Ein Internetportal in Tschechien soll prorussische Propaganda in Europa verbreitet haben. Nun geht Tschechien gegen den Betreiber vor, auch in Polen gab es Untersuchungen. Einem Bericht zufolge sollen auch Gelder an Politiker geflossen sein. Unter den Politikern soll auch der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl Petr Bystron sein. Er weist die Vorwürfe zurück.
Wer ist Voice of Europe?
Die Internetseite sei Teil einer russischen Einflussoperation, so das tschechische Außenministerium. Das Ziel sei es, die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Freiheit der Ukraine infrage zu stellen. Dahinter stehe der Oligarch Wiktor Medwedtschuk, der in der Ukraine wegen Hochverrats angeklagt wurde, aber im Zuge eines Gefangenenaustauschs nach Russland gelangte. Medwedtschuk, der als Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt, wurde nach Ministeriumsangaben auch persönlich auf die Sanktionsliste gesetzt.
Christopher Nehring ist Gastdozent für Desinformation des Medienprogramms Südosteuropa der Konrad-Adenauer-Stiftung. Für ihn ist der Fall nichts Überraschendes. Es sei eine Strategie, dass ein Oligarch, der sich über Staatsaufträge reich finanziert, innerhalb von Russland und dann im Ausland solche Netzwerke, Medien, aber eben auch persönliche Netzwerke aufsetzt, um Informationen zu lancieren, Meinung zu machen und zu agitieren, sagt Nehring. Die vermeintlichen Zahlungen an Politiker, so Nehring seien dagegen ein neues Element.
Was macht Voice of Europe?
Die Betreiberfirma der auch auf Deutsch verfügbaren Webseite ist in Prag registriert. Sie ist auch in sozialen Netzwerken wie Facebook und auf der Plattform X aktiv, wo sie mehr als 180.000 Follower hat. Das Medium gilt als Plattform für prorussische und populistische Propaganda.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte zu dem Fall: "Wieder sehen wir das massive Ausmaß der Lügen und der Desinformation, mit dem Putins Regime das Vertrauen in unsere Demokratie erschüttern, Wut schüren und die öffentliche Meinung manipulieren will." Die Ministerin sprach von einem "wichtigen Schlag gegen den russischen Propaganda-Apparat". Es sei "wichtig, dass diese Einflussoperation vor der Europawahl aufgedeckt wurde", so die SPD-Politikerin.
Was wird ihnen vorgeworfen?
Die tschechische Zeitung "Denik N" berichtete unter Berufung auf Geheimdienstkreise, über das Einfluss-Netzwerk seien bei Besuchen in Prag auch Gelder in bar an europäische Politiker übergeben worden. Es habe sich um Politiker aus Deutschland, Frankreich, Polen, Belgien, den Niederlanden und Ungarn gehandelt. Dafür und für den Betrieb des Portals sei ein sechsstelliger Eurobetrag aufgewendet worden. Das Innenministerium in Berlin sprach von einer "illegitimen" Einflussnahme Russlands auf das Europäische Parlament.
Desinformation als Strategie
Gerade das Erstarken der extremen Rechten in weiten Teilen Europas macht nach Ansicht von Pia Lamberty vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas) die Gesellschaft empfänglicher für Desinformation. Lamberty untersucht Radikalisierungstendenzen und Verschwörungserzählungen im Netz, sie erwartet solche Versuche auch aus dem Ausland wie Russland.
Laut Desinformationsexperte Nehring ist das Ziel klar: "Es geht einmal um Einflussnahme. Es geht um die Spaltung der Gesellschaft. Man hat jetzt bei Voice of Europe gesehen, dass es eben auch darum ging, in diesem Fall die Finanzströme zu verdecken und an bestimmte Stellen zu leiten."
Für ihn ist es aber nur eine von mehreren Säulen der russischen Desinformationskampagne. Die anderen Säulen sind zum einen die klaren staatlichen Akteure, die versuchen, Einfluss zu nehmen. Das andere sind halb verdeckte Akteure wie RT, Russia Today, die als eigene Medienmarke fungieren sollen. Und dann seien da eben Modelle wie das von "Voice of Europe", die von reichen Privatpersonen organisiert werden und bei denen es viele staatliche Querbezüge gäbe, so Nehring.
EU-Kommissions-Vizepräsidentin Vera Jourova rechnet mit weiteren Enthüllungen. "Ich bin überzeugt davon, dass das, was wir jetzt wissen, nur die Spitze des Eisbergs ist", sagte die in der Kommission für Werte und Transparenz zuständige 59-Jährige der tschechischen Zeitung "Hospodarske noviny". Sie gehe davon aus, dass es bei Weitem mehr bezahlte Politiker oder Menschen mit Einfluss in der Gesellschaft gebe, als bisher bekannt sei.
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