Christian Lindner, FDP Bundesvorsitzender, bei seiner Rede beim außerordentliche Bundesparteitag der FDP.
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Christian Lindner, FDP Bundesvorsitzender, bei seiner Rede beim außerordentliche Bundesparteitag der FDP.

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FDP-Parteitag: Nach außen selbstbewusst, nach innen zitternd

FDP-Parteitag: Nach außen selbstbewusst, nach innen zitternd

Vor der Bundestagswahl bangen die Liberalen um den Wiedereinzug ins Parlament. Beim Parteitag zeigt sich die FDP trotz schlechter Umfragewerte nach außen selbstbewusst. Doch wie will sie die Stimmung noch drehen? Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Tosender Applaus für Christian Lindner. Mehr als 600 Delegierte jubeln ihrem Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten während und nach seiner Rede auf dem Parteitag in Potsdam zu. Es sollen positive, starke Bilder sein, die von hier ins ganze Land gesendet werden. Die FDP will Geschlossenheit und vor allem Zuversicht ausstrahlen.

"Wir stehen gegenwärtig in den Umfragen auf der Kippe. Wir wissen es", sagt Lindner. Seit Wochen liegen die Freien Demokraten bei vier Prozent – wie einbetoniert – und damit unterhalb der wichtigen Marke von fünf Prozent, um wieder in den Bundestag einziehen zu können.

Geschlossenheit, Zuversicht und viele Durchhalteparolen

So ist der Tag in Potsdam von Durchhalteparolen geprägt. Vize-Parteichef Wolfgang Kubicki sagt: "Es gibt noch viele Unentschlossene." Und am Wahlabend würden sich noch einige wundern, fügt er hinzu. Kubicki: "Hier steht die Zuversicht." Ein Wort, das von vielen Delegierten zu hören ist.

Die Liberalen geben sich aber nicht nur zuversichtlich, sondern selbstbewusst und kämpferisch. Niemand im Land soll Zweifel haben, dass sich die Freien Demokraten schon selbst aufgegeben hätten. Dazu passen auch die neun Prüfsteine in ihrem Wahlaufruf, eine Art Zusammenfassung der wichtigsten Forderungen im Wahlprogramm. Aus den Forderungen wurden jetzt Bedingungen, sollte die FDP in einer neuen Regierung gebraucht werden.

Beschluss: Nicht wieder zusammen mit den Grünen

Es geht um Entlastungen für Bürger und Wirtschaft, eine große Steuerreform, einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik, mehr Freiheit, mehr Digitalisierung, weniger Bürokratie und weniger Staat. Vieles sind altbekannte liberale Positionen.

Neu ist allerdings eine Entscheidung zu einem der ehemaligen Ampel-Partner: Einstimmig beschloss der Parteitag, nicht erneut mit den Grünen eine Koalition im Bund einzugehen. "Mit uns gibt es keine Zusammenarbeit mit den Grünen nach der nächsten Bundestagswahl", betont Lindner. Damit schließt er auch explizit eine Jamaika-Koalition aus. "Die entscheidende Frage ist: Lindner oder Habeck im Kabinett", sagt der FDP-Chef mit Blick auf den Grünen-Kanzlerkandidaten. Kubicki nennt die FDP "das Bollwerk gegen Schwarz-Grün".

Aussagen, die bei den Delegierten für Lachen, lautes Klatschen und zustimmende Pfiffe sorgen. Das Ziel des Anti-Grünen-Kurses: Wählerstimmen an den politischen Rändern einzusammeln – vor allem im AfD-Lager. Ob der Plan aufgeht, weiß niemand. Auch mit der AfD, den Linken und dem Bündnis Sahra Wagenknecht schlossen die Freien Demokraten per Parteitagsbeschluss eine Zusammenarbeit aus.

