Fall als Stand der 26.8. angegeben; laut CDC erreichten die USA allerdings bereits am 8.8. die 161.000 Toten.)
Steht auf dem Totenschein neben Covid-19 noch etwas anderes?
Die Aussage der CDC bedeutet jedoch, dass bei sechs Prozent der registrierten Todesfälle in den USA die einzige erwähnte Todesursache auf dem Totenschein Covid-19 war (wobei es auch vorkommen kann, dass zum Beispiel Vor- oder Begleiterkrankungen auf dem Totenschein nicht vermerkt waren).
Bei den restlichen 94 Prozent standen auf dem Totenschein neben Covid-19 noch weitere Erkrankungen oder Ursachen, die zum Tod beitrugen. Deshalb schreiben die CDC auch "zusätzliche Erkrankungen oder Ursachen zu Covid-19". Covid-19 gilt also auch in diesen Fällen als Todesursache.
Auch bei den restlichen 94 Prozent steht Covid-19 als Ursache
Die CDC bezieht ihre Daten aus den Totenscheinen. Diese listen Ursachen und Erkrankungen auf, die zum Tod beitrugen. Das Coronavirus führt oft zu anderen ernsthaften Beschwerden wie einer Lungenentzündung. Deshalb haben Covid-Patienten oft noch andere Erkrankungen, bevor sie sterben, schrieb der US-Epidemiologe Gideon Meyerowitz-Katz. So listet die betreffende CDC-Statistik zum Beispiel Atemversagen, das durch Sars-CoV-2 direkt verursacht werden kann, als Komorbidität - also Begleiterkrankung - von Covid-19 auf. Ebenso stehen in dieser Todesfall-Statistik chronische Erkrankungen wie Diabetes, die laut CDC das Risiko eines schweren Covid-19-Verlaufs erhöhen.
Wer Diabetes und Covid-19 hat und stirbt, ist Covid-19-Toter
Im US-Fernsehen erklärte der Immunologe und Berater der US-Regierung Anthony Fauci, dass eine an Covid-19 erkrankte Person, die zum Beispiel auch Diabetes hatte und starb, sehr wohl als Corona-Todesfall zähle. Damit seien die rund 180.000 Toten (Stand 31. August) "echte" Covid-19-Tote. "Da darf es keine Verwirrung geben", sagte Fauci.
In den Falschbehauptungen jedoch wird aus den Zahlen und CDC-Angaben fälschlicherweise abgeleitet, dass lediglich sechs Prozent der Todesfälle auf die Erkrankung Covid-19 zurückgingen und die restlichen 94 Prozent der Patienten an anderen Erkrankungen gestorben seien. Diese falsche Behauptung wird oft eingebunden in eine Verschwörungsidee: Eigentlich sei das neuartige Coronavirus ungefährlich und Politiker, Medien und Wissenschaft wollten die Bevölkerung darüber täuschen. Dafür, so die Erzählung, blähten sie die Todesfallzahlen (oder wahlweise auch die Infektionszahlen) auf.
Weil diese Falschbehauptungen über die CDC-Statistik seit mehreren Wochen kursiert, unterscheiden sich die konkreten Todesfallzahlen jeweils - je nach Update auf der CDC-Webseite.
Trump verbreitete die Falschbehauptung - von QAnon
Die Desinformation verbreitete unter anderem Präsident Donald Trump. In einem mittlerweile gelöschten Retweet, der von einem QAnon-Anhänger ausgegangen war, war ebenfalls die Rede von den "6% Prozent eigentlichen" Covid-Toten. Nun also kursiert sie in Deutschland, wie auch die Faktenchecker von Correctiv beobachteten.
In Deutschland währt schon seit Beginn der Corona-Pandemie die Debatte um die Todesfall-Statistik des RKI, die nicht unterscheidet zwischen “gestorben an” oder “gestorben mit” einer Sars-CoV-2-Infektion.
Die Zahlen wurden nicht reduziert
In den Falschbehauptungen zu den CDC-Zahlen heißt es in Varianten auch oft, die vermeintliche Wahrheit werde nun "offengelegt", die Zahlen würden korrigiert, und zwar "still und heimlich".
Auch das ist falsch. Die Anmerkung der CDC oder die Daten in den Updates bedeuten keine Korrektur vermeintlich falscher ursprünglicher Zahlen, sondern sind eine Präzisierung der Todesursachen. Die Zahlen wurden auch nicht "heimlich" richtiggestellt und auf einen kleinen Bruchteil reduziert - die Zahlen stehen für alle zugänglich auf der Webseite. Die Behörde stellt diese Informationen seit Mai öffentlich bereit.
Die Instrumentalisierung von offiziellen, aber falsch ausgelegten Daten gehört zu den Strategien der Desinformation. Ebenso die Behauptung, die Wahrheit würde verheimlicht. Dahinter steht der Versuch, die Maßnahmen der Regierungen zur Eindämmung des Virus zu diskreditieren.
Fazit
Behauptungen, neue Zahlen aus den USA zeigten, dass lediglich sechs Prozent der offiziellen Corona-Toten dort auch tatsächlich an Covid-19 gestorben seien, sind falsch. Die restlichen 94 Prozent sind ebenfalls Covid-19-Tote - bei ihnen wurden jedoch Vor- oder Begleiterkrankungen auf dem Totenschein vermerkt.
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