Blick hinter die Kulissen zeichnet ein anderes Bild

Wer aber hinter die Kulissen der filmreifen Parteitagsinszenierung gleich neben dem Babelsberger Filmpark blickt, hört neben Jubel auch andere Töne. Die Unsicherheit ist bei vielen Delegierten und Anhängern groß. Die schlechten Umfragewerte sorgen für Nervosität. Schon seit September 2023 sind die Liberalen im ARD-DeutschlandTrend nicht mehr über die Fünf-Prozent-Hürde geklettert. Es rumort in der Partei. Zuletzt wurde das im Bundestag bei der Abstimmung eines von der Union eingebrachten Gesetzes zur Migration deutlich. Rund ein Viertel der Bundestagsfraktion folgte der Parteispitze nicht. Die Abgeordneten stimmten mit Nein, enthielten sich oder gaben erst gar nicht ihre Stimme ab – auch weil manche krank gewesen sein sollen. Viele von ihnen wollten aber nicht ein Vorhaben unterstützen, dass nur mit den Stimmen der AfD durch den Bundestag kommt.

Zuvor sorgte das umstrittene D-Day-Papier zum detailliert vorbereiteten Ausstieg aus der Ampel-Koalition und die damit zusammenhängende Krisenkommunikation für Unmut in der Partei. Seitdem gilt FDP-Chef und Spitzenkandidat Lindner intern als angeschlagen. Davon ist auf dem Parteitag allerdings nichts zu spüren. Für Kritik gibt es in Potsdam keinen Raum – auch nicht in der Aussprache der Delegierten, die nach Lindners Rede folgt.

Nach außen setzen die Parteistrategen ohnehin alles daran, in diesen Tagen mehr denn je das Bild der geschlossenen Partei zu transportieren. Gelingt es Lindner, die Freien Demokraten zwar geschrumpft, aber dennoch knapp im Bundestag zu halten, dürfte er innerparteilich weiter an der Spitze stehen – und noch mehr, sollte er die FDP in die nächste Bundesregierung führen. Kommt es anders, werden die personellen Karten mit hoher Wahrscheinlichkeit neu gemischt und wird Lindner seinen Posten vermutlich räumen.

Hoffnung auf die Union – doch die geht auf Distanz

Laut Demoskopen ist die FDP nach vielen verlorenen Landtagswahlen derzeit zu schwach, um aus eigener Kraft das Ruder in der Wählerstimmung zu ihren Gunsten herumzureißen. Sie bräuchten aus der Anhängerschaft der Union Wählerinnen und Wähler, die für sie stimmen, die eine schwarz-gelbe Koalition favorisieren. Genau deshalb umwarb Lindner in den vergangenen Wochen CDU und CSU und forderte Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz auf, eine Koalitionsaussage zugunsten der Liberalen zu machen.

Doch die Union macht genau das Gegenteil und geht auf Distanz. Vor wenigen Tagen rief Merz die Wählerinnen und Wähler sogar auf, nicht für die FDP zu stimmen. "Vier Prozent sind vier Prozent zu viel für die FDP und vier Prozent zu wenig für die Union", sagte der CDU-Vorsitzende in Interviews. Stimmen für die FDP wären "verlorene Stimmen", mahnt Merz.

Lindner attackierte CDU- und CSU-Spitze

Wie verärgert die Liberalen darüber sind, ist auf dem Parteitag gut zu beobachten. So holt die Parteispitze zum Gegenschlag aus. Lindner attackiert Merz scharf – genauso den CSU-Vorsitzenden Söder, der vor "Leihstimmen" an die FDP gewarnt haben soll. Lindner sagt: "Markus Söder hat genau zwei Stimmen, seine eigenen. Die muss er uns nicht leihen, die kann er behalten." Der FDP-Vorsitzende appelliert an das Selbstbewusstsein der Liberalen: "Diese stolze, traditionsreiche Freie Demokratische Partei, sie wirbt nicht um Leihstimmen. Wir wollen Bekenntnisstimmen." An dieses Selbstbewusstsein knüpft auch FDP-Generalsekretär Marco Buschmann in seiner Schlussrede an: "Die Freien Demokraten stecken voller Energie. Die PS bringen wir jetzt auf die Straße. Und dann gewinnen wir die Wahl." So wie der Parteitag begann, endet er dann auch: mit sehr viel Zuversicht.

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